Archiv der Kategorie 'Prosa'

Abenteuertee

Sonntag, den 17. Januar 2010

Lapsang Souchong
Lapsang Souchong (拉普山小種/正山小种)

••• Schon mal was von Lapsang Souchong gehört? Ich auch nicht. Bis eben jedenfalls. Da ist mir doch tatsächlich eine Delikatesse durch die Lappen gegangen, die La Tortuga aka Ursula T. Rossel Escalante Sánchez auf ihrem virtuellen Postamt »Notizen aus Kangerlussuaq« angerichtet hat.

Lapsang Souchong ist – ein Tee, und was für einer. Dass ich das nun doch noch erfahren durfte, verdanke ich dem litblogs-Lesezeichen 04/2009, das kürzlich online ging und neben dieser Tee-Rafinesse auch noch andere literarische Schmankerln zu bieten hat. Stöbern lohnt sich.

Mein Hut lüftet sich leis in Richtung La Tortuga für dieses Bijoux. In einem Punkt allerdings irrt unsere Feinschmeckerin definitiv:

Es gibt ja auch kaum Essbares, das roh schmeckt, bis auf manche Fleischsorten und Eier.

Wir sollten mal gemeinsam Sushi essen!

Ich dachte an die goldenen Zeiten

Donnerstag, den 17. Dezember 2009

Red Shoes

Das Vorabexemplar des ersten Buches meines Mannes wollte und wollte nicht kommen, er hatte sogar zu trinken aufgehört und brüllte nachts, er werde aus dem Fenster springen, er werde sich vor einen Zug werfen, da zog ich an meinem nächsten freien Tag mein Paradekleidchen und meine roten Schuhe mit den Stöckelabsätzen an, ich nahm meinen Regenschirm und machte mich auf den Weg zum Verlag.

Bohumil Hrabal (1914-1997)
aus: »Ich dachte an die goldenen Zeiten«

••• Endlich mal ein bisschen Farbe hier im Turmsegler! Gestern hat mir die Herzdame einen echten Hrabal geschenkt: »Ich dachte an die goldenen Zeiten«, ein »Perlchen auf dem Grunde«, wie die Erzählerin dieses Romans wohl sagen würde, die Ehefrau also des vom Warten gepeinigten Schriftstellers, der dem Erscheinen seines ersten Erzählbandes entgegenfiebert. Das ist einer, der die grünen Kronenscheine seines Vorschusses im Einkaufsnetz (!) durch Prag trägt, was der Dame die Bemerkung einer Passantin einträgt: »Sie erleben wohl so allerlei mit ihm, nicht wahr?«

Nun habe ich mich gefragt, was für »rote Schuhe mit den Stöckelabsätzen« das gewesen sein mögen – vom »Paradekleidchen« zu schweigen, mit deren Hilfe die Dame dem Verlag das Vorabexemplar abzunötigen versuchte. Das wird im Text leider nicht vertieft. Aber wir erfahren immerhin, wie die roten Schuhe und der Regenschirm eingesetzt wurden…

Wie Hrabal hier mit den Motiven umgeht und sie variiert und transponiert – die Schuhe, den Schirm, die Farbe Rot, das Tänzeln – und wie er im Moment, da doch »das Größte« verhandelt wird, plötzlich die Diminutive bemüht – Schirmchen, Bändchen, Päckchen … – die zuvor ausgerechnet den roten Schühchen vorbehalten waren, mit denen … nun ja … wow!, das ist großartig.


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Das Konzert

Sonntag, den 18. Oktober 2009

Hartmut Lange (1987) - Foto © Renate v. Mangoldt
Hartmut Lange – Foto © Renate v. Mangoldt, 1987

••• Gestern kurz vor Schabbesausgang hätte mein Sohn beinahe die neue Synagoge am Jakobsplatz in Flammen gesetzt. Während des Nachmittagsgebets wollte er unbedingt aufs Klos, kurz darauf gleich wieder. Da wurde ich misstrauisch, und schließlich bemerkte ich den Brandgeruch und sah kurz darauf die Bescherung. Zwei Stapel Papierhandtücher waren angekokelt. Ein einsam dastehendes Jahrzeitlicht war wohl zu verführerisch gewesen. Die angebrannten Papierhandtücher lagen dann, grad noch gelöscht, im Handwaschbecken. In so einem Moment gehen einem die schlimmsten Katastrophenszenarien durch den Kopf. Wie macht man einem grad Sechsjährigen klar, dass er sich und andere umbringen kann durch solchen Experimentierdrang? Immerhin war er von panischer Angst geschüttelt – vorm Feuer wie der zu erwartenden Strafe…

