22. August 2008
Favela in Rio de Janeiro – © 2008 by JR
••• JR ist ein Undercover-Fotograf in den Favelas von Rio de Janeiro. Er zeigt in seinen Bildern nicht nur die Gewalt, die dort allgegenwärtig ist. Darüber hinaus fängt er auch immer wieder Momente großer Poesie ein.
Der besondere Reiz an diesen Bildern von JR: Sie sind eigentlich Kollagen, in denen der Künstler eigene Bilder über die fotografierten Motive montiert.
Entdeckt von der Herzdame bei WoosterCollective mit speziellen Grüßen an Markus A. Hediger, der gestern das Manuskript eines neuen wunderbaren Buches abgeschlossen hat, dessen Geschichte auch in Rio de Janeiro beginnt. Gratulation!
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21. August 2008
Cracked Wall – © 2007 by Steffen Michel
Eli versuchte, mich zu beruhigen. Geduld, sagte er, sei auch eine der Übungen auf dem Weg der Frommen. Denn Ungeduld rühre immer von einem Ego her, das sich wichtiger nimmt als die Aufgabe, die ihm zugedacht ist. Und er erzählte mir, denn das war ja nun sein Beruf, ein Gleichnis aus dem Midrash, das mir helfen sollte, meine Geduld und meinen Platz im Plan des Ewigen wieder zu finden.
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20. August 2008
Die Behandlung durch meinen Professor und die Geschichte seiner Erfahrung mit dem alten Mandschu in Chinatown änderte meine Einstellung zum Medizin-Studium grundlegend. Ich wollte noch immer die Ausbildung beenden und Arzt werden. Ein Schulmediziner allerdings, sagte ich mir, würde nicht aus mir werden.
Nach dem Physikum wählte ich vor allem Vorlesungen, die sich mit Themen aus der Neurologie, Psychologie und Psychiatrie befassten. In einer Disziplin, in der selbst meine Professoren zugaben, dass die Wissenschaft die komplexe Struktur und Funktionsweise ihres Forschungsgegenstands, der Psyche, noch immer nur ungenügend durchschaute, fühlte ich mich wohler als in der – wie es mir vorkam – reinen Biomechanik.
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19. August 2008
Fünfzehn Jahre zuvor hatte Prof. Eichner in einer Zeit großer persönlicher Schwierigkeiten einen Hörsturz erlitten und, als wäre das nicht schlimm genug gewesen, auch noch seinen Kopf kaum mehr bewegen können. Er war damals noch Forschungsarzt am New Yorker Mount Sinai Hospital gewesen, ständig beschäftigt, übernächtigt und gestresst.
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15. August 2008
Vipernspur im Sand
Eli behielt Recht. Ganz gleich, wie groß meine Angst auch war, es hatte keinen Zweck, sich gegen den Ewigen und den Plan aufzulehnen, den er wohl mit mir haben musste, da er mir die Tür zu den Erinnerungen anderer geöffnet hatte.
Es brauchte lange, bis ich es begriff, und noch länger, bis ich mich damit abfinden konnte. Und es war Eli, der mir dabei half, zunächst, indem er mir den Beweis lieferte, dass von Zufall keine Rede sein konnte, und das, obwohl der Umstand, der diesen Beweis lieferte, uns beinahe die Freundschaft kostete.
Einige Wochen nach unserem Gespräch, in dessen Verlauf Eli so hitzig argumentiert und mir, statt mich zu ermutigen, eine Heidenangst eingejagt hatte, klopfte er spät abends an meine Zimmertür im Internat. Da ahnte ich noch nicht, dass ich kurz darauf Zeuge der einzigen ernsthaften Übertretung Elis werden sollte, von der ich bis heute weiß.
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13. August 2008
Was hat er sich nur gedacht? Die Mitzvah ist, die Mutter fortzuschicken und die Küken zu nehmen. Vom Baum zu fallen, gehört nicht dazu.
Eine verbindliche Erklärung für Elishas Abfall vom gesetzestreuen Leben hatten die Schriften nicht zu bieten. Eine Geschichte immerhin versuchte, die Ursache in einem paradoxen Vorfall auszumachen, dessen Zeuge Elisha ben Avuya geworden sein soll.
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12. August 2008
Hätte damals jemand die Gespräche zwischen mir und Eli belauscht, hätte er Eli sicher für altklug gehalten und mich für allzu unkritisch gegenüber allem, was er zu sagen hatte. Ich sah das natürlich anders. Ich hatte unendlich viele Fragen, die unsere Rabbonim ebenso unbeantwortet ließen, wie mein Vater oder mein Onkel Nathan wohl auch eine Antwort vermieden hätten, weil sich die Fragen wie auch die potentiellen Antworten im äußersten Randbereich des religiös Sanktionierten bewegten.
In meinen Augen war Eli vor allem mutig. Er scheute sich nicht, nach Antworten zu suchen und sie zu geben, ganz gleich, ob er sich mit seinen Ansichten, wären sie publik geworden, verdächtig gemacht hätte. Sein Umgang mit den Quellen, seine unermüdliche Suche und die Schlüsse, die er aus seinen Funden zog, erschienen mir damals schon als Ausdruck wirklicher Weisheit, wie man sie ohnehin nicht erwerben kann, sondern höchstens geschenkt bekommt – nach vielen Lebensjahren oder aber in Gestalt besonders eindrücklicher Erfahrungen. Und die hatte Eli ja zweifellos gemacht. Immerhin hatte er bereits dem Tod ins Auge gesehen.
Aus dem Fundus historischer rabbinischer Persönlichkeiten hatte er sich zwei Vorbilder erkoren: Elasar ben Asarya und Elisha ben Avuya.
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