Archiv der Kategorie 'Prosa'

D. G. Myers zu »Kaltblütig«

Mittwoch, den 26. August 2009

••• Ich lese mit andauernder Begeisterung D. G. Myers‘ »A Commonplace Blog«. Myers ist Associate Professer for English and Religious Studies an der Texas A&M University. Seine Artikel – publiziert in einschüchternder Länge und Frequenz – zeugen von seinem umfassenden Wissen nicht nur im Bereich der Literatur. Entdeckungen und neue Erkenntnisse sind garantiert, wenn man im »Commonplace Blog« stöbert.

Anlässlich meiner gestrigen Reminiszenz an Capote kam ich auf die Idee, Myers anzuschreiben und um einen Gastbeitrag zu Capote zu bitten. »Frühstück bei Tiffany« bescherte mir im letzten Jahr zwei glückliche Tage. Es ist nach meiner unmaßgeblichen Überzeugung einer der wenigen wirklich makellosen Romane, die ich je gelesen habe.

D. G. Myers sagte spontan zu und schickte wenig später seinen Beitrag. Ich hatte vor, ihn zu übersetzen und zeitgleich mit Myers Originalversion in seinem Blog hier im Turmsegler zu publizieren. Das ist mir nicht gelungen. Für die Übersetzung hätte ich sicher einen Tag gebraucht (und werde sie nachreichen, wenn die Turmsegler-Leser das wünschen). Vor allem aber war der Beitrag, als ich heute morgen (in anderer Zeitzone als Myers) erwachte, bei ihm bereits erschienen.


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Remembering Truman Capote

Dienstag, den 25. August 2009

A guest contribution by D. G. Myers

Truman Capote

••• Today is the yortsayt of Truman Capote—the twentieth-fifth anniversary of his death from „liver disease complicated by phlebitis and multiple drug intoxication,“ as the Los Angeles County coroner dutifully reported—although yortsayt may not be the best word to use in connection with someone who once attacked „the Jewish Mafia in American letters“ which „control[s] much of the literary scene“ through „Jewish-dominated“ publications that „make or break writers by advancing or withholding attention.“1

The provocation behind Capote’s rant is not immediately clear. Commentary, the most Jewish-dominated publication of them all, hardly withheld attention from In Cold Blood, devoting twenty-two hundred words to the book in its May 1966 issue. William Phillips, the reviewer, who also happened to edit the Partisan Review, another Jewish-dominated publication, even allowed that the book was „good in its own way,“ although he went on to ask—“as in the old Jewish joke—whether In Cold Blood was good for literature.“2 Maybe Capote could not take a Jewish joke.


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Und danach – traf mich die Peitsche

Dienstag, den 25. August 2009

Truman Capote im Alter von 14 Jahren (1948) - Foto: Carl van Vechten (aus der Van Vechten Collection der Library of Congress)
Truman Capote im Alter von 14 Jahren
Foto: Carl van Vechten (aus der Van Vechten Collection der Library of Congress)

When God hands you a gift, he also hands you a whip; and the whip is intended for self-flagellation solely. […] Writing stopped being fun when I discovered the difference between good writing and bad and, even more terrifying, the difference between it and true art. And after that, the whip came down.

Truman Capote (1924-1984)

••• »Wem Gott eine Gabe schenkt, dem gibt er auch eine Peitsche; und die Peitsche dient einzig der Selbstgeißelung. […] Das Schreiben hörte auf, mir Spaß zu machen, als ich den Unterschied zwischen gutem und schlechtem Schreiben entdeckte und – schrecklicher noch – den Unterschied zwischen Schreiben und wahrer Kunst. Und danach – traf mich die Peitsche.«

Heute vor 25 Jahren starb Truman Capote

Malerin und Modell

Dienstag, den 4. August 2009

Benjamin Stein 2009 - Foto: © Oliver Maier
Foto: © Oliver Maier (2009)

••• Ich lasse mich nicht gern fotografieren. Das hat, ich gebe es ohne Umschweife zu, mit einer gewissen Eitelkeit zu tun oder vielmehr einem Komplex, den ich von Kindheit an mit mir herumtrage, inzwischen stark gemildert, doch nie ganz überwunden. Die Muskeln, die mein rechtes Auge bewegen sollten, verweigern seit meiner Geburt den Dienst, und so steht dieses Auge unbeweglich im äußersten rechten Augenwinkel und starrt – inzwischen nahezu blind – ins Leere. Dieses Auge hat wenig Liebe erfahren im Laufe der Jahre, weder von mir noch von anderen. Vielleicht rächt es sich dafür, indem es sich auf Fotos so dominant und irritierend in Szene setzt.

Wenn es um Porträts von mir geht, zitiere ich gern Picasso, der einer von ihm gemalten und über das Ergebnis tief enttäuschten Dame erwiderte: »Madame, eine wie Sie sollte sich fotografieren lassen. Dann sind sie sechs Zentimeter groß und grau.« Mir liegt dieses Format nicht.

Gemalt zu werden, ist mir deutlich lieber, und tatsächlich sind es vier Gemälde, in denen ich mich vor Jahren zum ersten und vielleicht einzigen Mal ganz als mich selbst wiedererkannte. Die Bilder sind verschollen wie auch die Malerin, der ich Modell gesessen habe. Das macht mir die Sache noch sympathischer. Denn viel plastischer als die Gemälde selbst ist mir in Erinnerung, wie sie entstanden sind. Die Geschichte also ist mir geblieben. Und in Geschichten fühle ich mich noch immer am wohlsten.


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Das Subjekt im Auto

Donnerstag, den 23. Juli 2009

Betrachten wir noch einmal das Modell, nach dem wir schon seit zweitausend Jahren denken und sehen. Es ist das Subjekt/Objekt-Denken, also ein Denken und Sehen, das rein und ausschließlich von unserem Ich ausgeht. Cartesius hat es auf das Cogito, auf den einzelnen Menschen reduziert und ein für allemal für verbindlich erklärt. Heute sitzt das Subjekt im Auto und beherrscht die Welt, zumindest die Oberfläche. Wir sehen nur noch das, was unsere Scheinwerfer beleuchten; wir sind, was wir fahren, und wer mir nicht glaubt, der spitze bitte seine Ohr! »Ich stehe vor der Oper«: Dieses Sätzlein wird in knapp fünf Minuten, am Ende meines Vortrags, mehrfach fallen. Die Personen, die es äußern, werden allerdings im Innern des Hauses stehen, nicht davor. »Ich stehe vor der Oper«, das besagt nichts anderes als: Mein wahres Ich ist mein Auto.

Thomas Hürlimann, aus:
»Das Holztheater« (Geschichten und Gedanken am Rand)
© Ammann Verlag 1997

••• Letzte Woche habe ich Pynchon gelesen. Ich habe es jedenfalls – mit mehreren Titeln – versucht. Dieser, wie viele meinen, bedeutendste amerikanische Gegenwartsschriftsteller bekommt mir allerdings gar nicht. Weg damit also. Und ich griff aus Mangel an Lesestoff für die U-Bahn wieder einmal ins Regal mit den schönen Ammann-Bänden aus der Meridiane-Reihe. Diese Bücher habe ich aus ästetischen Gründen gesammelt, aber bei weitem noch nicht alle gelesen. Dieses Mal griff ich Hürlimann heraus.


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