Tread softly

1. November 2007

Dasepo Naughty Girls

HAD I the heavens‘ embroidered cloths,
Enwrought with golden and silver light,
The blue and the dim and the dark cloths
Of night and light and the half-light,
I would spread the cloths under your feet:
But I, being poor, have only my dreams;
I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.

William Butler Yeats (1865-1939)

••• Die Herzdame ist noch immer ganz im Asia-Filmfest-Fieber. Und dieses Jahr gebe ich mir auch die volle Dosis. Heute Film 4 und 5. Letzterer – Dasepo Naughty Girls – ist eine sehr schräge Highschool-Musical-Komödie aus Südkorea. Das hört sich nicht nach Poesie an. Hat aber welche. Und es kam sogar Yeats vor – vorgelesen aus einer sehr schönen koreanisch-englischen Ausgabe, in der die Originalversion und die Übertragung nicht auf gegenüberliegenden Seiten gedruckt waren, sondern nach jeder Originalzeile die koreanische Übertragung folgte.

Yeats klingt auch auf Koreanisch. Über den Zufallsfund dieses Gedichtes habe ich mich sehr gefreut.

Teufelshuf und Himbeerbrause

31. Oktober 2007

Teufelshuf und Himbeerbrause

Der Teufel, er nennt es Höllenleid, wir Menschen, wir nennen es – LIEBE.

Die glücklichen Großeltern sind gerade in ihr kleines Häuschen am Rande der Stadt gezogen, da bekommen sie unerwarteten Besuch. Der Kerl mit dem Pferdehuf steht plötzlich in der Tür. Er will die Großeltern richtig verteufeln und denkt sich mit seinen Kumpanen – der Hexe, dem Gerippe und den beiden Irrlichtern – üble Gemeinheiten aus, um sie auseinander zu bringen. Denn eines kann er überhaupt nicht leiden: wenn sich Leute richtig lieb haben. Nach vielen Bosheiten und schlaflosen Nächten begibt sich Großvater auf die Suche nach dem Teufel, um ihm das Handwerk zu legen. Dabei macht er eine merkwürdige Entdeckung: der Teufel wohnt nicht in einer dunklen Höhle, sondern in einem wunderschönen Schloss, wo es täglich Schokoladenpudding und Himbeerbrause gibt. Und der Teufel scheint auch gar nicht mehr so böse zu sein … Ob sich Großvater wieder von ihm täuschen lässt?

Undine Materni: „Teufelshuf und Himbeerbrause“
Eine höllisch-spannende Geschichte
für mutige Kinder ab 9 und verliebte (Groß)eltern

••• Für Undine mache ich sehr gern und schamlos Werbung. Undines Kinderbuch „Teufelshuf und Himbeerbrause“ ist erschienen. Das freut mich sehr, denn – wenn sie es mich auch noch nicht hat lesen lassen – so bin ich sicher, dass die Freude, die sie beim Schreiben hatte, ganz zwangsläufig über die Geschichte auch auf die Leser überspringen wird. Nicht nur Kinder, nö. Erwachsene brauchen auch Geschichten über die Liebe. Geschichten wie Himbeerbrause und Schokopudding, damit der Pferdehufige keine Chance bei uns hat, wenn er uns einreden will, Liebe sei Höllenleid.

Erschienen ist „Teufelshuf und Himbeerbrause“ bei der edition Sächsische Zeitung. Die Illustrationen hat Lothar Rericha besorgt. Viel Spass beim Lesen und Vorlesen.

(Grmbl… Sie wird doch wohl ein Exemplar losgeschickt haben, oder?)

Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen …

31. Oktober 2007

Ende Oktober 1911

Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen
Und sehen auf die großen Himmelszeichen,
Wo die Kometen mit den Feuernasen
Um die gezackten Türme drohend schleichen.

Und alle Dächer sind voll Sternedeuter,
Die in den Himmel stecken große Röhren.
Und Zaubrer, wachsend aus den Bodenlöchern,
In Dunkel schräg, die einen Stern beschwören.

Krankheit und Mißwachs durch die Tore kriechen
In schwarzen Tüchern. Und die Betten tragen
Das Wälzen und das Jammern vieler Siechen,
und welche rennen mit den Totenschragen.