Dem Flammentod sind wir also noch einmal entgangen und fanden uns nicht unversehens in der Kulisse der Geschichte wieder, die ich in den letzten zwei Tagen gelesen habe. Lesen durfte, müsste ich sagen, denn Hartmut Langes Novelle »Das Konzert« – von der Herzdame im Untergeschoss des Münchner Hauptbahnhofs bei einem Trödler erstanden – hat mich richtig glücklich gestimmt.


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New York Works

Mittwoch, den 7. Oktober 2009

New York Works Radio Diaries

••• Einige Netzfunde liegen schon seit Monaten in meinem digitalen Zettelkasten und sind hier im Turmsegler lediglich aus einem Grund noch nicht präsentiert worden: Sie könnten als Sujet für einen Roman taugen. Eine dieser potentiellen Buchideen »verschenke« ich hier und heute.


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Robinson Crusoe

Mittwoch, den 30. September 2009

Daniel Defoe, Originalausgabe von »Robinson Crusoe«
Originalausgabe von »Robinson Crusoe« (Quelle: wikipedia)

Während der nächsten fünf Jahre begegnete mir nun nichts Außergewöhnliches.

Daniel Defoe, in »Robinson Crusoe«

••• Vor 350 Jahren – 1719 – erschien Daniel Defoes »Weltbuch« »Robinson Crusoe«. Der Roman begründete ein Genre, die sogenannte Robinsonade. Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurden bereits nicht weniger als 700 Ausgaben gezählt. Wie viele es bis heute sind, mag man sich ausmalen.

Daniel Defoe — auch so ein Popstar? Vielleicht.


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Die Kuh im Propeller

Dienstag, den 22. September 2009

Manfred Krug bei seiner Ausreise auf der Bornholmer Brücke am 20. Juni 1977. Quelle: Landesarchiv Berlin
Manfred Krug bei seiner Ausreise auf der Bornholmer Brücke
am 20. Juni 1977. Quelle: Landesarchiv Berlin

••• Von der zumindest in der DDR geradezu legendär gewordenen Schallplatte »Lyrik, Jazz und Prosa« war hier schon die Rede, und »Der Hase im Rausch« von Sergeij Michalkov, den ich seinerzeit – Eberhard Esche imitierend – für den Podcast aufgenommen habe, gehört zu den meistgelesenen (und angehörten) Beiträgen.

Letztens schenkte mir ein alter Schulfreund ein Reclam-Bändchen mit Geschichten von Michail Sostschenko. Sofort blätterte ich nach der »Kuh im Propeller«, in dem damaligen Veranstaltungsmitschnitt von Manfred Krug vorgetragen. Leider war diese Übersetzung so grauenvoll, dass ich sie den Turmseglern nicht zumuten kann. Aber mit ein wenig Mühe lässt sich der kurze Text rekonstruieren. Und hier ist er also, oder soll ich sagen, sie: »Die Kuh im Propeller«.


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Ungeschehene Empfängnis

Montag, den 21. September 2009

Wolfgang Koeppen - Foto: © Stefan Moses
Wolfgang Koeppen – Foto: © Stefan Moses

••• Jetzt sind die bestellten Koeppen-Bücher da, und ich weiß gar nicht, wo ich beginnen soll. Vielmehr: Ich habe ja begonnen – und zwar mit »Tauben im Gras« – aber am Freitag kam auch der Briefwechsel, den Koeppen über 36 Jahre mit seiner Frau Marion führte, und gleich habe ich mich auch dort festgelesen, dem Marketing-Wiesel des Verlags auf den Leim gegangen. Denn was steht da im Klappentext? Man hätte über Jahre angenommen, das Zusammensein mit der um so viel jüngeren und schwer mit Alkoholproblemen beladenen Frau sei verantwortlich gewesen für Koeppens jahrzehntelanges Schweigen; doch legten die Briefe, Telegramme und eilig hingeworfenen Zettelbotschaften nun etwas anderes nahe. Ach ja? Und schon ist das Buch aufgeschlagen und man liest sich hinein in die fremden intimen Botschaften, als stöbere man in einem Gossip-Blatt.


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