Die Mutter und das Kind

14. März 2008

Friederike Mayröcker und Ernst Jandl, 1982 - © Joseph Gallus Rittenberg
Friederike Mayröcker und Ernst Jandl – © Joseph Gallus Rittenberg

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Ernst Jandl (1925-2000)
aus: Poesiealbum 278
© Märkischer Verlag Wilhelmshorst (2008)
© Luchterhand Literaturverlag München (1997)

••• Nein, der Titel des Gedichts ist bitte in keinem Fall auf das wunderbare Foto von Joseph Gallus Rittenberg zu beziehen. Rittenberg fotografierte die beiden, die eine jahrzehntelange Liebesbeziehung (und tiefe Freundschaft, muss man das zusätzlich erwähnen?) verband, im Jahr 1982. Dieses und weitere, zum Teil sehr bekannt gewordene Künstlerporträts – etwa von Schwab mit brennendem Cape – waren 2006 in Erlangen ausgestellt. Einige Bilder der damaligen Ausstellung sind heute noch online zu sehen.

Obiges Gedicht hat mir unmittelbar ein schlechtes Gewissen eingeflößt. Denn es ist nicht zu leugnen: Es fällt mir sehr schwer, mit meinen Kindern zu spielen. Und so geschieht es auch viel, viel zu selten. Leider.

Die schöne neue Welt des Hörens

13. März 2008

Viel war während der vergangenen Jahre von der «Konjunktur», ja gar von einer «Renaissance des Hörens» die Rede. Die Trend-Rhetorik inspirierte sich an den Wachstumsraten des Hörbuchmarktes, den Zugriffsziffern der Downloadportale und den Selbstdarstellungen der Radiosender. Der Existenzkampf der Anbieter in der Konkurrenz von Kanälen, Medien und Streams verursacht eine PR-Kakofonie, welche allerdings eher dazu beiträgt, den Endverbraucher, Kunden und User zu verunsichern und zu verwirren.

Christiane Zintzen in NZZ Online

••• Christiane Zintzen – Mit-Litbloggerin auf in|ad|ae|qu|at – schrieb gestern auf NZZ Online über „Die schöne neue Welt des Hörens“, wobei der Hörbuchmarkt gemeint ist. Der wächst zwar nicht mehr jährlich im zweistelligen Prozentbereich, ist jedoch zu einer festen Größe im Literatur-Business geworden. Einsichten, Linktipps und Kritik zum Thema gibt es »» hier.

[via: Hartmut Abendschein]

Gar nicht nette Sonette

13. März 2008

Luís de Camões
Luís de Camões (1524-1580)

Luís de Camões (1524-1580) gilt dank seiner „Lusiaden“ als portugiesischer Nationaldichter, dessen Todestag am 10. Juni als Nationalfeiertag begangen wird. Der Elfenbein Verlag hat nun die Gedichte des Renaissance-Dichters in einer zweisprachigen Ausgabe veröffentlicht, die sich stark an sein Vorbild Petrarca anlehnen, mit Ironie und Sprachwitz diesen aber auch parodieren.

Deutschlandradio Kultur

••• Wirklich preiswert ist diese 1000-Seiten-Edition mit Gedichten des portugiesischen Shakespeare-Zeitgenossen nicht. Glaubt man den Rezensionen haben sich jedoch Übersetzer (Hans-Joachim Schaeffer) und der Verlag mit Erfolg bemüht und eine umfassende zweisprachige Edition des großen Sonettendichters vorgelegt.

Paul Auster: Cool & Peculiar

12. März 2008

Paul Auster
Paul Auster, Foto: The Definitive Auster Website

••• Poetakas nannte p.- einmal jene Geschichten über Autoren, die nur gelegentlich im Freundeskreis erzählt werden, von den Autoren selbst oder von Freunden (mitunter auch von Feinden). Ab und an finden solche Geschichten auch ihren Weg in ein gedrucktes Buch. Dass Paul Auster in seinen Werken immer wieder auch anrührende, mitunter auch verstörende Geschichten aus seinem privaten Umfeld zu berichten weiss, ist bekannt. Man erinnere sich nur an „Smoke“ und die wunderbare Geschichte des Zigarrenhändlers, der jeden Tag zur gleichen Uhrzeit, am gleichen Ort (vor seinem Geschäft) und mit gleichem Blickwinkel ein Foto aufnimmt…


