Sorgen, Tunten, Briefe

30. April 2009

Klaus und Erika Mann
Die Geschwister Klaus und Erika Mann

»Ich will sterben, weil ich unfähig bin, die grenzenlose Anhäufung von Mittelmäßigkeit und bösem Willen, von ehrsüchtiger Ignoranz und egoistischer Faulheit zu akzeptieren und zu ertragen, von der die Welt und dieses Land regiert werden.«

Das schrieb Klaus Mann 1942 nach dem Scheitern seines Projekts »Decision« in einer Art Presseerklärung, zu veröffentlichen nach seinem Selbstmord. Damals wurde er noch gerettet, doch die Krankheit zum Tode hatte ihn längst ergriffen. Vor 60 Jahren, am 21. Mai 1949 nahm er sich in Cannes mit einer Überdosis Schlaftabletten das Leben.

Katrina Behrend Lesch

••• Ende der 1980er Jahre sind in der DDR Klaus Manns gesammelte Briefe erschienen. Ich bin nicht mehr ganz sicher, aber ich meine, ich müsste so 17 oder 18 gewesen sein; und wie habe ich diese Briefe geliebt! Von Sorgen ist zumeist die Rede, Sorgen wegen des »Zauberers«, dem übermächtigen Vater Thomas, Geldsorgen, Liebessorgen und natürlich jenen Sorgen wegen der in der braunen Soße untergegangenen Heimat, die Klaus Mann verlassen musste, um zu überleben. Aber von all dem berichtet er in seinen Briefen mit Verve und Witz und einem Sprachvorrat, der atemlos macht.

Ich habe damals auch die Romane Klaus Manns gelesen, »Mephisto« zunächst, aber auch »Symphonie Pathetique«. Der tuntige Tschaikowski hat mich seinerzeit ziemlich entsetzt. Aber die Briefe, eine Leseleckerei, die Briefe, ich muss mal sehen, wo ich die habe und sie mal wieder lesen.

Am 21. Mai wird es 60 Jahre her sein, dass Klaus Manns wiederholter Selbstmordversuch gelang. In Erinnerung an ihn liest Jörg Hube am 21. Mai um 20:00 Uhr in der Black Box im Münchner Gasteig aus Klaus Manns »Mephisto«.

Soma

29. April 2009

Brave New World - Cover der Erstausgabe
»Brave New World«Cover der Erstausgabe

Was and will make me ill, […] I take a gramme and only am.

Aldous Huxley, aus: »Brave New World«

••• Ich glaube nicht, dass ich »Brave New World« tatsächlich früher schon einmal gelesen habe. Interessanterweise sind die Entdeckungen an diesem Buch eher (erzähl-)technischer Natur. Ein wenig Soma und »erotic play« kämen gerade zupass. Substituieren? Ich lese erst einmal weiter.

Das Alphabet kehrt heim

23. April 2009

Benjamin Stein: Das Alphabet des Juda Liva, Ammann 1995
Benjamin Stein: Das Alphabet des Juda Liva, Ammann 1995

••• Zehn Monate hat es gedauert. Heute nun endlich konnte die Sache geklärt werden: Die Haupt- und Nebenrechte am »Alphabet des Juda Liva«, meinem Debüt-Roman von 1995, bei Ammann als Hardcover und später bei dtv als Taschenbuch erschienen, liegen wieder bei mir. So hatte ich es mir gewünscht – mein Rechtepaket en bloc wieder selbst im Köcher zu haben. Es hängt nun ganz davon ab, wie die »Leinwand«, wenn sie im Frühjahr 2010 erscheint, aufgenommen und verkauft werden wird. Natürlich hoffe ich, dass sich später beim neuen Verlag Neuauflagen oder Taschenbuchausgaben der bisherigen Titel realisieren lassen. Aber darüber zu reden, ist es noch lange nicht an der Zeit.

Den Namen meines neuen Verlages kann ich noch immer nicht nennen, aber der Vertrag ist »in Sack und Tüten«, und ich bin mit den angebotenen Bedingungen außerordentlich zufrieden.

