Bücherhölle

23. März 2008

Als man mich fragte, ob ich mit einer Gruppe von Schriftstellerlehrlingen zur Leipziger Buchmesse zu fahren, sagte ich spontan ja. Ohne genau zu wissen, was ich da sollte. Es war so ein Gefühl, dass ich mich dazu veranlasste, da hin zu wollen. Manchmal habe ich so etwas. Ich fühlte, nichts könnte mich mehr motivieren, als so ein Tag voller Bücher, voller Autoren, Verlage und voller lesender Menschen. Dachte ich. Aber die Wirklichkeit war dann doch etwas anders. Voll war es. Es gab Bücher, Verlage, lesende Menschen und Autoren. Alles in Hülle und Fülle. Nur das mit der Motivation … das ist grundlegend schief gegangen. Jede Stunde in einer Thalia Buchhandlung bringt mir mehr, als ein Tag in dieser Welt der kommerzialisierten Bücherhölle.

zuckerbrot

••• Mir wird das alles zu viel. Da ich intensiv an der „Leinwand“ arbeite, kann ich kaum noch verfolgen, was sich da draußen ereignet. Neun Stunden pro Tag muss ich meine Kunden beglücken. Ich rede gern mit meiner Frau, und auch mit meinen Kindern möchte ich Zeit verbringen. Die Anzahl literarischer Blogs, die ich abonniert habe, ist überschaubar. Doch die Frequenz, in der dort Beiträge erscheinen, macht es bereits unmöglich, jeden einzelnen auch nur zu überfliegen. Jene Beiträge von Autoren, die mir wirklich am Herzen liegen, müssen mitunter zwei Wochen warten, bis ich eine ruhige Minute finde, um sie aufmerksam lesen zu können.


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Purim Sameach

21. März 2008

Purim aus der Perspektive von Haman (via: Jewschool)

••• Die Innensicht eines Raschas – Haman – als Rap führt mich gerade auf gedankliche Abwege…

Derzeit ist ja viel Gerede und Geschreibe ums Erzählen aus der Innensicht. Anlass ist Jonathan Littells Wälzer „Die Wohlgesinnten“. Romane von 1.400 Seiten schrecken mich persönlich enorm ab. Dieses Thema ohnehin. Auch hat Robert Merle bereits kurz nach dem Krieg in „Der Tod ist mein Beruf“ diese Variante anhand des Lagerkommandanten von Auschwitz ohne jeglichen Sensationstouch wunderbar erzählt. Aber davon wollte ich eigentlich gar nicht schreiben…

Happy Purim!

Die Geschichte des Uhrenträgers

21. März 2008

Eine Schönwalder Kuckucksuhr

Wie kann denn der Zauber uns nur so einen unendlichen Spaß bereiten? Wie ist es möglich, daß wir überschäumen vor Vergnügen an all dem, was uns gar keinen Sinn verspricht und nur Verwirrung ist?

Michael Perkampus, aus „Die Geschichte des Uhrenträgers“
© Michael Perkampus, Edition Neue Moderne (2008)
Broschur, 126 Seiten mit einem Nachwort des Autors

••• Vor kurzem legte Michael Perkampus in seiner „Edition Neue Moderne“ im Gallimard-Broschurformat eine neue Erzählung vor. Es ist nicht ganz so, daß „Die Geschichte des Uhrenträgers“ gar keinen Sinn verspricht und nur Verwirrung ist. Zauber verbreiten und Spaß bereiten – das allerdings tut sie voll und ganz.

Wollte man berichten, was Perkampus in dieser Erzählung treibt, kommt man mit der Nacherzählung eines Plots nicht sehr weit. Der eher zum Maler berufene Franz-Anton aus dem Schwarzwälder Schönwald ist zum Bauen von Uhren wohl zu ungeschickt. Also wird er mit ihnen auf Handelsreise geschickt, zu Fuß und gen Frankreich, nach Straßburg, um genau zu sein. Und eventuell kommt er dort sogar an. Doch so wenig ein solcher Plot auf den ersten Blick zu bieten scheint, so wenig macht er dieses kleine Buch aus; denn um das dünne Handlungsfädchen herum knüpft Perkampus eine Erzähl- und Schaukollage, die – ganz wie oben zitiert – vor allem Zauber und Vergnügen sein will.


