rakatte rinnzekete

6. Februar 2008

Highlights from the premiere of „Ursonography“ by Jaap Blonk and Golan Levin, 2005. Blonk’s performance of Kurt Schwitters‘ Ursonate is augmented with a modest but elegant new form of expressive, real-time, „intelligent subtitles“. With the help of computer-based speech recognition and score-following technologies, projected subtitles are tightly locked to the timing and timbre of Blonk’s voice, and brought forth with a variety of dynamic typographic transformations that reveal new dimensions of the poem’s structure. Performed at Ars Electronica, September 2005.

••• Seit Tagen schon wollte ich mir dieses Video anschauen drüben bei Lotrees, aber ich kam nicht dazu. Und als ich heute früh endlich hinnavigiere und auf „Play“ klicke, da heisst es: This video is no longer available.

Pahh, stimmt nicht, wie man oben sehen kann. Viel Vergnügen.

PS: Würde doch Herr p.- noch seinen Podcast unterhalten… Ich hätte zu gern einmal seine Interpretation dieses Textes gehört.

Eine andere Art von Selbstmord

5. Februar 2008

••• Ich muss noch einmal auf Matthus‘ „Judith“ zurückkommen. Waren es in dem zuletzt vorgestellten Duett Holofernes/Judith vor allem die Szenenanordnung und die Überlagerung der Soli — also gewissermassen zwei geteilte Dialoge — die mich begeisterten, so hat das Libretto doch an anderen Stellen auch wirklich poetische Wucht. Mindestens drei Passagen würde ich gern zitieren. Doch ich muss mich auf eine beschränken. Und die Wahl fällt auf Judiths Monolog „Was sagst Du zu diesem Traum?“, der dem Holofernes/Judith-Duett unmittelbar vorangeht.

Du hast mich oft gesehen, daß ich plötzlich zu beten anfange. Man hat mich deswegen fromm und gottesfürchtig genannt. Wenn ich das tue, so geschiehts, weil ich mich vor meinen Gedanken nicht mehr zu retten weiß. Mein Gebet ist dann ein Untertauchen in Gott, es ist nur eine andere Art von Selbstmord, ich springe in den Ewigen hinein, wie Verzweifelnde in ein tiefes Wasser.

Nicht, dass ich diese Zeilen je vergessen hätte. Aber ich notiere sie mir als Motiv für „Mayim Rabim“, denn das „Untertauchen in Gott“ scheint mir verwandt mit dem Begriff bitul azmo, was so viel bedeutet wie Selbstverringerung, wenn nicht gar Zerstörung des Ego. Es ist ein wesentliches Motiv der Mussar-Literatur; und ich bin sicher, dass sich in anderen Religionen vergleichbare Ideen finden, nämlich das selbstsüchtige Ego zurückzudrängen mit dem Ziel, ein „reines Gefäss für den göttlichen Willen“ zu werden.

Es kann natürlich unterschiedlichste Gründe dafür geben, sich dieser Übung zu unterziehen…


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Poesiealbum

4. Februar 2008

Poesiealbum wird wieder herausgegeben

••• Der Verlag „neues leben“ begann 1967 mit der Herausgabe einer Lyrik-Reihe — klammergeheftet, 32 Seiten, Quartformat — unter dem Reihentitel „Poesiealbum“. Jedes Heft war einem Dichter, einer Dichterin gewidmet. Das erste Heft: Bertolt Brecht. Es folgten monatlich Ausgaben mit Dichtung aus aller Welt. Als die Reihe 1990 eingestellt wurde, waren 276 Ausgaben erschienen in einer Gesamtauflage von fünfeinhalb Millionen, Stückpreis 90 Pfennig, was damals dem Gegenwert eines 3-Pfund-Brotes entsprach.


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Ein Koffer (2)

3. Februar 2008

••• Vielleicht ist es ja für den einen oder anderen von Interesse, was geschah, nachdem ich die Tür geöffnet hatte…


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Ein Koffer (1)

2. Februar 2008

••• Es könnte also, meinen die Turmsegler-Leser, doch gehen… Also machen wir die Probe aufs Exempel und schauen uns den ersten Teil der Geschichte einmal an, die sich letzte Woche hier zugetragen hat und von der ich längst berichtet hätte, wären mir nicht die erwähnten Zweifel gekommen.