Wir

22. April 2009

Jewgenij Samjatin (1923)
Jewgenij Samjatin (1923) – gemalt von Boris Mikhailovich Kustodiev (1878-1927)

••• In Vorbereitung auf die Arbeit an »Pans Wiederkehr« möchte ich mir einige der klassischen Dystopien des letzten Jahrhunderts ansehen. Meine nachhaltigste Begegnung mit diesem Genre war Orwells »1984« (1948). An Huxleys »Brave New World« (1932) erinnere ich mich hingegen kaum. Beim Stöbern nach anderen dystopischen Romanen bin ich auf Jewgenij Samjatins (1884-1937) Roman »Wir« gestoßen, der bereits 1920, also 12 Jahre vor »Brave New World« und 28 Jahre vor »1984« entstand und Orwell wie Huxley als Inspiration diente.

In der sowjetischen Literaturenzyklopädie von 1929/39 wird Samjatin als Renegat und Konterrevolutionär letztmalig offiziell erwähnt und sein in der Sowjetunion nie vollständig erschienener Roman »Wir« als »niederträchtige Schmähschrift auf die sozialistische Zukunft« bezeichnet:

Die Theorien Samjatins sind eine bloße Maskierung der sehr prosaischen und sehr verständlichen Sehnsüchte der Bourgeoisie nach dem verwirkten Wohlstand und ihres Hasses auf diejenigen, die sie dieses Wohlstandes beraubt haben.

Betrachtet man das obige Gemälde, das Samjatin im Jahre 1923 zeigt, könnte man meinen, tatsächlich einen Vertreter der enteigneten russischen Bourgeoisie vor sich zu haben. Dieser Eindruck aber täuscht.


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Yom HaShoah

21. April 2009

Chasan Yaakov Y. Stark singt das El Male Rachamim zum Gedenken an die Opfer der Shoah
auf der Feier anlässlich des 11. Siyum HaSchas

Erbarmungsvoller Gott, in den Höhen thronend, gewähre vollkommene Ruhe unter den Fittichen Deiner göttlichen Gegenwart in der Erhabenheit der Heiligen und Reinen, die im himmlischen Glanz leuchten, allen Seelen der sechs Millionen Juden, den Opfern der Shoah in Europa, die zur Heiligung des göttlichen Namens ermordet, hingeschlachtet oder verbrannt und vernichtet wurden in Auschwitz, Bergen-Belsen, Majdanek, Treblinka und den weiteren Vernichtungslagern. Die ganze Gemeinde betet für die Erhebung ihrer Seelen. Deshalb wird der Herr des Erbarmens sie für ewig im Schutz Seiner Fittiche bergen und ihre Seelen in den Bund des Lebens aufnehmen. Der Ewige ist ihr Erbteil, im Garten Eden werden sie weilen, in Frieden auf ihrem Lager ruhen. Ihren Anteil werden sie am Ende der Tage bekommen, und wir sagen: Amen.

••• Lernt man jeden Tag eine Seite Gemara, braucht man 7 1/2 Jahre, um den gesamten Talmud einmal durchzulernen: 2.711 Seiten. Der Siyum HaSchas ist die Feier anlässlich der Vollendung eines solchen Zyklus des Lernens. Direkt im Anschluss beginnt man von neuem. Der letzte Siyum fand 2005 statt. An die 120.000 Lernende feierten weltweit. Die wohl größte Veranstaltung fand in New York im Madison Square Garden statt.

Heute am Yom HaShoah wird Bava Kamma 113b gelernt. Wer immer es kann, sollte sich heute die Zeit nehmen, um diese Seite Gemara zu lernen. (Der Online-Shiur ist in Englisch als MP3, WMA und Real-Audio verfügbar.) Denn Lernen ist die einzige Antwort.

Talmud Bavli, Traktat Bava Kamma, Folio 113b
Talmud Bavli, Traktat Bava Kamma, Folio 113b (Klicken für größere Darstellung)