Archiv der Kategorie 'Lyrik'

Buch, gib mich frei

Dienstag, den 16. April 2013

Buch, so ich dich schließe,
schlag ich das Leben auf.
Ich höre
aus den Türen
abgerissene Rufe.

••• Vor einigen Tagen durfte der Turmsegler mal einem wahren Leseransturm standhalten. Das Interesse des Publikums galt einem »alten« Post über Brechts »Sonett Nr. 19«. Das Gedicht spielte eine Rolle in einer Aufgabe der schriftlichen Abi-Prüfung Deutsch, die letzte Woche anstand. Da musste ich an meinen eigenen Abitur-Aufsatz denken. Ich schrieb damals über Nerudas »Ode an das Brot« (behauptet meine Erinnerung, also wollen wir es mal glauben). Nerudas Oden hatten es mir damals sehr angetan, besonders in der Übersetzung von Erich Arendt, an dessen Gedichten ich mich zur selben (Un-)zeit ebenfalls abarbeitete.

Ich ging also zum Bücherregal, um mir Nerudas »Elementare Oden« zu greifen und darin zu stöbern. Aber ich fand es nicht. Mir fiel auch wieder ein, warum ich es nicht finden konnte, denn ich hatte das Exemplar, in dem ich damals gelesen hatte, noch vor Augen. Es war eines jener in orangefarbene Wachstuchumschläge geklebten Bibliotheksexemplare der Bibliothek in Friedrichshagen, von der Wechsler in der »Leinwand« berichtet.

Keine Neurda-Oden im Haus! Also bin ich online suchen gegangen und dabei auf eine Perle dieser Sammlung gestoßen, die Doppel-»Ode an das Buch«. Ich will es einmal eine Doppel-Ode nennen, denn es gibt zwei »Oden an das Buch«.


Den ganzen Beitrag lesen »

Amerikaner in Paris

Mittwoch, den 12. Dezember 2012

Shakespeare & Co. Bookstore Paris
George Whitmans »Shakespeare & Co. Bookstore« in Paris

Among the visions which my fancies trace
There was one brightest star, one face –
One image from afar filled with syruped grace

Each poem is her heart’s fantasy
Each flower and tree is framed within her memory
Each dream, each midnight, and each dawn
Are garments, thoughts of her put on

Each beam of light from the imperial blue
With her in falls the good
The beautiful
The true

George Whitman (1913-2011)

••• Vor fast genau einem Jahr ist der legendäre Besitzer des legendären Buchladens »Shakespeare & Company« in Paris – George Whitman – gestorben. Geboren in den USA, siedelte er nach Paris über und lernte dort Sylvia Beach kennen, die in der Rue de l’Odéon unter dem Namen »Shakespeare & Company« einen Buchladen ganz besonderer Art betrieb. Spezialisiert auf englischsprachige Literatur, war der Laden nicht nur Geschäft, sondern auch Leihbibliothek und Lesebühne für heutige Berühmtheiten, die damals noch weniger bekannt waren. Whitman gefiel die Idee so sehr, dass er 1951 nach dem Vorbild in der Rue de la Bûcherie einen eignen Laden unter dem Namen »Le Mistral« eröffnete. Der Name bezog sich nicht auf Gabriela Mistral, sondern, glaubt man der Kolportage, auf Whitmans erste Pariser Freundin.


Den ganzen Beitrag lesen »

Und noch zehn Minuten bis Buffalo

Samstag, den 20. Oktober 2012

Niagara Falls
Niagara Falls

••• Gestern von früh bis zum frühen Nachmittag Broterwerb. Die Veranstaltungen hier sind nicht honoriert, das Marketing-Budget knapp. Ich konnte nicht für die ganze Zeit frei nehmen. Deshalb habe ich mein mobiles Büro dabei und saß in meiner Hotelsuite über Sourcecode. Gegen 14:00 Uhr wurden wir von Chad und Joy (zur Zeit Praktikantin bei Open Letter) mit dem Auto abgeholt. Die Lesung in Buffalo war für 19:00 Uhr angesetzt. Wir wollten davor noch einen Abstecher zu den Niagara Falls machen. Auf dem Weg nach Toronto hatten wir die hoch aufsteigende Säule des Niagara-Nebels gesehen. Da wollte ich gern hin.

Niagara Falls
Niagara Falls


Den ganzen Beitrag lesen »

Mother

Mittwoch, den 27. Juni 2012

Just like a wound I carry you
on my forehead, and it never closes.
It doesn’t hurt all time. And my heart
won’t flow out though.
Just sometimes I’m all of a sudden blind and feel
my mouth’s bleeding.

Gottfried Benn (1913)

••• Die letzten Tage habe ich in Finnland verbracht. Es wird noch davon die Rede sein. Am vorletzten Abend saß ich mit Monique Truong und Jarkko Tontti beim Abendessen, und – wie nicht anders zu erwarten bei drei Autoren – ging es im Gespräch auch und vor allem um Literatur. Every page is a letter to your mother – bemerkte Jarkko trocken, und das brachte mich auf Gottfried Benns Gedicht »Mutter«. Ich konnte es auf Deutsch zitieren, aber vor einer Übersetzung ins Englische bin ich dann doch zurückgeschreckt und habe es nun versucht.

Die Übertragungen, die ich auf die Schnelle finden konnte, fangen nicht annähernd die Stimmung des Originals und die Mehrdeutigkeiten ein. Vor allem der Sound, denke ich, muss hier bei der Übertragung erhalten bleiben.

Mit vereinten Kräften sind wir – wie man unten in den Kommentaren nachlesen kann – bei dieser Fassung gelandet:

I carry you just like a wound
upon my brow, that doesn’t close.
It hurts betimes, but though it flows
the heart won’t drain from it to death.
Just sometimes, suddenly, I’m blind and feel
blood in my mouth.

Charlotte Grasnick und José Pablo Quevedo

Mittwoch, den 9. Mai 2012

Charlotte Grasnick und José Pablo Quevedo (2005)
Charlotte Grasnick und der peruanische Dichter José Pablo Quevedo nach einer Lesung in Berlin (2005) • Foto: Ulrich Grasnick (CC BY-SA 3.0)