Pans Labyrinth

4. März 2009

Szenenfoto aus »Pans Labyrinth«
Der Pan (Doug Jones)

A maze is a place where you get lost. But a labyrinth is essentially a place of transit, an ethical, moral transit to one inevitable centre.

Guillermo del Toro
in einem Interview mit »The Guardian«

••• Einer der beeindruckendsten Filme, die ich in den letzten Jahren mit der Herzdame angesehen haben, war sicher »Pans Labyrinth« von Regisseur Guillermo del Toro. Mir gefiel besonders der Pan und Ofélias Versuch, das Grauen mit Poesie und Imagination zu besiegen.

Der Pan wird nun eine Hauptrolle spielen in einem neuen Roman, für den ich mir selbst mit diesem Beitrag das offizielle Startsignal gebe. Der Arbeitstitel (und damit eine neue Rubrik im Turmsegler): Pans Wiederkehr.

Mein Pan wird allerdings kein Faun sein, wie er es nach dem Filmscript del Toros sein sollte, sondern Pan, der Hirtengott und Herrscher Arkadiens, der Tiere und Menschen, denen er erscheint, in »panischen« Schrecken versetzt.


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…und berührte ihn nur mit den Fingern am Nacken

4. März 2009

Conchita Cintrón
Conchita Cintrón (1922-2009)

••• Vor geschätzten 25 Jahren heiratete eine entfernte Verwandte von mir einen in Ost-Berlin frisch approbierten Kinderarzt aus Ecuador und ging mit ihm nach Quito. Das hatte eine pikante Note. Ihr Ehemann verdankte sein Studium in der DDR der Kommunistischen Partei Ecuadors. Sie selbst hatte Marxismus-Leninismus studiert und war aufgewachsen in Mecklenburg-Vorpommern, im Grenzgebiet zur BRD. Besuchen konnte man sie dort nur, wenn man zuvor einen Passierschein beantragt hatte. Und nun verließ sie das Kleine Land mit ihrem Mann in Richtung Südamerika.

Während eines der eher seltenen Besuche berichtete sie von den Stierkämpfen in Quito. Es schien ihr ein wenig peinlich zu sein, dass sie sich für das blutige Schauspiel begeisterte. Und ganz wie vermutet fielen die Reaktionen der Familienmitglieder verhalten aus: von ungläubigem Unverständnis bis zu offenem Protest. Ich neigte, mit damals vermutlich 12 Jahren, eher dem Protest zu. Vom Stierkampf wurde fortan nicht mehr gesprochen.

In den folgenden Jahren las ich Hemingway, stand aber dem offenbaren Phänomen Corrida weiter verständnislos gegenüber. Ich entdeckte die unzähligen Tuschzeichnungen mit Stierkampfszenen von Pablo Picasso, die ich sehr liebte und mit Nadeln in meinem Zimmer an der Tapete befestigte. Wenn es dämmerte, huschten Stiere, Picadores, Banderilleros und Matadore über die Wände, aber ich begriff noch immer nicht, was Picasso wie Hemingway am Stierkampf so ungemein fasziniert hatte. Dann sah ich eines Tages im Kino die Rosi-Verfilmung von »Carmen« (mit Julia Migenes und Placido Domingo). Die Ouvertüre war mit Bildern eines Stierkampfes unterlegt. Das Blut des Stieres, das vom zerstochenen Nacken rann, war sehr rot und sehr wirklich. Der Stier starb, aber mir erschien die gesamte Szene – ästhetisch. Ich nahm das Gefühl befremdet und nicht ohne eine gewisse Scham zur Kenntnis. Seit diesem Kinoerlebnis wollte ich – zumindest einmal in meinem Leben – einen Stierkampf live von der Tribüne aus erleben.


