Zwanzig Jahre Fatwa

23. Februar 2009

Salman Rushdie
Sir Salman Rushdie

Ich setze das stolze Volk der Moslems in aller Welt davon in Kenntnis, dass der Autor des Buches »Die satanischen Verse«, das sich gegen den Koran, den Propheten und den Islam richtet, und alle an seiner Publikation Beteiligten zum Tode verurteilt sind.

Ayatollah Ruhollah Chomeini am 14. Februar 1989

••• Mit Salman Rushdies »Satanischen Versen« (die deutsche Originalausgabe ist gelegentlich noch zu haben) verbindet mich eine besondere Geschichte, die in der »Leinwand« erzählt wird. Die Hälfte des Begrüßungsgeldes, das ich im November 1989 bei meinem ersten Besuch in West-Berlin bekam, trug ich in eine Buchhandlung auf dem Kurfürstendamm. Dieses Buch, das Autor, Übersetzer und Verleger das Leben kosten konnte und dennoch erschienen war, musste ich einfach besitzen. Ich wurde auch literarisch nicht enttäuscht. Dennoch habe ich es nur einmal gelesen. Aber ich besitze es noch; und es gehört sicher zu den Büchern, die ich um keinen Preis verleihe.

Reinhold Neven DuMont plante zunächst die deutsche Ausgabe und ahnte nicht, was da auf ihn zukommen würde. Nachdem er damit rechnen musste, dass eine Autobombe den Verlag in der Rondorfer Straße in Schutt und Asche legen würde, kapitulierte er, wofür er sich von Hans Magnus Enzenzberger als Feigling bezeichnen lassen musste. Im virtuellen Gemeinschaftsverlag »Artikel 19« erschien die deutsche Übersetzung dann doch im Herbst 1989. Dass sich Verleger, Übersetzer und Autoren damals zusammengetan haben, um gemeinsam das Risiko der Veröffentlichung zu tragen, halte ich noch immer für eine der wenigen wirklich rühmlichen Geschichten des deutschen Literaturbetriebs.

Ich bin nicht sicher, ob es heute auch zu einer solchen Demonstration der kulturellen Zivilcourage käme – nach den Attentaten vom 11. September und den kaum noch zu zählenden martialischen Entschlossenheitsbeweisen des islamischen Fundamentalismus, sich mit terroristischer Gewalt durchzusetzen.

Im Oktober 2006 konstatierte Rushdie im Österreichischen Fernsehen:

Als ich ein junger Mann war, war Religion im Wesentlichen am Ende. Leute, die von Religion sprachen, waren sozusagen Idioten. Es schien undenkbar, dass es ein Revival der Religion als zentrale Kraft in der Weltpolitik geben könne. Religion war uncool. Dummerweise haben, während wir damit beschäftigt waren, cool zu sein, die uncoolen Leute die Welt übernommen.

Unschwer zu teilen ist auch seine heutige Einschätzung:

Der islamische Fundamentalismus ist keine religiöse, sondern eine politische Bewegung, die eine religiöse Sprache benutzt.

Weiterführende Informationen in Textform gibt es u. a. auf dem Politbüro-Blog. Wer gar 14 min. erübrigen kann, um sich die WDR5-Zeitzeichensendung zum Thema anzuhören, sollte es tun.

Übrigens:

Nach dem offiziellen Protest der iranischen Regierung gegen den geplanten Ritterschlag der Queen für Salman Rushdie haben Hardliner innerhalb der iranischen Geistlichkeit, eine Gesellschaft zur Ehrung der Märtyrer in der islamischen Welt, ein neues Kopfgeld für den britischen Schriftsteller in Höhe von 150.000 US-Dollar ausgesetzt. Der Ritterschlag fand im Juni 2008 statt. (wikipedia)

Rushdie ist nach wie vor in Gefahr.

WDR5 Zeitzeichen vom 14. Februar 2009
zum 20. Jahrestag der Fatwa gegen Salman Rushdie,
seine Übersetzer und Verleger

Päpstliche Islamophobie

22. Februar 2009

••• Vernunft wird offenbar unter Juden wie unter Nichtjuden vom Ewigen nicht mit der Gießkanne verteilt. Während sich die unsägliche Debatte um die Exkommunikationsaufhebung der Pius-Brüder ein wenig zu beruhigen scheint, gießt Christian Böhme in der »Jüdischen Allgemeinen« vom 19. Februar erneut Öl ins Feuer und versteigt sich dabei noch mehr, als es bereits seine Vorredner taten.

