Archiv der Kategorie 'Poetik'

over the bones

Mittwoch, den 14. März 2007

••• Was ist schon das Schlachtfeld der Liebe gegen das Schlachtfeld der Kindheit?

In manchen Biographien findet der totale Krieg bereits in den ersten Jahren statt, so dass alles Folgende nur als Scharmützel erscheint. Von solchen Kämpfen berichtet Susanne Englmayer auf „over the bones“. Das sind Geschichten, die man so schnell nicht vergisst, Geschichten, die tiefste Verletzungen schildern wie im Vorbeigehen.

Sie spielen Vater Mutter Kind. Meistens im Sommer. Decken sind auf der Wiese ausgebreitet. Stellen die Wohnungen dar. Bunte Flecken im Grün. Das Spiel ist einfach. Man legt sich schlafen. Steht wieder auf. Der Vater verläßt die Wohnung. Essen wird gekocht. Kinder versorgt. Ab und zu gehen die Mütter einkaufen. Bis an den nächsten Hauseingang. Der ist das Geschäft. Die Decken bleiben dann verlassen. Für eine Weile. Aber nicht lange. Die Jungs spielen die Väter. Viel haben sie nicht zu tun. Sie kommen nach Hause, um sich auf der Decke auszustrecken. Nach einer Weile stehen sie wieder auf. Beeilen sich, den Ort der Handlung zu verlassen. Sie warten dann abseits und spielen Karten. Autoquartett. Oder kritzeln mit geeigneten Steinen großflächig auf den Fußwegen rum. Die jüngeren Geschwister, die, auf die die Mädchen aufpassen müssen, jeden Tag, zwei Stunden lang, sind die Kinder. Sie haben den angenehmsten Part. Dürfen jammern und quengeln. Dürfen wieder Babys sein. Auch wenn sie schon größer sind. Dürfen sich tragen und ziehen lassen. Dürfen allen auf die Nerven gehen. Besonders den Mädchen.

Susanne Englayer - Lucas (Roman)Harmlos beginnt Susanne Englmayers Geschichte „Camouflage“, um unvermittelt und drastisch die Perspektive zu wechseln vom Idylle konservierenden Spiel hin zum realen Kriegsgeschehen eines Familienlebens, das im Spiel auf der Sommerwiese nicht vorkommt.

Ich erinnere mich an eine Kindheitsfreundin, die ich sehr mochte. Auch sie wollte immer Familie spielen. Sie nannte es allerdings anders: Lass uns Ehekrach spielen! Dabei leuchteten ihre Augen. Sie lebte allein mit ihrer Mutter. Ich sollte sie lieber nicht zum Geburtstag einladen, meinte meine Mutter. Sie sei so ungezogen, so laut. Wenn wir spielten, schrie sie mich an. Ich wollte sie eigentlich immer umarmen. Aber, so muss sie wohl gemeint haben, das kommt in Familien nicht vor. In den von Susanne Englmayer geschilderten sicher nicht. In denen ist der Krieg alltägliche Realität.

Unter der Überschrift „selbst bewußtsein“ schreibt die Autorin:

‚over the bones‘ will nicht viel, nur ein paar geschichten erzählen, auf die eine oder andere art. dabei wird kaum aufwand betrieben, wenig überarbeitung im vorfeld und noch weniger korrektur in der nachbearbeitung. tipfehler und grobe unstimmigkeiten erlaube ich mir allerdings jederzeit abzuändern.

ist es also literatur? oder nur gerede, geplauder? wir werden sehen.

Gerede, Geplauder? Sowas macht keine Gänsehaut. Aber soll sie nur weiter „plaudern“. Camouflage ist nicht die einzige lesenswerte Geschichte auf diesem Autoren-Blog, das also ganz schnell „Auf die Rolle“ kommt.

PS: Nein, ich bin noch nicht am Ende mit Pablo Neruda

Gut bewahrt

Dienstag, den 13. März 2007

Feet and Balls in Light - © 2007 ~v1ntage@deviantart.com

Unterm Teppich bewahrst du
mein zerrissenes Foto
und knetest
auf deinen Wegen
von Tür zu Tür
auf dass auch ja nichts vergehe
mein hartes Herz

© Benjamin Stein (2007)

••• Frau Schimmerschnecke, bei der ich mir immer wieder gern ein Stück Erinnerung an „Sex and the City“ hole, hat ein Foto zerrissen. Unterm Teppich plaziert, sei das ein grossartiges Mittel gegen Liebeskummer.

Da fiel mir grad eben diese kleine Erwiderung ein…

PS: Um Missverständnissen vorzubeugen. Frau Schimmerschnecke und ich sind uns im 1st Life vollständig unbekannt.

Schlafender Kampfpapagei

Freitag, den 2. März 2007

••• Seit einiger Zeit versorgt Farlion die deutschsprachigen Blogfreunde mit Leseempfehlungen. Da war bislang schon manche interessante Entdeckung dabei. Heute allerdings wird es monströs: Hakenkreuz als Favico, Bomberjackenauftritt mit Heilsgrussandeutung und der Ku Klux Klan beim Riesenradfahren (vor oder nach dem Lynchausflug?).

Trägt der Kampfpapagei eine schwarze Uniform? Oder hat er einfach geschlafen? Ich jedenfalls brauche sowas weder zum Frühstück noch zu einer anderen Tages- oder Nachtzeit und reagiere ganz undifferenziert mit Farlion::unsubscribe.

Bodenständig

Dienstag, den 20. Februar 2007

••• Nachdem mir letztens Madame Modeste eine Portion Heimweh verpasst hat, habe ich mich ja – wie im Beitrag angekündigt – durch die Blogrolls dieser sehr literarischen Community gehangelt und schliesslich den Überblick verloren, von wem ich zu wem gekommen bin. Insofern kann ich meinen Weg zur Bodenständigkeit nicht mehr nachvollziehen. Den zur neuen Bodenständigkeit hingegen schon. Ich kam von der Bodenständigkeit geradenwegs zur neuen Bodenständigkeit, denn die sind irgendwie verwandt, verbandelt ein bisschen artähnlich, aber doch nicht zu sehr.


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Heimweh

Sonntag, den 11. Februar 2007

Wasserturm Prenzlauer Berg Berlin Germany••• Fast auf den Tag zwölf Jahre ist es her, dass ich mit einem Computer, einem Koffer und ein paar Kisten in München angekommen bin. Die ersten drei Jahre habe ich in Sklaverei verbracht. Ich ging um 9 in die Redaktion, kam gegen Mitternacht nach Hause, sah mir die Nachtwiederholung der täglichen Startrek-Folge an und fiel ins Bett. Die Wochenenden verbrachte ich meist auch im Büro oder flüchtete nach Berlin, woher ich gekommen war.

Von München habe ich nichts mitbekommen. Und überhaupt: Das war ja alles nur vorübergehend, und früher oder später würde ich wieder zu Hause sein. Selbst, als ich meine spätere Frau kennengelernt hatte, fuhren wir nach Berlin und spähten einige Strassenzüge aus, in denen sich wohnen liesse.


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