Über Musen (Vorgeschichte)

7. Mai 2008

Joseph Brodsky – © Leonid Lubianitsky
Joseph Brodsky – © Leonid Lubianitsky

••• Jeden Tag laufe ich am neuen Jüdischen Museum am Münchner Jakobsplatz vorbei. Ich bin jedoch erst ein einziges Mal hineingegangen und auch das nur per Zufall und nicht, um mir die Ausstellung anzusehen. Ich war vor dem direkt daneben liegenden Gemeindehaus mit einem Informanten verabredet, von dem ich mir Aufklärung erhofft hatte betreffend Amnon Zichronis vermutliche psychoanalytische Ausbildung in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts in New York.

Um es vorauszuschicken: Ich habe keinerlei Informationen erhalten, was mich sehr bekümmert, denn diese Recherche-Lücke ist vermutlich die tatsächliche Ursache der Unterbrechung meiner Arbeit an der „Leinwand“. Ich bin bereits 50 Tage – und das sind 50 Seiten – im Rückstand. Ich schiebe das auf das Zigaretten-Problem. Aber es könnte, das muss ich ehrlicherweise einräumen, auch an der schwierigen Informationsbeschaffung liegen: Ich weiß schlichtweg nicht, wie eine solche Ausbildung in den 1980er Jahren ablief. Und woher soll ich die Informationen bekommen?


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Aphorismen

6. Mai 2008

Nicolás Gómez Dávila
Nicolás Gómez Dávila (1913-1994)

In den Literaturgeschichten sind es nicht die ersten Kapitel, die mit den Jahren schrumpfen, sondern die letzten.

Die großen Werke brauchen Jahre, um aus dem literarischen Leichenhaufen aufzutauchen, der sie erstickt.

Nicolás Gómez Dávila

••• Aphorismen – so dachte ich bisher – sind so etwas wie Abfallprodukte der literarischen Arbeit. Sie als eigenständiges Genre zu begreifen, das wäre mir nicht in den Sinn gekommen. (Lernen Literaturwissenschaftler dergleichen im Studium? Das würde mich wirklich einmal interessieren.)

Glücklicherweise trägt die aktuelle Akzente-Ausgabe nun wieder einmal zu meiner Bildung bei und macht mir klar, dass Aphorismen nicht nur als eigenständiges Genre anzusehen sind, sondern dass mitunter ein ganzes Werk ganz um dieses Genre angelegt sein kann. Das Beispiel: Nicolás Gómez Dávila, geboren 1913 in Bogotá, Kolumbien und gestoren 1994 ebenda.

Ich finde die Vorstellung, ausschließlich tiefsinnige eindestillierte Weltwahrheitssätze zu produzieren, auch nach der Lektüre der Dávila-Aphorismen und Essays über sie und den Autor ein wenig merkwürdig. Aber sie haben doch auch einen unwiderstehlichen Reiz: sie sind so schön tiefsinnig, eindestilliert und — wahr?

Lieber p.-, dies hier war das Zitat zum Thema Nachwelt, das mir letztens am Telefon nicht wortwörtlich einfallen wollte:

Für die Nachwelt schreiben heißt nicht, daß man uns morgen liest. Es heißt, eine bestimmte Qualität des Schreibens anzustreben. Selbst wenn uns keiner liest.

Ich – so groß und so überflüssig

5. Mai 2008

Nyota Thun - Ich - so groß und so überflüssig (Wladimir Majakowski. Leben und Werk)

••• Über Pessach hatte ich viel Zeit zum Lesen, und ich habe mich in eine ausführliche Majakowski-Biographie vertieft. Auf 384 engbedruckten Seiten beschreibt die Slawistin Nyota Thun Leben und Werk Majakowskis von der Kindheit in Georgien bis zu seinem Selbstmord im Jahr 1930 in Moskau.

Thuns Stil ist nicht gerade begeisternd. Wenn man irgendwann zuvor Valentin Katajews Majakowski-Erinnerungen gelesen hat, muss man eine solche wissenschaftlich zusammengestellte Biographie wohl etwas trocken finden. Aber – und zwar ein großes – das heißt nicht, dass Frau Thun nicht eine eigene, interessante Sicht auf Leben und Werk Majakowskis transportieren würde. Im Gegenteil: Sehr interessant ist ihre These, dass der eigentliche Dichter Majakowski in den persönlichen Dichtungen wie etwa „Wolke in Hosen“ zu finden sei. Während Nyota Thun in Majakowskis konfliktreicher jahrzentelanger Liason mit Lilja Brik den persönlichen Teil seines Scheiterns ausmacht, sieht sie in dem zum Propagandisten gewordenen Versemacher den Dichter gescheitert. Umso tragischer dieses künstlerische Scheitern – oder doch jedenfalls Verkümmern – als es von Majakowski programmatisch so gewollt war.