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Handschriftliche Nachrichten

11. März 2008

The Musalman - Only handwritten newspaper in Asia
The Musalman – Die einzige handgeschriebene Zeitung Asiens

Jahrhunderte lang war Kalligraphie in Indien ein Zeichen für sozialen Status, Bildung und liberale Werte. Die Kalligraphen meisterten die fließende Urdu-Schrift und kopierten ebenso für wohlhabende Kunden den Koran. Die höchte Ehre für einen solchen Schreiber war ein Sitz bei Gericht und die damit verbundene Möglichkeit, das Gehör des Sultans zu finden.

Scott Carney

••• Ganz der Tradition der Kalligraphie verschrieben sind die Macher der indischen Zeitung „Musalman“. Sie existiert seit 1927. Die Mitarbeiter arbeiten für einen minimalen Lohn, jedoch mit großem Stolz und dem Selbstverständnis, mit ihrer Arbeit eine große Kunst am Leben zu erhalten. Die Zeitung wird im Offset-Druck hergestellt. Die Vorlagen für die Druckplatten werden jedoch per Hand geschrieben.

Hier ist die Geschichte in wenigen bewegten Bildern.

Demontierte Identität

10. März 2008

Damit wir uns recht verstehen: Ich bin überzeugt davon, dass jede Autobiographie das Resultat fiktionalisierender Prozesse ist. Wir alle arbeiten ununterbrochen an unseren Erinnerungen, modifizieren, reevaluieren, korrigieren sie. Wo nötig, ergänzen wir sie, fügen sie zu einem Ganzen zusammen: Das bin ich. Doch in der Regel wirken Wirklichkeit und das, was wir von ihr und über sie wahrnehmen, als sanftes Korrektiv auf diese Prozesse ein: Überleg dir das noch mal. So kann’s ja nicht gewesen sein.

Markus A. Hediger

••• Mit großem Interesse und anhaltender Freude lese ich auf der „Veranda Perkampus“ die Kolumnen von Markus A. Hediger. Ich verstehe in ihnen den Autor durchaus als so etwas wie eine literarische Figur, die in einer – wenn auch entfernten – Verwandtschaft zu Amnon Zichroni steht. Hedigers Rückkehr nach Brasilien, das Land seiner Kindheit, führt ihn an das Thema Erinnerung heran, um das viele seiner neueren Kolumnen kreisen


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Die Engel

9. März 2008

Peter Huchel 1964 im Garten seines Hauses am Hubertusweg, Foto: Roger Melis
Peter Huchel 1964 im Garten seines Hauses am Hubertusweg, Foto: Roger Melis

Ein Rauch,
ein Schatten steht auf,
geht durch das Zimmer,
wo eine Greisin,
den Gänseflügel
in schwacher Hand,
den Sims des Ofens fegt.
Ein Feuer brennt.
Gedenke meiner,
flüstert der Staub.

Novembernebel, Regen, Regen
und Katzenschlaf.
Der Himmel schwarz
und schlammig über dem Fluß.
Aus klaffender Leere fließt die Zeit,
fließt über die Flossen
und Kiemen der Fische
und über die eisigen Augen
der Engel,
die niederfahren hinter der dünnen Dämmerung,
mit rußigen Schwingen zu den Töchtern Kains.

Ein Rauch,
ein Schatten steht auf,
geht durch das Zimmer.
Ein Feuer brennt.
Gedenke meiner,
flüstert der Staub.

Peter Huchel (1903-1981)
aus: Die Gedichte. suhrkamp taschenbuch
© Suhkamp Verlag 1984, 1997

••• Gestern kamen die „Gesammelten Gedichte“ von Peter Huchel an. Ich habe wahllos eine Seite aufgeschlagen (206) und gleich dieses starke „Engelsgedicht“ gefunden. Huchel mag ja ein wenig „alt“ sein und sein Themenkreis vorwiegend beim letzten Weltkrieg und der Nachkriegszeit liegen — aber es ist in jedem Fall eine ganz eigene poetische Stimme, wie ich finde. Diesen Gedichtband von vorn bis hinten durchzusehen, darauf freue ich mich schon.