Auf der Titelseite der »Jüdischen Allgmeinen« prangt ein Bild der Kaaba in Mekka unter dem Titel »Gegenreformation« und dem Teaser:

Der Papst rehabilitiert einen Schoaleugner und brüskiert damit Juden in aller Welt. Warum? Er fürchtet – den Islam.

1.3 Milliarden Muslime stünden heute 1.1 Milliarden Katholiken gegenüber. Der Islam sei auf dem Vormarsch.

Man kann sich die entsetzten Gesichter in den Gelehrtenstuben um den Petersdom herum gut vorstellen. Den Anspruch, die religiöse Weltmacht zu sein, stellen solche Zahlen offenkundig infrage.

Nicht genug, dass Böhme erneut die tendenziöse Unwahrheit von der »Rehabilitierung eines Schoaleugners« wiederholt (siehe auch: »Versagen der Diplomatie« und den ausführlichen Kommentar von Eliza dazu), er zitiert auch nochmals außerhalb jeglichen Kontexts den byzantinischen Kaiserausspruch, mit dem Benedikt XVI. im September 2006 Aufregung unter den Muslimen verursachte. Auch der erneute Hinweis auf die wieder zugelassene Karfreitagsfürbitte fehlt nicht. Und das alles auf der Titelseite der einzigen jüdischen Wochenzeitschrift in Deutschland.


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Sterbende Sprachen

19. Februar 2009

Weltweit sind rund 3.000 Sprachen vom Aussterben bedroht. Damit Sprachen wie Araki – das nur noch von acht Menschen auf der Pazifik-Insel Vanuatu gesprochen wird – nicht spurlos verschwinden, ist das Projekt „Soroso“ der Chirac-Stiftung derzeit damit beschäftigt, solche einzigartigen Tondokumente auf Film zu bannen. Langfristig soll so eine digitale Enzyklopädie der Sprache entstehen, wie ORF.at die Projektleiterin Rozenn Milin zitiert.

••• Die Sorben waren im Kleinen Land die einzige offizielle ethnische Minderheit und wurden – so kam es mir jedenfalls als Nicht-Sorben vor – gefördert. Sogar im Fernsehen gab es gelegentlich Sendungen in sorbischer Sprache. Auch das Sorbische, erfahre ich bei eliterator.de, sei nun vom Aussterben bedroht, wenn es auch noch nicht so schlimm ums Sorbische steht wie etwa ums Araki.

So nebenbei habe ich nun auch gelernt, dass Friesisch weder Mundart noch Dialekt, sondern eine eigenständige germanische Sprache ist (möglicherweise bald: war).

Was geschieht eigentlich mit der Dichtung dieser Sprachen? Stirbt sie einfach mit?

Literatur sagt nicht die Wahrheit

18. Februar 2009

Vladimir Nabokov sits in a parked car in Ithaca, New York, September 1958. Carl Mydans/Time & Life Pictures/Getty Images
Vladimir Nabokov, New York, September 1958.
Carl Mydans/Time & Life Pictures/Getty Images

Literature does not tell the truth but makes it up.

Vladimir Nabokov (1899-1977)

Wollten wir das wirklich wissen?

17. Februar 2009

••• Einige besonders kuriose Arten zu sterben und – im besonderen – sich selbst zu töten, kann man »» hier und »» hier nachlesen. Etwa:

Zumindest für den englischen König Edward II war es nicht von Vorteil, noch ein Eisen im Feuer zu haben. Er verstarb, nachdem sein homosexueller Liebhaber ihm ein glühendes Schüreisen in den Hintern schob.

Oder:

Auf originelle Weise hat der Venezolaner Roberto Rodriguez sich seiner Schwiegermutter entledigt. Während seiner eigenen Beerdigungsfeier in Pecaya sprang er urplötzlich aus dem Sarg und begann lautstark, über seinen inkompetenten Hausarzt zu schimpfen. Seine Schwiegermutter brach aufgrund des Schocks zusammen und verstarb. Sie wurde später in dem Grab beigesetzt, dass für Roberto reserviert war.

Oder:

Am Ende kommt immer alles anders als man denkt. So auch für einen 63-jährigen Amerikaner, der sich, um seinem Leben ein Ende zu setzen, mit Benzin übergoss und anzündete. Doch die Schmerzen waren so gewaltig, dass er in den nächsten Teich lief, um die über seinen Körper züngelnden Flammen zu löschen. Bei dem Versuch ertrank er.

Wollten wir das wirklich wissen?

PS: Für die Richtigkeit der obigen Aussagen übernehme ich keine Gewähr!