Archiv der Kategorie 'Prosa'

Ich hatte einen Freund, der aß Frösche

Donnerstag, den 2. April 2009

Peter Høeg
Peter Høeg

••• Die Stimmung ist gehoben, und die Entwicklungsarbeiten für den Kunden gingen mir heute endlich wieder leicht von der Hand. Mit der Wiederaufnahme der Recherchen, dem Lesen, Notieren, Sortieren, ist es eine andere Sache. Ein Buch liegt schon seit einem Jahr auf dem riesigen Bücherstapel neben dem Monitor, eine bei Wallstein (da war meine Agentin früher Lektorin) erschienene Sammlung von Essays zum Thema »Trauma, Literatur und Empathie« mit dem Titel »Das hört nicht auf«. Das gehört noch zum Recherche-Material für die »Leinwand«, aber auch jetzt, während ich »Pans Wiederkehr« vorbereite, werde ich es nochmals durchstöbern. Ein Beitrag darin beschäftigt sich mit Peter Høegs Roman »Der Plan von der Abschaffung des Dunkels«, die Verarbeitung von Heimkinderinnerungen aus den 1970er Jahren in Dänemark. Es geht um Vernachlässigung, Angst, Gewalt und die unerbittliche fremdbestimmte Einteilung von Lebenszeit. Ich habe das Buch damals sofort bestellt, aber es lag bis gestern ungelesen im Bücherturm. Jetzt habe ich es aufgeschlagen.

Es ist meine erste Begegnung mit dem Autor Høeg. Vor genau zehn Jahren habe ich – zusammen mit einem großen 16:9-Fernseher und meinem ersten DVD-Player – eine DVD gekauft: Bille Augusts Verfilmung von Høegs meistbeachteten Roman »Fräulein Smillas Gespür für Schnee«. Ich erinnere mich nicht mehr an die Geschichte, nur noch vage und ohne Zusammenhang an einzelne Bilder der endlosen Schneelandschaften. Das Buch zu lesen, reizte mich damals nicht.


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Empfehlungen

Mittwoch, den 18. März 2009

Markus A. Hediger: Krötenkarneval

••• Wenn wir schon – anlässlich des heutigen »Rückspiegels« – bei Empfehlungen sind: Auch Markus A. Hedigers Prosa ist ein Erlebnis, das man so schnell nicht vergisst. Erschienen in der edition neue moderne, sind seine autobiographischen Fiktionen »Krötenkarneval« noch lieferbar.

La Tortuga schrieb kürzlich über Hedigers letzten Band »Das TamTam Grand Hotel«, ein halsbrecherisches Verwirrspiel um die Frage: Bin ich, und wenn ja, wer?

Kaufen! Lesen! Glücklich sein!

Zwanzig Jahre Fatwa

Montag, den 23. Februar 2009

Salman Rushdie
Sir Salman Rushdie

Ich setze das stolze Volk der Moslems in aller Welt davon in Kenntnis, dass der Autor des Buches »Die satanischen Verse«, das sich gegen den Koran, den Propheten und den Islam richtet, und alle an seiner Publikation Beteiligten zum Tode verurteilt sind.

Ayatollah Ruhollah Chomeini am 14. Februar 1989

••• Mit Salman Rushdies »Satanischen Versen« (die deutsche Originalausgabe ist gelegentlich noch zu haben) verbindet mich eine besondere Geschichte, die in der »Leinwand« erzählt wird. Die Hälfte des Begrüßungsgeldes, das ich im November 1989 bei meinem ersten Besuch in West-Berlin bekam, trug ich in eine Buchhandlung auf dem Kurfürstendamm. Dieses Buch, das Autor, Übersetzer und Verleger das Leben kosten konnte und dennoch erschienen war, musste ich einfach besitzen. Ich wurde auch literarisch nicht enttäuscht. Dennoch habe ich es nur einmal gelesen. Aber ich besitze es noch; und es gehört sicher zu den Büchern, die ich um keinen Preis verleihe.

Reinhold Neven DuMont plante zunächst die deutsche Ausgabe und ahnte nicht, was da auf ihn zukommen würde. Nachdem er damit rechnen musste, dass eine Autobombe den Verlag in der Rondorfer Straße in Schutt und Asche legen würde, kapitulierte er, wofür er sich von Hans Magnus Enzenzberger als Feigling bezeichnen lassen musste. Im virtuellen Gemeinschaftsverlag »Artikel 19« erschien die deutsche Übersetzung dann doch im Herbst 1989. Dass sich Verleger, Übersetzer und Autoren damals zusammengetan haben, um gemeinsam das Risiko der Veröffentlichung zu tragen, halte ich noch immer für eine der wenigen wirklich rühmlichen Geschichten des deutschen Literaturbetriebs.

