Off the Strings
26. Oktober 2008
© Cream Studios, Foto: Alan McFetridge
••• Ein Bild wie aus meinem Herz geschnitten.
© Cream Studios, Foto: Alan McFetridge
••• Ein Bild wie aus meinem Herz geschnitten.
Various book installations in The Floating Exhibition, Serpentine Pond, London.
© by Selina Swayne
••• Wenn sie zum Lesen nicht taugen, kann man aus Büchern noch tolle Sachen machen…
Danke an die Herzdame
••• Nur ein paar Schritte von meiner Wohnung entfernt sitzt die Redaktion von zehnseiten.de. Bei dieser Site handelt es sich um ein ansprechend gestaltetes Portal für gelesene Literatur. Die Autoren selbst lesen bis zu zehn Seiten aus einem ihrer Werke. Das Video wird auf zehnseiten.de präsentiert. Wer also zu faul ist, die Wohnung zu verlassen, um eine Lesung zu besuchen…
••• Wenn wir schon bei Stefan Heym sind, muss ich auch seinen zweiten großen Roman erwähnen: »Ahasver«. Er handelt vom so genannten »ewigen Juden«…
Luzifer und Ahasver werden am sechsten Schöpfungstag von Gott verstoßen, weil sie sich weigern, Adam zu huldigen. Wie Luzifer wird auch Ahasver zu einem ewiglebenden »Wiedergänger«, der durch die Zeiten hinweg an verschiedenen Orten auftaucht. So bietet er bspw. Jesus während dessen Gang nach Golgatha an, ihn mit dem Schwert zu töten, um ihn vor den Qualen des Kreuzestodes zu bewahren. Der aber lehnt ab, weil er den ihm bestimmten Weg zu Ende gehen will.
Da ergriff mich der Zorn ob so viel Starrsinns, und ich stieß ihn von mir und rief: Pack dich, du Narr! Glaubst du, den da oben kümmert’s, wenn sie dir die Nägel treiben werden durch deine Hände und Füße und dich stückweise absterben lassen am Kreuz? Er hat doch die Menschen gemacht, wie sie sind, und da willst du sie wandeln durch deinen armseligen Tod?
Und ich sehe noch, als wär’s heute, das Gesicht des Rabbi, wie es fahl wird unter den Blutstropfen und höre ihn sagen: Der Menschensohn geht, wie geschrieben steht nach dem Wort des Propheten, du aber wirst bleiben und meiner harren, bis ich wiederkehre.
Dieser Fluch besiegelt Ahasvers Schicksal als Ewiglebenden. Wohin Stefan Heym ihn in seinem Roman noch führt, kann man online nachlesen auf einer Seite von Dieter Wunderlich.
Auch »Ahasver« ist unbedingt lesenswert.
Stefan Heym auf einer Lesung 1970 • Foto: Lehnartz, Quelle: Ullstein
••• Ein Roman, der mich als Jugendlicher ungemein bewegt und als Autor zu Begeisterung und sogar Neid verleitet hat, ist hier noch nicht erwähnt worden. Es ist ist ein historischer Roman von ungeheuerlicher »Heutigkeit« (man verzeihe diesen Ausdruck). Der vollständige Titel ist ein wenig unhandlich:
Der Eine und Einzige Wahre und Autoritative, Historisch Genaue und Amtlich Anerkannte Bericht über den Erstaunlichen Aufstieg, das Gottesfürchtige Leben, sowie die Heroischen Taten und Wunderbaren Leistungen des David ben Jesse, Königs von Juda während Sieben und beider Juda und Israel während Dreiunddreißig Jahren, des Erwählten GOttes und Vaters von König Salomo.
Kurz: Der König David Bericht.
Es erzählt der Historiker und Schreiber Ethan ben Hoshaja, der eines Tages unverhofft zu König Salomo zitiert wird – zwecks einer besonderen königlichen Gnadenbezeugung, die ihn freilich auch Kopf und Kragen kosten könnte…
Nikos Panajotopoulos
Die Erfindung des Zweifels (Reclam)
Für all jene, die sich Abend für Abend in das ungemachte Bett des Zweifels legen…
••• Bei unserem ersten Treffen hat meine Agentin mir einen Roman vermacht: »Die Erfindung des Zweifels« von Nikos Panajotopoulos. Es handelt sich um die Lebensbeichte und gleichzeitig das letzte Werk – eines Autors.
Der Roman spielt in der nicht zu fernen Zukunft. Der Genetiker Albert Zimmerman hat einen Test entwickelt, der eindeutig literarisches (und später allgemein künstlerisches) Talent nachweist. Bei der Vorstellung seiner Forschungsergebnisse wird der Wissenschaftler belächelt. Binnen kurzer Frist verändert der Test dennoch vollständig das literarische Geschehen und den Buchmarkt. Verlage bringen nur noch Bücher von so genannten »Bestätigten«, Autoren also, die positiv getestet wurden. Die sterblichen Überreste diverser bereits verblichener Autoren werden exhumiert, um auch sie posthum zu »bestätigen« oder zu »annullieren«. Der Beruf des Kritikers stirbt aus, denn es gibts nichts mehr zu kritisieren. Die Autoren, die sich beharrlich weigern, sich testen zu lassen, gründen die Selbsthilfegruppe AA (Anonyme Autoren). Mütter lassen ihre Babies bereits im Embryonalstadium testen und versteigern im Positivfall die zu erwartenden künftigen Meisterwerke ihrer noch ungeborenen Wunderkinder an die Verlage.
James Wright, der Autor, der hier seine Lebensbeichte abliefert, hat sich geweigert. Er ist ein AA ohne Chancen auf Veröffentlichung – und das, obgleich er bereits zwei sehr erfolgreiche Bücher vorgelegt hat. Worin die Beichte auf dem Totenbett besteht? Wrights Ruhmsucht verführt ihn, sich bei einem der wenigen verbliebenen großen Verlage zu verdingen – als Ghostwriter für ein Wunderkind, das an Schreibhemmung leidet…
Komposition und Stil dieses Romans bieten keine Überraschungen. Mit der Geschichte und ihren Implikationen sind die 180 Seiten jedoch kurzweilig gefüllt. Ich habe sie gern gelesen und kann den Roman nur allen zur Lektüre empfehlen, denen Wright seine Beichte widmet: »Für all jene, die sich Abend für Abend in das ungemachte Bett des Zweifels legen…«
keine zu haben
einige Luftblasen
von Zeit zu Zeit vom Grund aufsteigend
stilles Summen
die Libelle aber sieht man nicht
Luft
in keiner Lunge bisher durchgespült
keine Stunde der Wölfe
kein Jagen
aber ein bißchen Licht
wär gut
© Ludvík Kundera, aus:
Poesiealbum 281
Märkischer Verlag Wilhelmshorst
••• Endlich komme ich auch wieder zum Lesen. Ein ganzer Stapel an Literaturzeitschriften und bestellten Büchern wartet auf die Lektüre. Begonnen habe ich mit dem neuen Poesiealbum. Ein Abo lohnt für Lyrik-Liebhaber ohnehin. Aber es gibt nun noch einen besonderen Anreiz: Für Abonnenten bringt der Märkische Verlag Wilhelmshorst jährlich eine limitierte Nachauflage früherer Hefte. In diesem Dezember wird es das »verlorene Heft« 275 (August v. Platen) sein. Im Buchhandel wird man es nicht bekommen. Abonnenten können es bestellen.