Archiv der Kategorie 'Prosa'

Fräulein? (Wunder!) / Ritter

Mittwoch, den 28. November 2007

Frankfurter Buchmesse: Frau Franck, Sie wurden in den 90er Jahren in die Kategorie „Literarisches Fräuleinwunder“ eingereiht. Ist der Deutsche Buchpreis, den Sie nun zehn Jahre nach ihrem Debütroman erhalten haben, eine Art Ritterschlag für Sie?

Julia Franck: Die Kategorie „Literarisches Fräuleinwunder“ zielt auf sexuelle Kriterien ab und nicht auf literarisch ästhetische. Ich fühle mich heute so sehr als Ritter wie damals als Fräulein.

••• Journalisten können so unglaublich blöde Fragen stellen! Man schämt sich direkt, selbst mal einer gewesen zu sein.

Das ganze Interview mit Julia Franck, die für Ihren neuen Roman „Die Mittagsfrau“ — er liegt hier, angelesen erst, und wartet noch auf meine ungeteilte Aufmerksamkeit — reich bepreist wurde, ist beim Lesekreis nachzulesen, wohl aber nicht von Lesekreis-Autoren geführt.

S != 68 (imaginiert)

Dienstag, den 20. November 2007

Und ich sitze da und denke mir, dass ich an der nächsten Haltestelle um einen längeren Aufenthalt bitten werde, ich brauche unbedingt einen Pinsel und schwarze Farbe: „la plus grande réserve d’imagination…“ dank Paul Reichenbach muss das unbedingt auf den Bus.

••• Es war vermutlich, ja sicher, nicht so gedacht. Doch was cellini heute in den »Die Dschungel. Anderswelt« schreibt, klang mir spontan wie einer weitere Stilübung auf Queneaus mittägliches Ereignis im Bus S. Wäre es nicht die Linie 68 und würden nicht Kordel und Knopf gänzlich fehlen.

Im übrigen haben auch p.- (Linda, Linda), sturznest und mehrschichtig Variationen über Queneau geschrieben. Leider funktionierte bei allen die Trackback-Benachrichtigung nicht. So liefere ich die Links hier händisch nach.

Termin am Mittag

Mittwoch, den 14. November 2007

Raymond Queneau
Raymond Queneau

••• Dass ich Raymond Queneaus „Stilübungen“ wiedergefunden habe, freut mich so ungemein, dass ich nicht wiederstehen konnte, auch eine Variation auf das Thema zu schreiben.

Und wenn wir schon dabei sind, denke ich mir, dann sollte ich die hier mitlesenden Autoren einladen, in ihren jeweils eigenen Stilen und Sichten das gleiche zu tun. Über zehn zeilen von Sudabeh würde ich mich ebenso freuen wie über eine Mandrake-Variante von Markus (quasi schon im Flieger nach Brasilien), eine surreale Sequenz von p.-s Veranda, ein satirisches Prosagedicht vom Herrn H, etwas in strengstem Versmasse vom ANH – oder oder oder…

Wer auch immer Lust hat, sich an dem Spass zu beteiligen, ist herzlich eingeladen, eine entsprechende Version bei sich im Weblog zu bringen und es die Turmsegler wissen zu lassen.

Und hier ist sie – meine Variante der Begebenheit im Bus S…


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Stilübungen

Mittwoch, den 14. November 2007

Im Autobus der Linie S, zur Hauptverkehrszeit. Ein Kerl von etwa sechsundzwanzig Jahren, weicher Hut mit Kordel anstelle des Bandes, zu langer Hals, als hätte man daran gezogen. Leute steigen aus. Der in Frage stehende Kerl ist über seinen Nachbarn erbost. Er wirft ihm vor, ihn jedesmal, wenn jemand vorbeikommt, anzurempeln. Weinerlicher Ton, der bösartig klingen soll. Als er einen leeren Platz sieht, stürzt er sich drauf.

Zwei Stunden später sehe ich ihn an der Cour de Rome, vor der Gare Saint-Lazare, wieder. Er ist mit einem Kameraden zusammen, der zu ihm sagt: „Du solltest dir noch einen Knopf an deinen Überzieher nähen lassen.“ Er zeigt ihm wo (am Ausschnitt) und warum.

••• Einen Riesendank schicke ich heute an parallalie, der mir geholfen hat, ein Buch wiederzufinden, an dessen Autor und Titel ich mich seit vielen Jahren vergeblich zu erinnern versuchte. Mir waren nur noch Bruchstücke jener banalen Begebenheit im Bus im Gedächtnis und dass der Autor Franzose gewesen war.


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Mrs Dalloway in der Bond Street

Sonntag, den 4. November 2007

••• Wie gestern angekündigt, hier nun die Leseprobe von Virginia Woolf: Mrs Dalloway in der Bond Street…

Interessant finde ich die Reminiszenzen sowohl an Prousts „Verlorene Zeit“ als auch an Joyces „Ulysses“. Belegen kann ich freilich nicht, ob diese Anklänge beabsichtigt waren, aber dem aufmerksamen Leser werden sie nicht entgehen.

Was einem diese Prosa nicht verzeiht, ist Unaufmerksamkeit. Wir erfahren in einem Satz den Nachnamen der Protagonistin, in einem anderen den Vornamen. Beschreibungen ihres Äusseren verteilen sich über den Text und werden nur im Kontext anderer Beobachtungen erwähnt. Zeitzeichen werden gesetzt — etwa der Lieferwagen von Durtnall — die es uns ermöglichen, die ungleichzeitigen Gedankengänge von Clarissa zu synchronisieren mit dem Fortschreiten der Zeit während ihres Spaziergangs.

Zufällig, scheint es, ist hier nichts. Alles und jedes an seinem einzig möglichen Ort.


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