Ich bin nicht sicher, ob es heute auch zu einer solchen Demonstration der kulturellen Zivilcourage käme – nach den Attentaten vom 11. September und den kaum noch zu zählenden martialischen Entschlossenheitsbeweisen des islamischen Fundamentalismus, sich mit terroristischer Gewalt durchzusetzen.

Im Oktober 2006 konstatierte Rushdie im Österreichischen Fernsehen:

Als ich ein junger Mann war, war Religion im Wesentlichen am Ende. Leute, die von Religion sprachen, waren sozusagen Idioten. Es schien undenkbar, dass es ein Revival der Religion als zentrale Kraft in der Weltpolitik geben könne. Religion war uncool. Dummerweise haben, während wir damit beschäftigt waren, cool zu sein, die uncoolen Leute die Welt übernommen.

Unschwer zu teilen ist auch seine heutige Einschätzung:

Der islamische Fundamentalismus ist keine religiöse, sondern eine politische Bewegung, die eine religiöse Sprache benutzt.

Weiterführende Informationen in Textform gibt es u. a. auf dem Politbüro-Blog. Wer gar 14 min. erübrigen kann, um sich die WDR5-Zeitzeichensendung zum Thema anzuhören, sollte es tun.

Übrigens:

Nach dem offiziellen Protest der iranischen Regierung gegen den geplanten Ritterschlag der Queen für Salman Rushdie haben Hardliner innerhalb der iranischen Geistlichkeit, eine Gesellschaft zur Ehrung der Märtyrer in der islamischen Welt, ein neues Kopfgeld für den britischen Schriftsteller in Höhe von 150.000 US-Dollar ausgesetzt. Der Ritterschlag fand im Juni 2008 statt. (wikipedia)

Rushdie ist nach wie vor in Gefahr.

WDR5 Zeitzeichen vom 14. Februar 2009
zum 20. Jahrestag der Fatwa gegen Salman Rushdie,
seine Übersetzer und Verleger

Zwischen neun und neun

Donnerstag, den 29. Januar 2009

Leo Perutz
Leo Perutz (1882-1957)

Manchen Menschen fehlt das Kinn. Das Gesicht geht unter dem Mund gleich in den Hals über. Sie sehen aus wie Hühner. Auch der Weiner gehört zu diesen Menschen. Sie tragen entweder Vollbart, dann sieht man es weniger, oder, wenn sie glattrasiert sind, dann sehen sie stupid aus. Ich glaube, das ist ein Atavismus. Zwischen der zweiten und der dritten Eiszeit sollen die Menschen so ausgesehen haben. – Nein, das ist kein Witz, ich hab’ das wirklich einmal in einem Aufsatz über den prähistorischen Menschen gelesen. Mir sind Leute ohne Kinn zuwider. Und wie ich den Alten anschau’, kommt mir der verrückte Gedanke, dass vielleicht ein Geheimbund aller dieser Kinnlosen besteht gegen die übrige Welt, dass sie zusammenstehen, und dass vielleicht der alte Trödler mit dem Georg Weiner im Einverständnis ist und mir nur eine Bagatelle für das Buch zahlen wird, damit ich nicht mit der Sonja nach Italien fahren kann.

Leo Perutz, aus: »Zwischen neun und neun«

••• Es war ein wenig zu wenig Schlaf letzte Nacht. Den für heute geplanten Beitrag muss ich verschieben. Aber es gibt ja den »Umblätterer«, der auch immer wieder auf Literatur zu sprechen kommt und vorgestern über Leo Perutz schrieb. Nie gehört, schon gar nicht gelesen. Aber nach der obigen Textpassage zu urteilen, muss ich das schleunigst nachholen.

Wie sieht der Tod aus?

Mittwoch, den 21. Januar 2009

Ich fragte Vater: Wie sieht der Tod aus? Hat er eine körperliche Gestalt? Mutter versetzte mir einen leichten Klaps auf die Wange, als wollte sie etwas Störendes vertreiben und sagte zu Vater auf Jiddisch: »Schejale mit seine klatz Kasches!« (Schejale mit seinen dummen Fragen!) Aber später am Abend gab sie, wenn ich mich recht entsinne, meinen Bitten nach und flüsterte mir zu: »Der Todesengel hat einen Schlangenkopf, Hühnerbeine und den Körper eines Fisches. Er erscheint nur demjenigen, dessen Ende gekommen ist.« […]


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