Selbstmörder gehen nachts in großen Horden,
Die suchen vor sich ihr verlornes Wesen,
Gebückt in Süd und West, und Ost und Norden,
Den Staub zerfegend mit den Armen-Besen.

Sie sind wie Staub, der hält noch eine Weile,
Die Haare fallen schon auf ihren Wegen,
Sie springen, daß sie sterben, nun in Eile,
Und sind mit totem Haupt im Feld gelegen.

Noch manchmal zappelnd. Und der Felder Tiere
Stehn um sie blind, und stoßen mit dem Horne
In ihren Bauch. Sie strecken alle viere
Begraben unter Salbei und dem Dorne.

Die Meere aber stocken. In den Wogen
Die Schiffe hängen modernd und verdrossen,
Zerstreut, und keine Strömung wird gezogen
Und aller Himmel Höfe sind verschlossen.

Die Bäume wechseln nicht die Zeiten
Und bleiben ewig tot in ihrem Ende
Und über die verfallnen Wege spreiten
Sie hölzern ihre langen Finger-Hände.

Wer stirbt, der setzt sich auf, sich zu erheben,
Und eben hat er noch ein Wort gesprochen.
Auf einmal ist er fort. Wo ist sein Leben?
Und seine Augen sind wie Glas zerbrochen.

Schatten sind viele. Trübe und verborgen.
Und Träume, die an stummen Türen schleifen,
Und der erwacht, bedrückt von andern Morgen,
Muß schweren Schlaf von grauen Lidern streifen.

Georg Heym (1887-1912)

••• Über dieses Gedicht von Georg Heym bin ich auf den Seiten des Projekt Gutenberg gestolpert. Es handelt sich um ein Digitalisierungsprojekt des „Spiegel“ für literarische Werke, deren Copyright abgelaufen ist. Das Stöbern dort lohnt sich. Man findet immer wieder Perlen.

Ulysses

30. Oktober 2007

James Joyce: Ulysses

••• Zu den prominenten Büchern, die ich nicht zu Ende gelesen habe, zählt auch „Ulysses“ von James Joyce. Eine Schande ist das sicher nicht. Ich vermute, unter denen, die es unternommen haben, die Lektüre zu beginnen, gibt es mehr, die nicht bis um Ende kamen, als solche, die die Ziellinie der letzten Seite erreicht haben.

Nun ist es allerdings gerade bei diesem Buch fast folgerichtig, nicht zu Ende zu lesen. Denn wo endet eine echte Odyssee? Muss man nicht verloren gehen, um sich selbst wieder zu finden?


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Die Städte

30. Oktober 2007

Georg Heym (1887-1912)
Georg Heym

Der dunkelnden Städte holprige Straßen
Im Abend geduckt, eine Hundeschar
Im Hohlen bellend. Und über den Brücken
Wurden wir große Wagen gewahr,

Zitterten Stimmen, vorübergewehte.
Und runde Augen sahen uns traurig an
große Gesichter, darüber das späte
Gelächter von hämischen rann.

Zwei kamen vorbei in gelben Mänteln
Unsre Köpfe trugen sie vor sich fort
Mit Blute besät, und die tiefen Backen
Darüber ein letztes Rot noch verdorrt.

Wir flohen vor Angst. Doch ein Fluß weißer Wellen
Der uns mit bleckenden Zähnen gewehrt.
Und hinter uns feurige Abendsonne
Tote Straßen jagte mit grausamem Schwert.

Georg Heym (1887-1912)

••• Ganze vierundzwanzig Jahre alt ist er geworden – Georg Heym. Hinterlassen hat er dennoch viel: an die 500 Gedichte, mit denen er dem deutschen Expressionismus den Weg bereitete. Heute vor 120 Jahren wurde er geboren. Und aus diesem Anlass unterbreche ich kurz die Folge über nicht zu Ende gelesene Romane – um an ihn zu erinnern.

Die Wellen

29. Oktober 2007

In The Horizon - © 2007 by likeviolence@deviantart.com
In The Horizon – © 2007 by likeviolence@deviantart.com

Ich sehe einen Ring vor mir hängen, sagte Bernhard. Er flimmert und hängt in einem Reifen von Licht.

