Archiv der Kategorie 'Prosa'

Ahasver

Freitag, den 24. Oktober 2008

••• Wenn wir schon bei Stefan Heym sind, muss ich auch seinen zweiten großen Roman erwähnen: »Ahasver«. Er handelt vom so genannten »ewigen Juden«…

Luzifer und Ahasver werden am sechsten Schöpfungstag von Gott verstoßen, weil sie sich weigern, Adam zu huldigen. Wie Luzifer wird auch Ahasver zu einem ewiglebenden »Wiedergänger«, der durch die Zeiten hinweg an verschiedenen Orten auftaucht. So bietet er bspw. Jesus während dessen Gang nach Golgatha an, ihn mit dem Schwert zu töten, um ihn vor den Qualen des Kreuzestodes zu bewahren. Der aber lehnt ab, weil er den ihm bestimmten Weg zu Ende gehen will.

Da ergriff mich der Zorn ob so viel Starrsinns, und ich stieß ihn von mir und rief: Pack dich, du Narr! Glaubst du, den da oben kümmert’s, wenn sie dir die Nägel treiben werden durch deine Hände und Füße und dich stückweise absterben lassen am Kreuz? Er hat doch die Menschen gemacht, wie sie sind, und da willst du sie wandeln durch deinen armseligen Tod?

Und ich sehe noch, als wär’s heute, das Gesicht des Rabbi, wie es fahl wird unter den Blutstropfen und höre ihn sagen: Der Menschensohn geht, wie geschrieben steht nach dem Wort des Propheten, du aber wirst bleiben und meiner harren, bis ich wiederkehre.

Dieser Fluch besiegelt Ahasvers Schicksal als Ewiglebenden. Wohin Stefan Heym ihn in seinem Roman noch führt, kann man online nachlesen auf einer Seite von Dieter Wunderlich.

Auch »Ahasver« ist unbedingt lesenswert.

Der König David Bericht

Donnerstag, den 23. Oktober 2008

Stefan Heym auf einer Lesung 1970
Stefan Heym auf einer Lesung 1970 • Foto: Lehnartz, Quelle: Ullstein

••• Ein Roman, der mich als Jugendlicher ungemein bewegt und als Autor zu Begeisterung und sogar Neid verleitet hat, ist hier noch nicht erwähnt worden. Es ist ist ein historischer Roman von ungeheuerlicher »Heutigkeit« (man verzeihe diesen Ausdruck). Der vollständige Titel ist ein wenig unhandlich:

Der Eine und Einzige Wahre und Autoritative, Historisch Genaue und Amtlich Anerkannte Bericht über den Erstaunlichen Aufstieg, das Gottesfürchtige Leben, sowie die Heroischen Taten und Wunderbaren Leistungen des David ben Jesse, Königs von Juda während Sieben und beider Juda und Israel während Dreiunddreißig Jahren, des Erwählten GOttes und Vaters von König Salomo.

Kurz: Der König David Bericht.

Es erzählt der Historiker und Schreiber Ethan ben Hoshaja, der eines Tages unverhofft zu König Salomo zitiert wird – zwecks einer besonderen königlichen Gnadenbezeugung, die ihn freilich auch Kopf und Kragen kosten könnte…


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Die Erfindung des Zweifels

Montag, den 20. Oktober 2008

Nikos Panajotopoulos: Die Erfindung des Zweifels
Nikos Panajotopoulos
Die Erfindung des Zweifels (Reclam)

Für all jene, die sich Abend für Abend in das ungemachte Bett des Zweifels legen…

••• Bei unserem ersten Treffen hat meine Agentin mir einen Roman vermacht: »Die Erfindung des Zweifels« von Nikos Panajotopoulos. Es handelt sich um die Lebensbeichte und gleichzeitig das letzte Werk – eines Autors.

Der Roman spielt in der nicht zu fernen Zukunft. Der Genetiker Albert Zimmerman hat einen Test entwickelt, der eindeutig literarisches (und später allgemein künstlerisches) Talent nachweist. Bei der Vorstellung seiner Forschungsergebnisse wird der Wissenschaftler belächelt. Binnen kurzer Frist verändert der Test dennoch vollständig das literarische Geschehen und den Buchmarkt. Verlage bringen nur noch Bücher von so genannten »Bestätigten«, Autoren also, die positiv getestet wurden. Die sterblichen Überreste diverser bereits verblichener Autoren werden exhumiert, um auch sie posthum zu »bestätigen« oder zu »annullieren«. Der Beruf des Kritikers stirbt aus, denn es gibts nichts mehr zu kritisieren. Die Autoren, die sich beharrlich weigern, sich testen zu lassen, gründen die Selbsthilfegruppe AA (Anonyme Autoren). Mütter lassen ihre Babies bereits im Embryonalstadium testen und versteigern im Positivfall die zu erwartenden künftigen Meisterwerke ihrer noch ungeborenen Wunderkinder an die Verlage.

