Archiv der Kategorie 'Lyrik'

Orakel Nummer April eins

Dienstag, den 2. Oktober 2007

… und unsere eigenen Traurigkeiten werden wir nicht mehr alleine ertragen müssen, in den Gefahren der Novembernachmittage, an einem Fenster. Stoßen wir an auf deine verfrühte Ankunft, Liebste; alles bewegt sich wieder.

••• Hans-Eckardt Wenzel, von dem ich letztens ein Gedicht aus seinem Band „Antrag auf Verlängerung des Monats August“ brachte, dieser Hans-Eckardt Wenzel hat mich beim Wiederlesen nach vielen Jahren wirklich angenehm überrascht, ja sogar begeistert.

Seine Lyrik scheint mir – und das meine ich keineswegs abwertend – durch und durch DDR-Dichtung. Natürlich jenseits der Propagandareime! Optimismus und Utopie begegnen einem, wenn auch der Band – Wenzel merkt es selbst an – von Melancholie durchzogen ist. Und es hat auch: eine ungeheure Menge Welt. Aus intimen Momenten spinnt Wenzel seine poetischen Fäden in die zeitliche und räumliche Ferne. Das erinnert mich an manches aus den Lyrikwerkstätten der frühen achtziger Jahre.

Ich kann den Band – wenn er sich noch auftreiben lässt – nur empfehlen. Wenzel ist vielseitig – in den Themen wie in den Formen. Ein Beispiel hierfür sind die beiden Prosagedichte aus dem erwähnten Band: Orakel Nummer April (eins und zwei). Die poetischen Kurzstücke der Piratin kamen mir in den Sinn, aber auch das von mir erst spät entdeckte Prosagedicht „Die Nacht des Soldaten“ von Pablo Neruda.


Den ganzen Beitrag lesen »

Geschwindigkeitskontrolle

Mittwoch, den 26. September 2007

Tachometer

Ich spreche zu schnell. Ich verschlinge
Die Mahlzeiten. Auch die Zahl
Am Tachometer ist ungesetzlich. Ich bin
Ein schlechtes Beispiel. Ich lebe gern.

Um Verzeihung bitt ich für meine Hast,
Wenn die Schwalben aufbrechen oder Freunde
Verdächtigt werden, um Vergebung
Bitt ich euch für all die Niederlagen,
Die sich mit mir zu Tisch setzen,
Für die Verzweiflung über uralte Geschichten,
Die ich in zwei Minuten aufklären möchte.


Den ganzen Beitrag lesen »

nicht angerührt

Dienstag, den 25. September 2007

Got the key? - © 2006-2007 by Hadiya@deviantart.com

Got the key? – © 2006-2007 by Hadiya@deviantart.com

seit jahren hängen
die schlüssel im bund
an einem haken
neben der tür

du hast sie nicht angerührt

jetzt schließe ich auf
und öffne die tür
weit für dich
damit du nicht anstößt
an den eisenpfosten
wenn du hinaus
gehst

© Benjamin Stein (2007)

Neue Töne

Freitag, den 21. September 2007

Bright Eyes - © 2006-2007 by ~netnit@deviantart.com

Bright Eyes – © 2006-2007 by ~netnit@deviantart.com

Jetzt soll ich dir neue Töne erfinden,
und ich habe doch nur dieses eine Lied.
Ich sing es und rufe, und du antwortest nicht;
und Nebel fällt kalt ins Herz.

So wird es immer bleiben, nicht wahr?
Wir stehen im Herbst,
die Augen weit geschlossen,
und schwanken im Sturm unserer Träume.

© Benjamin Stein (1999)

••• Mir fiel gestern ganz plötzlich der Nebel kalt ins Herz. Und das rief die Erinnerung an diese Zeilen wach. Ich habe den Fliesstext wieder in die ursprüngliche Versform gebracht und das Partizip in der letzten Zeile entsorgt. Mit dem Verb scheint es mir doch stärker.

Scholastikerprobleme

Donnerstag, den 20. September 2007

Needle - © 2005-2007 by  ~abyssmalwind@deviantart.com
Needle – © 2005-2007 by ~abyssmalwind@deviantart.com

I

Wieviel Engel sitzen können
auf der Spitze einer Nadel –
wolle dem dein Denken gönnen,
Leser sonder Furcht und Tadel!

„Alle!“ wirds dein Hirn durchblitzen.
„Denn die Engel sind doch Geister!
Und ein ob auch noch so feister
Geist bedarf schier nichts zum Sitzen.“

Ich hingegen stell den Satz auf:
Keiner! – Denn die nie Erspähten
können einzig nehmen Platz auf
geistlichen Lokalitäten.


Den ganzen Beitrag lesen »