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So geht das nicht

1. Februar 2008

Für gewöhnlich öffnen wir am Schabbes* nicht die Tür, wenn es klingelt. Familie und Freunde, zumal jüdische, würden am Schabbes nicht klingeln. Sie wären angemeldet und würden, um die vereinbarte Zeit herum, auf der gegenüberliegenden Strassenseite warten, wo man sie vom Fenster aus sehen und nach unten gehen könnte, um sie ins Haus zu lassen.

••• Das ist nun sicher kein schlechter Kapitelanfang. Warum wird die Tür für gewöhnlich nicht geöffnet? Und warum – denn das impliziert das „für gewöhnlich“ – wurde sie an einem bestimmten Schabbes doch geöffnet? Und was geschah?

Nur leider geht das so nicht! Denn warum Familie und Freunde an diesem Tag nicht klingeln würden, das versteht der „uneingeweihte“ Leser nicht ohne die gigantische Fussnote. Und schon hat das alles nichts mehr mit Literatur zu tun.

Nun sollen die beiden Protagonisten in „Mayim Rabim“ aber einfach reden, als wären sie unter sich. Sie würden niemals aus dem Erzählen heraus in einen Vortrag wechseln. Wozu auch?

Wie ich dieses Problem lösen soll, ist mir unklar. Und das ist es auch, was mich im Moment an der Fortsetzung des Textes hindert. Was ich erzählen will, spielt in einer Welt, in der man am Schabbes keinen Klingelknopf drückt. Die Figuren wissen das, die Leser nicht. Und es gibt für die Figuren keinerlei Veranlassung, diesen Umstand zu erklären. Ein Abrücken von der „monologischen Methode“, also dem Erzählen aus dem Zentrum der Figur heraus, kommt nicht in frage. Es muss doch aber einen Weg geben, den Leser dennoch mit in diese Welt zu nehmen…

Aber wie? – Knifflige Sache.


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Judith

31. Januar 2008

Caravaggio: Judith enthauptet Holofernes
Caravaggio: Judith enthauptet Holofernes

Holofernes:
Weib ist Weib, und doch ist da ein Unterschied. Nirgends fühlt ein Mann so sehr, wieviel er wert ist, als an Weiberbrust. Ha, wenn sie seiner Umarmung entgegenzittern, im Kampf zwischen Wollust und Schamgefühl, wenn sie Miene machen, als ob sie fliehen wollen, und dann mit einmal von ihrer Natur übermannt, an seinen Hals fliegen; wenn dann, durch verräterische Küsse in jedem Blutstropfen geweckt, ihre Begierde mit der Begierde des Mannes um die Wette läuft, und sie ihn auffordern, wo sie doch Widerstand leisten sollten, ja, das ist Leben. Wenn das Auge, das jetzt in Wonne bricht, sich finster schloß, als der Überwinder hereintrat, wenn die Hand, die jetzt schmeichelnd drückt, ihm gern Gift in den Wein gemischt hätte. Da erfährt mans, warum die Götter sich die Mühe gaben, Menschen zu machen. Da hat man ein Genügen, ein überfließendes Maß! Das ist ein Triumph.

Judith (gleichzeitig, wie im Gebet versunken):
Ich suchte des Nachts in meinem Bette, den meine Seele liebt. Ich suchte, aber ich fand ihn nicht. Ich schlafe, aber mein Herz wacht. Da ist die Stimme meines Freundes, der anklopft: Tue mir auf, liebe Freundin; denn mein Haupt ist voll Taues und meine Locken voll Nachttropfen. Ich habe meinen Rock ausgezogen, wie soll ich ihn wieder anziehen? Ich habe meine Füße gewaschen, wie soll ich sie wieder besudeln? Aber mein Freund streckte seine Hand durchs Türloch, und mein Leib erzitterte davor. Da stand ich auf, daß ich meinem Freund auftäte; meine Hände troffen mit Myrrhen, und Myrrhen liefen über meine Finger an dem Riegel am Schloß. Und da ich meinem Freund aufgetan hatte, war er weg und hingegangen. Ich suchte, aber ich fand ihn nicht; ich rief, aber er antwortete mir nicht. Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, findet ihr meinen Freund, so sagt ihm, daß ich vor Liebe krank liege.

Siegfried Matthus, aus dem Libretto zu „Judith“
Oper in zwei Akten nach dem gleichnamigen Drama von Friedrich Hebbel
und Texten aus den Psalmen sowie dem Hohelied Salomos


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