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Die Leinwand (Z.05)

18. März 2008

Die Mikveh in Mozah bei Yerushalayim
Die Mikveh in Mozah bei Yerushalayim

אך מעין ובור מקוה-מים יהיה טהור ונגע בנבלתם יטמא

Doch eine Quelle oder eine Grube,
in der sich Wasser angesammelt hat, bleibt rein;
wer jedoch ihr Aas berührt, wird unrein.
Leviticus 11,36

Natürlich hatten wir uns nie berührt. Das wäre undenkbar gewesen. Und doch wusste ich, als ich ihr zum ersten Mal mit gebührendem Abstand gegenüberstand, binnen Sekunden, wie ihr Haar roch, wie ihre Hüften sich anfühlten durch den Stoff ihres Kleides hindurch, wie ihre Lippen, die sich auf die meinen erst sanft schmiegten und schließlich pressten, und wie ihre Zunge schmeckte auf meiner Zunge; denn in den wenigen Sekunden, nachdem ich sie zum ersten Mal in der Wohnung von Elis Tante gesehen hatte, hatten wir uns umarmt und geküsst.

Es war mein erster Kuss. Und ich erlebte ihn, eine vollständige Unmöglichkeit, unter den Blicken von Rivkas gesamter Familie. Ich erlebte ihn, obgleich ich sicher zwei Meter von ihr entfernt stand und während ich sie nicht einmal ansah. Denn mein Blick war vor ihren Augen sofort geflüchtet. Anstatt sie anzuschauen, während Eli uns vorstellte, sah ich ihm ins Gesicht. Und es waren seine Lippen, die ich beobachtete, während er meinen Namen aussprach. Es waren seine Arme, mit denen ich Rivka umarmte. Durch seine Nase sog ich den Geruch ihres Haars und ihres Halses, und mit seiner Zunge schmeckte ich den Kuss, den sie mit ihm – Eli – getauscht hatte, vor einem Jahr vielleicht, womöglich aber auch erst vor kurzem.

Die Erregung, die ich verspürte und die mir regelrecht die Brust zuschnürte und den Atem nahm, diese Erregung war womöglich gerade deswegen so heftig und überwältigend, weil ich sie durch seine Erinnerung hindurch erfuhr, in der er sie wieder und wieder erlebt und in der sie sich mit jedem Erinnern verstärkt haben mochte, bevor sie sich nun mit meiner eigenen Erregung vermischte und sich verdoppelte, weil ich ja nicht nur den beiden bei ihrem Kuss zusah, sondern sie mit seinen Lippen küsste und mit seinen Händen festhielt und an mich zog, als wären es meine.

Die Leinwand: Amnon Zichroni (5)
© Benjamin Stein (2008)
Dauer: 35:05

Aaliyahs Gedanken

17. März 2008

••• Aaliyah (5) schreibt mir: Papa, das sind meine Gedanken…

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So präzise möchte ich mich mal ausdrücken können!

Die Leinwand (Z.04)

16. März 2008

••• Das 4. Kapitel sollte den zweiten Plotpoint bringen und damit einen Höhepunkt und Wendepunkt in der Zichroni-Erzählung: das Einbrechen des Magischen in die bisher geordnete Vorstellungswelt Zichronis. Ausgangspunkt ist wieder einmal ein Buch, und eine neue Figur betritt die Bühne, Eli Rothstein, mit dem Zichroni auf der Yeshivah in Pekesville lernt.

Das Kapitel ist jedoch so umfangreich geraten, dass ich es geteilt habe.

Und so entführt uns das 4. Kapitel zunächst in ein fremdes Buch, in den Roman „Der Meister und Margarita“ von Bulgakow.


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Links offline: My stroke of insight

15. März 2008

••• Jill Bolte Taylor beschloss, Hirnforscherin zu werden, weil sie die Krankheit verstehen wollte, mit der ihr Bruder diagnostiziert worden war: Schizophrenie. Viele Jahre später erwacht sie eines Morgens und stellt fest, dass sie nicht mehr sie selbst ist. Ein Schlaganfall ist die Ursache dafür, dass ihre linke Hirnhälfte nahezu in einen Offline-Modus geht. Und sie erlebt, was es bedeutet, nur in der Sphäre des massiv parallelen Eindrucksstromes der rechten Hirn-Hemisphäre zu existieren. Ihr Vortrag über dieses Erlebnis ist eine geballte Lektion über die Ungewissheit von Wirklichkeit.

Hätten Sie die Wahl, welche Seite würden Sie wählen, fragt sie zum Schluss…

via Jens-Christian