Ich sehe eine Scheibe von blassem Gelb sich ausbreiten, sagte Susan, bis sie an einen Streifen von Purpur stößt.

Ich höre einen Laut, sagte Rhoda, tschiep-tschilp, tschiep-tschilp, auf und ab steigen.

Ich sehe einen Ball, sagte Neville, wie einen Tropfen, der an den ungeheuren Flanken eines Berges herabhängt.

Ich sehe eine scharlachrote Quaste, sagte Jinny, eine von Goldfäden durchflochtene.

Ich höre etwas stampfen, sagte Louis. Der Fuß eines großen Tieres ist angekettet. Es stampft und stampft und stampft.

Virginia Woolf, aus: „Die Wellen“

••• Virginia Woolf hat Marcel Prousts „Suche nach der verlorenen Zeit“ mit unerschütterter Begeisterung gelesen. Die Begeisterung ging so weit, dass sie für einen epochemachenden Roman (von 300 Seiten!) das Thema Erinnerung und das Verfliessen der Zeit aufnahm. Gemeint ist ihr Roman „Die Wellen“. Statt einer präsentiert Virginia Woolf uns sechs Biographien aus der persönlichen Nahaufnahme. Auch die Erzählungen ihrer Protagonisten beginnen in der Kindheit. Doch sie sind – und das ist sicher eine der grossen Herausforderungen dieses Romans – ineinander verschränkt.

Umrahmt sind die Kapitel, die für Phasen dieses Lebenskaleidoskops stehen, mit neun Präludien in lyrischer Prosa, vielleicht so etwas wie das literarische Pendant zu Debussys „La Mer“, wenngleich für meinen Geschmack um einiges raffinierter. Auf zwei Zeitebenen bewegt sich Virginia Woolf in diesen Dichtungen: zum einen beschreibt sie in jedem dieser neun Stücke einen bestimmten Zeitpunkt zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang am Meer. Doch es sind nicht Zeitpunkte innerhalb eines Tages. Zusätzlich schreitet die zweite Zeitebene voran, und zwar durch das Jahr, die Jahreszeiten. (Obiges Bild passt zur Tageszeit des ersten Preludes, aber nicht zur Jahreszeit…)


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Schmidt liest Proust

28. Oktober 2007

Und selbst, wenn es nicht reicht, Proust zu lesen, um Becketts Proust-Essay zu verstehen, wird man zumindest wissen, was Proust geschrieben hat. Zu wissen, was Proust geschrieben hat, ist sicher das Minimalziel einer Proust-Lektüre. […] Das einzige, was stört, ist die ständig wiederkehrende Zwangsvorstellung, vom Balkon zu springen, mal sieht man sich sitzend, wie im Schwimmbad von der Kante plumpsen, mal wie beim Hochsprung mit einer eleganten Rolle über die Balkonbrüstung hechten.

••• Im Jahr 2006 unternahm Jochen Schmidt den Versuch, Proust zu lesen. Jeden Tag 20 Seiten der „Suche nach der verlorenen Zeit“. In seinem Blog „Schmidt liest Proust“ berichtete er davon. Obiges Zitat ist ein winziger Auszug aus den Reflektionen seiner Lektüre-Erfahrung.

Ganze 180 Tage waren eingeplant. Und allein dieses bewunderungswürdige Blog umreisst ganz klar, was den zweiten Grund ausmacht, warum ich Proust nicht weiterlese. Da ist es einem Autor gelungen, mir auf 67 Seiten so etwas wie den Gipfel einer Prosa-Leseerfahrung zu bescheren. Sein literarischer Rang ist für alle Zeiten mit diesem ersten Kapitel – zumindest für mich – zementiert. Aber das genügt diesem Autor nicht. Er will mir darüber hinaus abverlangen, dass ich mindestens 180 Tage (bei disziplinierter Lektüre von 20 Seiten pro Tag) ausschliesslich mit ihm verbringe, mit seinen ausufernden Beschreibungen, mit seinen Wiederholungen, mit seiner unerträglichen Perfektion des Schreibens. Er will mir 180 Tage meines Lebens nehmen und im Tausch dafür seines geben. Aber ich will es nicht haben.


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