Wirklich neu war mir, wie vielseitig Makakowskis Produktion war. Dass er eigentlich als Maler begonnen hatte und später als Dichter immer auch zeichnete, sei es in vielen Folgen von Plakaten oder in Form von Karikaturen und Illustrationen. Auch an Filmen hat sich Majakowski versucht. Die meisten Drehbücher sind verloren, lediglich Plots noch rekonstruierbar.


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Ablenkungen

4. Mai 2008

Touching is Believing

••• Es gibt im Moment einfach zu viel Ablenkung. An Schreiben, ja nicht einmal an konzentriertes Lesen ist zu denken. Noch immer bin ich intensiv mit Nichtrauchen beschäftigt. Ich kann es nicht fassen, wie viele Wochen sich dieses „Syndrom“ noch hinziehen soll!

Sehr ablenkend auch das neue Telefon…

Ohne Worte

4. Mai 2008

Ohne Worte

••• Für jene, die keine Pictogramme lesen können: Unerwünschte Kinder gehören nicht in die Mülltonne. Sie sind den netten Feuerwehrleuten und Krankenschwestern zu übergeben, die sie einer wirtschaftlichen Verwertung zuführen.

via: bb-blog

Tenebrae

2. Mai 2008

Tregua – Luis Vence
Tregua – © Luis Vence

Nah sind wir Herr,
nahe und greifbar.

Gegriffen schon, Herr,
ineinander verkrallt, als wär
der Leib eines jeden von uns
dein Leib, Herr.

Bete, Herr,
bete zu uns,
wir sind nah.

Windschief gingen wir hin,
gingen wir hin, uns zu bücken
nach Mulde und Maar.

Zur Tränke gingen wir, Herr.

Es war Blut, es war,
was du vergossen, Herr.

Es glänzte.

Es warf uns dein Bild in die Augen, Herr.
Augen und Mund stehn so offen und leer, Herr.
Wir haben getrunken, Herr.
Das Blut und das Bild, das im Blut war, Herr.

Bete, Herr.
Wir sind nah.

Paul Celan
aus: „Sprachgitter“

••• Eine Ergänzung zum Video von gestern: „Tenebrae“ stammt aus dem Band „Sprachgitter“. Ich war zunächst verwundert über die christliche Symbolik, die man bei Celan nicht vermuten würde. Der Schlüssel zum Verständnis liegt im Titel, dessen Bedeutung ich nachschlagen musste.


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Zwei Gedichte von Luft

1. Mai 2008

Ich setzte den Fuß in die Luft und sie trug (Poem)

Hoffnung und Liebe! Alles zertrümmert!
Und ich selber, gleich einer Leiche,
Die grollend ausgeworfen das Meer,
Lieg ich am Strande,
Am öden, kahlen Strande,
Vor mir woget die Wasserwüste,
Hinter mir liegt nur Kummer und Elend,
Und über mich hin ziehen die Wolken,
Die formlos grauen Töchter der Luft,
Die aus dem Meer, in Nebeleimern,
Das Wasser schöpfen,
Und es mühsam schleppen und schleppen,
Und es wieder verschütten ins Meer,
Ein trübes, langweilges Geschäft,
Und nutzlos, wie mein eignes Leben.

••• Es dauerte einen Moment, bis ich im obigen Video Klaus Maria Brandauer erkannte. Es handelt sich um einen Ausschnitt aus dem Film-Poem oder Poem-Film „Poem – Ich setzte den Fuß in die Luft und sie trug“.

Es lohnt, den Ausschnitt bis zum Ende anzuschauen. Es werden zwei Gedichte inszeniert. Das zweite stammt von Paul Celan: „Tenebrae“. Das muss ich mir einmal heraussuchen und genauer besehen.

Verblüfft war ich bei diesem Video aber besonders vom ersten Gedicht. Ich hatte keine Ahnung, von wem es stammt, wie es heißt. Und nie und nimmer wäre ich auf den Namen des Autors gekommen: Heinrich Heine.


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