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Advocate the Azure

1. März 2009

Emily Dickinson

Lift it – with the Feathers
Not alone we fly –
Launch it – the aquatic
Not the only sea –
Advocate the Azure
To the lower Eyes –
He has obligation
Who has paradise

Emily Dickinson (1830-1886)

••• Wieder eine Entdeckung in den »akzenten«: das unautorisierte Werk der Emily Dickinson. Nur sieben ihrer Gedichte wurden zu ihren Lebzeiten publiziert – und nicht etwa, weil sie verkannt worden wäre. Sie wollte es so, sandte nur ausgewählte Texte in Abschriften per Brief an wenige Freunde. Zwei Drittel ihrer Gedichte, nimmt man an, hat sie nie jemandem gezeigt. Ihr gesamtes Werk – an die 2.000 Gedichte – fand sich nach ihrem Tod in Kladden und auf Zetteln, handschriftlich notiert, mitunter schlecht lesbar, so dass bei vielen Gedichten Unsicherheiten bleiben, was den genauen ursprünglichen Wortlaut und so manche Zeichensetzung angeht. Mir imponiert diese Art des Schreibens, die sich an kein Publikum richtet und so auch keinerlei Rücksichten zu nehmen braucht.

Gunhild Kühler hat über 600 Gedichte von Emily Dickinson ins Deutsche übertragen. Erschienen sind sie bei Hanser in einer zweisprachigen Ausgabe, die ich mir noch besorgen muss. Man sollte unbedingt die Originale lesen. Wenn Gunhild Kühler für ihre Übertragungen auch mit dem Paul-Scheerbart-Preis 2008 geehrt wurde, gilt doch für ihre wie wohl für jede Lyrik-Übersetzung, dass sie mitunter nur eine mögliche Lesart in die andere Sprache zu transportieren vermag. Doch welche? Das muss man fragen, insbesondere bei einer Dichterin wie Dickinson.

Noch ein Zitat, dieses in Übertragung:

Den Zeitstrom runter
Steuerlos
So haben wir zu segeln
Geheim der Hafen
Sturm um uns
Und welcher Kapitän
Wagt so etwas und welcher
Freibeuter hißt sein Tuch
Ohne den Wind zu kennen und
Den Stundenplan der Flut –

At Work

26. Februar 2009

Walter Rodriguez, Angestellter bei Electric Time Co., reinigt das Zifferblatt einer über 2 Meter breiten Wegman-Uhr in einer Werkstatt in Medfield, Mass. Donnerstag, 30. 10. 2008. (Quelle: AP Photo/Elise Amendola)
Walter Rodriguez, Angestellter bei Electric Time Co., reinigt das Zifferblatt einer über 2 Meter breiten Wegman-Uhr in einer Werkstatt in Medfield, Mass. Donnerstag, 30. 10. 2008. (Quelle: AP Photo/Elise Amendola)

••• In den letzten Wochen musste ich viel unterrichten. Aber ich hatte seit langer Zeit auch mal wieder etwas zu programmieren. Nie vergehen die Tage schneller als über einem Programmierproblem. Nicht einmal beim Schreiben schalte ich so ganz und gar die Umgebung und andere Ablenkungen ab wie beim Brüten über einem komplexen Programmierproblem. Ein Foto von mir »at (coding) work« gibt es nicht. Aber die Herzdame hat einen Beitrag gefunden mit 45 Bildern von Menschen »at work« rund um die Welt. Viel Spaß beim Schauen!

Die Dämonen der Städte

24. Februar 2009

Ludwig Meidner: Apokalyptische Landschaft (1913)
Ludwig Meidner (1884-1966): »Apokalyptische Landschaft« (1913)

Sie wandern durch die Nacht der Städte hin,
Die schwarz sich ducken unter ihrem Fuß.
Wie Schifferbärte stehen um ihr Kinn
Die Wolken schwarz vom Rauch und Kohlenruß.

Ihr langer Schatten schwankt im Häusermeer
Und löscht der Straßen Lichterreihen aus.
Er kriecht wie Nebel auf dem Pflaster schwer
Und tastet langsam vorwärts Haus für Haus.

Den einen Fuß auf einen Platz gestellt,
Den anderen gekniet auf einen Turm,
Ragen sie auf, wo schwarz der Regen fällt,
Panspfeifen blasend in den Wolkensturm.


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