Archiv der Kategorie 'Prosa'

Windschatten

Dienstag, den 30. Dezember 2008

••• Ich habe durchgehalten und alle 550 Seiten von »Im Schatten des Windes« von Carlos Ruiz Zafón gelesen. Als ich das Antichrist-Zitat brachte – grad erst um Seite 120 herum – war ich schon im Grübeln: Was treibt der Mann eigentlich und warum? Zu Ende gelesen habe ich dann aus rein technischem Interesse. Was macht heute einen Millionen-Seller aus?

Zunächst war ich angenehm überrascht. Zafón beherrscht sein Handwerk, schwingt sich – wenn auch nur auf den ersten ca. 150 Seiten – immer wieder zu sprachlich wunderbaren Passagen auf. Die Auftaktidee ist wundervoll, die »Bibliothek der vergessenen Bücher«. Barceloneser Antiquare bewahren in ihr je ein Exemplar aller Bücher auf, die vergessen wurden, verdient oder unverdient. Der Protagonist darf sich, als sein Vater ihn in das Geheimnis der Bibliothek einweiht, ein Buch aussuchen, um es zu lesen und so dem Vergessen zu entreißen.


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Capote macht glücklich

Donnerstag, den 27. November 2008

Truman Capote (1980) - Foto: © Jack Mitchell
Truman Capote (1980) – Foto: © Jack Mitchell

Jack Mitchell fotografierte Truman Capote in seinem United Nations Plaza Apartment in Farbe und Schwarzweiß für das Chicago Tribune Magazine. Als Mitchell Capote fragte, warum die künstlichen Calla-Lillien in einer Vase im Wasser stünden, antwortete Capote: »Um sie echt aussehen zu lassen, natürlich!«

Craig B. Highberger

••• Die Herzdame hat es längst gewusst und mir vor Jahren schon gesagt: Capote muss man gelesen haben. Hätte ich das nur gleich beherzigt. Seit wir gemeinsam den Capote-Film (»Infamous« mit dem für diese Rolle Oscar-prämierten Toby Jones als Capote, traumhaft!) gesehen haben, will ich »In Cold Blood« lesen. Dazu gekommen bin ich noch nicht. Aber immerhin habe ich nun einen Anfang gemacht und lese mit anhaltend irr-verzücktem Gesichtsausdruck »Frühstück bei Tiffany« in der Übersetzung von Heidi Zerning.


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Das TamTam Grand Hotel

Montag, den 17. November 2008

Markus A. Hediger: »Das TamTam Grand Hotel« (Erzählung)

••• Endlich ist es da, das neue Buch von Markus A. Hediger. Sein »TamTam Grand Hotel« ist eine lang geratene Erzählung oder ein kurz geratener Roman, Komplement zu seinem in der edition neue moderne erschienenen »Krötenkarneval«.

Kein Buch wird seinem Schöpfer geschenkt. Für das »TamTam« gilt das auch und besonders. Ich war Zeuge des Prozesses, in dem Markus sich diesen autobiographisch inspirierten Text erarbeitet hat. Wir begegnen im »TamTam« einer Figur wieder, die in Markus‘ Weblog schon öfter aufgetreten ist: Mandrake, Privatdetektiv in Rio, eine Figur des brasilianischen Autors Rubem Fonseca, die Markus A. Hediger (im Leben wie im Buch) für eigene Kriminalerzählungen adoptiert hat.

Mandrake wurde eines Tages eingemottet und Jahre später, gemeinsam mit der Familie, nach Brasilien umgesiedelt. Dort konnte er sich dummerweise befreien und einen Racheplan schmieden und in die Tat umsetzen, der sich gegen jenen Mann richtet, der ihn herzlos in die Schachtel verbannt hatte.

Fantastisch geht es zu in dieser Erzählung und grundehrlich. Der Autor erspart sich nichts. Der Leser darf die Auswirkungen einer Identitätskrise beobachten, um am Ende überrascht zu schlucken…


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Ignoranz

Montag, den 10. November 2008

Es fällt mir immer schwerer, mich selbst ernst zu nehmen. Heute scheint mir, dass ich immer dann, wenn ich etwas über die Menschen und das Leben im Allgemeinen gelernt zu haben glaubte, lediglich meine unveränderliche Ignoranz in eine neue Form gegossen habe […]

Stephen Vizinczey, aus:
»Wie ich lernte, die Frauen zu lieben«

Die Glasglocke

Sonntag, den 2. November 2008

Sylvia Plath
Sylvia Plath (1932-1963)

Sylvia Plath: Die Glasglocke (auf amazon.de)

Es war ein verrückter, schwüler Sommer, in dem die Rosenbergs auf den elektrischen Stuhl kamen und ich nicht wußte, was ich in New York eigentlich wollte. Bei dem Gedanken an Hinrichtungen wird mir immer ganz anders. Die Vorstellung, auf den elektrischen Stuhl zu kommen, macht mich krank, aber in den Zeitungen war von nichts anderem die Rede – glotzäugige Überschriften, die mich an jeder Straßenecke und an jedem muffigen, nach Erdnüssen riechenden U-Bahn-Schlund anstarrten. Es hatte nichts mit mir zu tun, und trotzdem ließ mich die Frage nicht los, wie es wäre, die Nerven entlang bei lebendigem Leib zu verbrennen.

Ich dachte, es müsste das Schlimmste auf der Welt sein.


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Ruth Klüger über Germanisten

Dienstag, den 28. Oktober 2008

Die Welt der Germanisten ist klein. In Amerika, wo die Germanistik immer mehr zu einem Orchideenfach schrumpft, ist sie so klein, daß jeder jeden kennt, der irgendwann einen Aufsatz geschrieben hat. Literaturwissenschaftler sind von Haus aus geschwätzig und tratschen gern. Kein Wunder, läßt sich doch die ganze Literatur als ein großer Tratsch bezeichnen, mit fast nichts anderem als Liebesaffären und gewaltsamen Todesfällen, Unzucht und Verrat, Opfermut und Feigheit, alles groß angelegt und herzerhebend. Diese Feststellung wird meist etwas betreten aufgenommen, aber zum Widerspruch reicht der Widerstand kaum. Das Beweismaterial ist zu umfangreich.

Ruth Klüger, aus:
»unterwegs verloren«,
Paul Zsolnay Verlag 2008

••• Die Herzdame war gestern im Münchner Literaturhaus bei einer Lesung von Ruth Klüger und schickt mir eben dieses Juwel der Germanismusbetrachtung zu. Sehr geschmunzelt. Danke.

Zehn Seiten

Samstag, den 25. Oktober 2008

zehnseiten.de Intro

••• Nur ein paar Schritte von meiner Wohnung entfernt sitzt die Redaktion von zehnseiten.de. Bei dieser Site handelt es sich um ein ansprechend gestaltetes Portal für gelesene Literatur. Die Autoren selbst lesen bis zu zehn Seiten aus einem ihrer Werke. Das Video wird auf zehnseiten.de präsentiert. Wer also zu faul ist, die Wohnung zu verlassen, um eine Lesung zu besuchen…