Archiv der Kategorie 'Lyrik'

an einen ungenannten

Sonntag, den 3. Juni 2007

ich höre daß du in diesem jahr wieder
zwischen diesen hügeln unter diesem eisernen licht
dahingingst
dahingingstwie rimbaud mit einer frau in diesem sommer
der den unsern schon so fern ist daß du nicht die namen
verstehen könntest die ich den hügeln gebe wenn
ich versuche mich zu erinnern

über das gras ist der stein gekommen
zu scharfe regen über die bäume
und ein roter rauch in dem das licht sich ändert
wie um sie umzudeuten die namen
an denen man sich in einem exil besäuft

name die der immer gleiche finger
auf einem papier verreibt das sind die dokumente
dieser zeit
dieser zeit– hoffen wir es bliebe in der atemluft
ein geruch nach verbranntem –

© Wolfgang Hilbig (31. 08. 1941 – 02. 06. 2007)

••• Wolfgang Hilbig ist tot. Er starb gestern in Berlin. Zu früh. So ist das immer. Es ist nicht leicht zu erklären: Für mich ist mit ihm ein Stück meiner ohnehin verlorenen Heimat gestorben, des kleinen Landes, aus dem ich komme, nach dem ich mich keine Sekunde zurücksehne, das aber doch Heimat war. Wie Hilbigs Gedichte.

Der Rhythmus

Freitag, den 1. Juni 2007

Die Uhr hat unter Keuchen zwölf geschlagen
im Nachbarsaal, der finster ist und leer;
die Augenblicke, das Sekundenheer,
das ins Vergessen eilt mit unsren Tagen,

jagt wieder weiter, achtet nicht der Klagen
und prägt das Muster neu im Zeitenmeer;
vom Rhythmus – träumerisches Ungefähr
laß ich mich neu dem Ziel entgegentragen.

Die Augen öffnen sich, das Licht ist grell,
ich hör mein Herz in seinem Weiterschreiten
und dieser Zeilen abgemeßnes Gleiten,
die Sphärenharmonien klingen hell.

Uns treibt der Rhythmus. Ziellos sind die Weiten!
Doch ohne ihn erstürb‘ das Leben schnell.

Ivan Bunin (1912)

••• Und dank Hilbi hier eine lyrische Ergänzung zum letzten Beitrag. Ich kann ja nichts dafür: Schon wieder ein Sonett!

Gereimtes Versmass

Mittwoch, den 30. Mai 2007

••• Heute steht Leserverschickung auf dem Programm. Aber nicht ins Landschulheim wird verschickt, sondern nach nebenan, ins Arbeitsjournal von Alban Nikolai Herbst. Gestern nämlich stand auf seinem Programm wieder mal eine Variation der Sonettenform, und zwar eine, die ich originell finde.


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bleierne wasser

Sonntag, den 27. Mai 2007

Listen to Water © 2004-2007 by Keizie

Listen to Water © 2004-2007 by Keizie@deviantart

seltsam verkleidet kehren
die sommer der kindheit
zurück in die stadt
meine kinder führen
mich plappernd umher
über asphaltwege
unter flirrender luft
schwappen bleierne wasser
in meine augen
und schwemmen das gras
das wuchernde gras und die disteln
aus meinem kopf / aus den höhlen
und füllen mich
aus

© Benjamin Stein (2007)

Autorenbesuch

Donnerstag, den 24. Mai 2007

••• Zu den schönsten Momenten meines Bloggerdaseins gehört es, wenn Autoren, die hier besprochen wurden, höchstselbst dem Turmsegler einen Besuch abstatten und dabei auch noch einen Kommentar hinterlassen. In der Debatte um die Übersetzungen der Shakespeare-Sonette hat sich nun Christa Schuenke zu Wort gemeldet. Ich werde es mir nicht nehmen lassen, Sie nach ihrer Meinung zur Weinert-Übertragung der Sonette zu befragen. Die Grundannahmen beider Übersetzer sind ja sehr unterschiedlich…

Nachtrag: Es sieht so aus, als würde Christa Schuenke sich zu einem Gastbeitrag hinreissen lassen. Aber es kann ein paar Wochen dauern, sagt sie. Ich warte gern…