James Wright, der Autor, der hier seine Lebensbeichte abliefert, hat sich geweigert. Er ist ein AA ohne Chancen auf Veröffentlichung – und das, obgleich er bereits zwei sehr erfolgreiche Bücher vorgelegt hat. Worin die Beichte auf dem Totenbett besteht? Wrights Ruhmsucht verführt ihn, sich bei einem der wenigen verbliebenen großen Verlage zu verdingen – als Ghostwriter für ein Wunderkind, das an Schreibhemmung leidet…

Komposition und Stil dieses Romans bieten keine Überraschungen. Mit der Geschichte und ihren Implikationen sind die 180 Seiten jedoch kurzweilig gefüllt. Ich habe sie gern gelesen und kann den Roman nur allen zur Lektüre empfehlen, denen Wright seine Beichte widmet: »Für all jene, die sich Abend für Abend in das ungemachte Bett des Zweifels legen…«

Don Quijote

Dienstag, den 9. September 2008

Don Quijote - Gemälde aus dem Cultural Center, Tijuana
Don Quijote – Gemälde aus dem Cultural Center, Tijuana

••• Literatur ist gefährlich. Cervantes hat die unsäglichen Auswirkungen insbesondere des Lesens von Ritterromanen im »Don Quijote« eiundrücklich beschrieben.

Was zu Zeiten von Cervantes die Ritterromane, sind heute wohl Filme. Seit letzter Woche und noch bis Mittwoch findet in München das 22. »Fantasy Filmfest« statt. Für unseren Babysitter bedeuten diese Filmfeste immer Überstunden. Ich schaffe es nie, mir so viele Streifen anzusehen wie die Herzdame. Aber in den letzten Tagen habe ich sie immerhin in zwei Double Features begleitet. Was es zu sehen gab, kann man bei Snowflakes & Blackvampires nachlesen.

Nach dem gestrigen Double Feature muss ich wohl wieder ein paar Tage mit der »Leinwand« aussetzen… Das gibt mir immerhin die Gelegenheit, Cervantes und seine Mahnung zu zitieren.

In Kürze erscheint nämlich bei Hanser eine Neuübersetzung des »Don Quijote« von Susanne Lange. Ein Auszug war demletzt im Akzente-Heft 4/2008 zu lesen. Ich habe meine Quijote-Ausgaben (Tieck) bereits entsorgt, abgesehen von einer wirklich zu schön illustrierten Großbuchausgabe, die man allein der Bilder wegen aufheben muss. Aber lesen muss man den Tieck nicht mehr. Mit der neuen Lange-Übersetzung dürfte die Lektüre zu einem unvergleichlich größeren Vergnügen werden.


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Meere

Dienstag, den 26. August 2008

Alban Nikolai Herbst: Meere (Roman) ••• Ich komme kaum zum Lesen im Moment, jedenfalls nicht zu eigener Lektüre, also Stöbern in Büchern, die nicht gerade im Entstehen wären. Eine Ausnahme musste ich machen. Zu lange habe ich auf einen Roman von Alban Nikolai Herbst gewartet. Sie sind definitiv schwerer zu bekommen als zu lesen, so viel steht fest.

Herbsts Roman „Meere“ hatte, als er letztes Jahr im axel dielmann verlag erschien, bereits eine Odyssee hinter sich. Die Originalausgabe wurde kurz nach Erscheinen per einstweiliger Verfügung vom Markt gedrängt. Später gaben Gerichte einer Klägerin, die sich in „Meere“ allzu deutlich erkennbar porträtiert sah, Recht: Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts sei gegeben und das Buch vom Markt zu nehmen. So etwas ist für Autor und Verlag eine Katastrophe. Glücklicherweise konnte Herbst mit einigen Änderungen am Text eine Wiederfreigabe erreichen, so dass der Roman seit November letzten Jahres wieder als Buch vorliegt.


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George Orwells Tagebücher online

Freitag, den 8. August 2008

George Orwell (1903-1950)
George Orwell (1903-1950)

What I have most wanted to do… is to make political writing into an art.

George Orwell

Zweimal jährlich wird in Großbritannien der Orwell Price vergeben, je einmal in den Kategorien Buch und Journalismus. Ausgezeichnet werden sollen journalistische oder belletristische Veröffentlichungen, die nach Meinung der Jury am besten Orwells Vorstellung umsetzen, politisches Schreiben in Kunst umzusetzen.

Ab dem 9. August 2008 kann man sich auf der Website des Orwell Price online ein eigenes Bild vom Autor George Orwell machen, und zwar anhand seiner persönlichsten Texte: den Tagebüchern. Der besondere Reiz dieser Online-Veröffentlichung besteht darin, dass die Tagebucheinträge jeweils exakt zum Datum 70 Jahre nach ihrer Niederschrift präsentiert werden.


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Über Schildkröten

Dienstag, den 22. Juli 2008

Riesenschildkröte (Südafrika)
Riesenschildkröte (Südafrika) – gefunden auf www.kapstadt.org

••• Die Ausgabe 6 von spa_tien ist gestern online gegangen. Unter den Beiträgen in diesem Heft hat mich eine Geschichte regelrecht erobert: „Schwarze Galle“ von Ursula T. Rossel Escalante Sánchez, Turmseglern auch unter dem Nicknamen La Tortuga bekannt. Ich denke, das darf man enthüllen, denn La Tortuga betätigt sich ja auch öffentlich als Vorsteherin (Direktorin, Hauptbeamtin, wie nennt man das?) des Postamts von Kangerlussuaq, wo sie sich auch namentlich zu erkennen gibt.


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