Fallen im Kopf
23. November 2007••• Als ich A. N. Herbsts 1. Heidelberger Vorlesung „Arbeit in der sterbenden Schriftkultur ist Arbeit am Sterben der Schriftkultur“ las, stand ich noch stark unter dem Eindruck seines ungemein gelungenen Vortrags „Das Weblog als Dichtung“. Letzteren hielt er 2005 im Rahmen des Symposions „Literatur und Strom“ im Literaturhaus Stuttgart, und ich hatte ihn unmittelbar vor der Heidelberger Lektüre mehrfach redaktionell durchzugehen, da er in der gerade in Vorbereitung befindlichen „spatien“-Buchsonderausgabe „Literarische Weblogs“ erscheinen soll.
In seinem Stuttgarter Vortrag entwickelt Herbst mit Verve und phantastischem Beispiel eine Ästhetik des literarischen Webloggens, die nicht nur den resultierenden Text sondern auch die Prozesse seines Entstehens als Kunstwerk postuliert. Die Abgrenzung zu anderen Regionen der vielfältigen Blogosphäre wird gesehen in der Reflektiertheit des öffentlichen Geschehens im Blog, aus der sich nicht nur bestimmte spezifische Formen ergeben, sondern aus der eine eigenständige Poetik in Gestalt einer Theorie des literarischen Bloggens entsteht.
Mit dem Versuch einer Abgrenzung beginnt Herbst auch seine Heidelberger Poetik-Vorlesungen, indem er die eigentlich schon ad acta gelegte Begrifflichkeit von U (Unterhaltung) und E (Ernsthaftigkeit) reanimiert und versucht, die Grenze zwischen beidem im Formellen auszumachen. Obendrein reklamiert er für die (nicht nur literarische) Kunst entschieden einen Platz in der exklusiven, dem Massenmarkt abgewandten, Nische. An seinen Ausführungen reizt mich einiges zum Ein- und Widerspruch.