Dein Auge, sagte er
Mittwoch, den 2. Februar 2011
Auge • © Thomas Seliger
Dein Auge, sagte er.
Das traf mich wie ein gezielter Schlag in den Magen. Wie wenig hatte ich doch erreicht! Mein positives Körpergefühl war von den Füßen aufgestiegen, aber unter der Augenlinie hatte es halt gemacht. Es genügte offenbar noch immer die bloße Erwähnung meines unübersehbaren Defekts, um mich in die Gefühlswelt meiner Kindheit zurück zu katapultieren, in ein Chaos aus Verletzungen, Scham und Wut darüber, nicht ändern zu können, weswegen ich begafft und gehänselt wurde. Es konnte doch wohl nicht möglich sein, dass ausgerechnet Matana, der dieses Gefühl kennen musste, einem ähnlichen Impuls der Neugier nachgegeben hatte.
Natürlich wusste ich, dass er sich für Augen interessierte. Als Biologe hatte er sich über Jahrzehnte mit dem menschlichen Sehvermögen und den Ursachen verschiedenster Sehstörungen beschäftigt. Es war auch kein Zufall, dass das Logo seiner Firma ein Paar weit geöffneter Augen darstellte. Matanas Vision war es, Blinde sehend zu machen, was nach seiner Vorstellung bedeutete, ihnen eine Welt zu Füßen zu legen oder – noch genauer – eine Welt für sie zu erschaffen.