Caravaggio: Judith enthauptet Holofernes
Holofernes:
Weib ist Weib, und doch ist da ein Unterschied. Nirgends fühlt ein Mann so sehr, wieviel er wert ist, als an Weiberbrust. Ha, wenn sie seiner Umarmung entgegenzittern, im Kampf zwischen Wollust und Schamgefühl, wenn sie Miene machen, als ob sie fliehen wollen, und dann mit einmal von ihrer Natur übermannt, an seinen Hals fliegen; wenn dann, durch verräterische Küsse in jedem Blutstropfen geweckt, ihre Begierde mit der Begierde des Mannes um die Wette läuft, und sie ihn auffordern, wo sie doch Widerstand leisten sollten, ja, das ist Leben. Wenn das Auge, das jetzt in Wonne bricht, sich finster schloß, als der Überwinder hereintrat, wenn die Hand, die jetzt schmeichelnd drückt, ihm gern Gift in den Wein gemischt hätte. Da erfährt mans, warum die Götter sich die Mühe gaben, Menschen zu machen. Da hat man ein Genügen, ein überfließendes Maß! Das ist ein Triumph.
Judith (gleichzeitig, wie im Gebet versunken):
Ich suchte des Nachts in meinem Bette, den meine Seele liebt. Ich suchte, aber ich fand ihn nicht. Ich schlafe, aber mein Herz wacht. Da ist die Stimme meines Freundes, der anklopft: Tue mir auf, liebe Freundin; denn mein Haupt ist voll Taues und meine Locken voll Nachttropfen. Ich habe meinen Rock ausgezogen, wie soll ich ihn wieder anziehen? Ich habe meine Füße gewaschen, wie soll ich sie wieder besudeln? Aber mein Freund streckte seine Hand durchs Türloch, und mein Leib erzitterte davor. Da stand ich auf, daß ich meinem Freund auftäte; meine Hände troffen mit Myrrhen, und Myrrhen liefen über meine Finger an dem Riegel am Schloß. Und da ich meinem Freund aufgetan hatte, war er weg und hingegangen. Ich suchte, aber ich fand ihn nicht; ich rief, aber er antwortete mir nicht. Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, findet ihr meinen Freund, so sagt ihm, daß ich vor Liebe krank liege.
Siegfried Matthus, aus dem Libretto zu „Judith“
Oper in zwei Akten nach dem gleichnamigen Drama von Friedrich Hebbel
und Texten aus den Psalmen sowie dem Hohelied Salomos
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