Archiv der Kategorie 'Lyrik'

שיר השירים

Dienstag, den 26. Januar 2010

Heaven forbid that any man in Israel ever disputed that the Song of Songs is holy. For the whole world is not worth the day on which the Song of Songs was given to Israel, for all the Writings are holy and the Song of Songs is holy of holies.

Rabbi Akiva in Mishnah Yadayim 3:5

••• Bevor ihr die folgende deutsche Übertragung des ersten Kapitels des »Liedes der Lieder« lest (andere gibt es übrigens hier) und bevor ihr die Interpretation in sfardischem Stil anhört, lohnt sich ein Blick in den Wikipedia-Artikel zum »Song of Songs«. Dass Rabbi Akiva sich so enthuastisch über diese Dichtung geäußert hat, hat sicher etwas damit zu tun, dass er Mystiker war.

Aufgestöbert hat die Aufnahme natürlich die Herzdame. Die übrigen 7 Kapitel sind hier zu finden.


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Sandemose

Dienstag, den 19. Januar 2010

Inger Christensen, Foto: EPA
Inger Christensen • Foto: EPA

Die sonne steht tief in dem kleinen jahr
der farn grübelt über dunkel
der mutige pfad ist verschwunden
das große haus ist nur holz
in der täfelung raschelt ein feind

Der stuhl läßt dich sitzen
der tisch läßt dich sitzen
das brot läßt dich stehen
die kleinen kerne der wörter
die kerne der menschenleiber
mahlen und zermalmen deine hand
deinen geist
der feind raschelt

Briefe gären hinter alter täfelung
das mehl murmelt im munde
der holzwurm ritzt sich voran
dein hirn sprengt seine zeit
der feind ist los

Die wände stehlen sich weg
das werkzeug stiehlt sich weg
die uhr stiehlt sich in stillstand

sie haben einen spaziergang gemacht
dein stuhl und dein tisch
sie brüten alte
gierige wörter aus
hoch im schneeweißen gebirg

Du bist auf dem wege

Inger Christensen (1935-2009)

••• Inger Christensen? Habe ich gar nicht mitbekommen. Nicht, während sie lebte. Und nicht, dass sie im Januar letzten Jahres gestorben ist – ohne den Nobelpreis bekommen zu haben, für den sie jahrelang im Gespräch gewesen ist. Um solche Wissenslücken zu schließen, gibt es glücklicherweise das »Poesiealbum«. Im Heft 285 wird die dänische Lyrikerin mit einer kleinen Auswahl vorgestellt.


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… ist es dann gut?

Montag, den 18. Januar 2010


Ulli Janetzki liest Gottfried Benn

Einst

Einst, wenn der Winter begann,
du hieltest von seinen Schleiern,
den Dämmerdörfern, den Weihern
die Schatten an.

Oder die Städte erglommen
sphinxblau an Schnee und Meer -,
wo ist das hingekommen
und keine Wiederkehr.

Alles des Grams, der Gaben
früh her in unser Blut -:
Wenn wir gelitten haben,
ist es dann gut?

Gottfried Benn (1933)

••• Ulli Janetzki, seit Urzeiten (möchte man sagen, ohne ihm zu nahe treten zu wollen) Hausherr im Literarischen Colloquium Berlin, hat sich kürzlich überrumpeln lassen. Da zückte einer die Kamera und bat ihn, ein paar Benn-Gedichte zu lesen. Es freut mich diebisch, dass mir das gleich jemand zugetragen hat, denn ich erinnere mich noch lebhaft an Ulli Janetzkis Rezitation von Richard Dehmels »Gerte« (Ich habe dich Gerte getauft, weil du so schlank bist / und weil mich Gott mit dir züchtigen will) und natürlich auch an jeden einzelnen Besuch in jener traumfhaften Villa am Wannsee, damals wie heute ein Ort, der für literarische Veranstaltungen wie geschaffen ist.


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Beschleunigte Einblicke

Mittwoch, den 6. Januar 2010

Charlotte Grasnick
Charlotte Grasnick (1939-2009)

••• Kaum habe ich mir für das neue Jahr ein wenig Beschleunigung gewünscht, schon bekomme ich sie. Die letzten drei ereignisreichen Tage habe ich in Berlin verbracht, um mit Ulrich Grasnick und Verbrecherei-Verleger Jörg Sundermeier über mein noch ausstehendes Nachwort zu Charlotte Grasnicks »Gesammelten Gedichten«, Gestaltungsdetails und Termine (!) zu sprechen. Außerdem stand ein Besuch im Atelier von Prof. Dieter Goltzsche auf dem Programm, der uns angekündigt hatte, wir würden aus einem großen Angebot neuer Zeichnungen zu Charlottes Gedichten unsere noch benötigten 10 Blätter für den Band auswählen können.


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Menschen getroffen

Mittwoch, den 23. Dezember 2009

Gottfried Benn - Arzt und Schriftsteller, Quelle: Bundesarchiv
Gottfried Benn – Arzt und Schriftsteller • Quelle: Bundesarchiv

Ich habe Menschen getroffen, die
wenn man sie nach ihrem Namen fragte,
schüchtern – als ob sie gar nicht beanspruchen könnten,
auch noch eine Benennung zu haben –
»Fräulein Christian« antworteten und dann:
»wie der Vorname«, sie wollten einem die Erfassung erleichtern,
kein schwieriger Name wie »Popiol« oder »Babendererde« –
»wie der Vorname« – bitte, belasten Sie Ihr Erinnerungsvermögen nicht!

Ich habe Menschen getroffen, die
mit Eltern und vier Geschwistern in einer Stube
aufwuchsen, nachts, die Finger in den Ohren,
am Küchentisch lernten,
hochkamen, äußerlich schön und ladylike wie Gräfinnen –
und innerlich sanft und fleißig wie Nausikaa
die reine Stirn der Engel trugen.

Ich habe mich oft gefragt und keine Antwort gefunden,
woher das Sanfte und das Gute kommt,
weiß es auch heute nicht und muß nun gehen.

Gottfried Benn (1886-1956)

••• An dieses Gedicht von Gottfried Benn erinnerte Shafik Naz im Dezember in seinem Lyrikkalender. Und Undine Materni sandte es mir per Mail mit einem wunderschönen Jahresendgruß, den ich gern – wie schon letztes Jahr – an die Turmsegler weiterleite. So wünsche ich Euch also allen mit Undines Worten »einen magischen Moment jenseits der raschelnden Geschenkpapiere und vollen Teller …«