Archiv der Kategorie 'Lyrik'

Ein Dichter an seine Geliebte

Freitag, den 2. November 2007

Ehrfurchtsvoll hält meine Hand
Traumesbücher ohne Zahl,
Weiße Frau, von Sehnsucht müd
Wie von Brandung grauer Sand:
Und mein Herz ist mehr verblüht
Denn das Horn in Glut der Zeit,
Träumerische weiße Frau
Meine Reime sind bereit.

William Butler Yeats (1865-1939)
Übertragung: Theo Breuer

Edith Maud Gonne MacBride••• Ruf laut, welch bittrer Zorn dein Herz umgibt, doch leis gesteh mir, daß sie dich nicht liebt… So oder doch zumindest so ähnlich sagt es Shakespeare. (Ich kann mich gerade nicht entsinnen, ob es aus dem „Hamlet“ stammt oder aus „Romeo und Julia“ und daher den genauen Wortlaut nicht nachschlagen.) Unglücklich verliebt zu sein, das ist eine undankbare Sache. Und so sträubt sich alles in mir bei dem Gedanken, wir verdankten diese Liebesgedichte Yeats‘ seiner unerfüllten Liebe zur irischen Schauspielerin Edith Maud Gonne MacBride. Der eine ist verliebt und leidet; der Dichter muss sich verlieben und leiden, damit andere Liebende kultiviert leiden können. Was für eine Berufung; drauf gepfiffen!


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Tread softly

Donnerstag, den 1. November 2007

Dasepo Naughty Girls

HAD I the heavens‘ embroidered cloths,
Enwrought with golden and silver light,
The blue and the dim and the dark cloths
Of night and light and the half-light,
I would spread the cloths under your feet:
But I, being poor, have only my dreams;
I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.

William Butler Yeats (1865-1939)

••• Die Herzdame ist noch immer ganz im Asia-Filmfest-Fieber. Und dieses Jahr gebe ich mir auch die volle Dosis. Heute Film 4 und 5. Letzterer – Dasepo Naughty Girls – ist eine sehr schräge Highschool-Musical-Komödie aus Südkorea. Das hört sich nicht nach Poesie an. Hat aber welche. Und es kam sogar Yeats vor – vorgelesen aus einer sehr schönen koreanisch-englischen Ausgabe, in der die Originalversion und die Übertragung nicht auf gegenüberliegenden Seiten gedruckt waren, sondern nach jeder Originalzeile die koreanische Übertragung folgte.

Yeats klingt auch auf Koreanisch. Über den Zufallsfund dieses Gedichtes habe ich mich sehr gefreut.

Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen …

Mittwoch, den 31. Oktober 2007

Ende Oktober 1911

Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen
Und sehen auf die großen Himmelszeichen,
Wo die Kometen mit den Feuernasen
Um die gezackten Türme drohend schleichen.

Und alle Dächer sind voll Sternedeuter,
Die in den Himmel stecken große Röhren.
Und Zaubrer, wachsend aus den Bodenlöchern,
In Dunkel schräg, die einen Stern beschwören.

Krankheit und Mißwachs durch die Tore kriechen
In schwarzen Tüchern. Und die Betten tragen
Das Wälzen und das Jammern vieler Siechen,
und welche rennen mit den Totenschragen.

Selbstmörder gehen nachts in großen Horden,
Die suchen vor sich ihr verlornes Wesen,
Gebückt in Süd und West, und Ost und Norden,
Den Staub zerfegend mit den Armen-Besen.

Sie sind wie Staub, der hält noch eine Weile,
Die Haare fallen schon auf ihren Wegen,
Sie springen, daß sie sterben, nun in Eile,
Und sind mit totem Haupt im Feld gelegen.

Noch manchmal zappelnd. Und der Felder Tiere
Stehn um sie blind, und stoßen mit dem Horne
In ihren Bauch. Sie strecken alle viere
Begraben unter Salbei und dem Dorne.

Die Meere aber stocken. In den Wogen
Die Schiffe hängen modernd und verdrossen,
Zerstreut, und keine Strömung wird gezogen
Und aller Himmel Höfe sind verschlossen.

Die Bäume wechseln nicht die Zeiten
Und bleiben ewig tot in ihrem Ende
Und über die verfallnen Wege spreiten
Sie hölzern ihre langen Finger-Hände.

Wer stirbt, der setzt sich auf, sich zu erheben,
Und eben hat er noch ein Wort gesprochen.
Auf einmal ist er fort. Wo ist sein Leben?
Und seine Augen sind wie Glas zerbrochen.

Schatten sind viele. Trübe und verborgen.
Und Träume, die an stummen Türen schleifen,
Und der erwacht, bedrückt von andern Morgen,
Muß schweren Schlaf von grauen Lidern streifen.

Georg Heym (1887-1912)

••• Über dieses Gedicht von Georg Heym bin ich auf den Seiten des Projekt Gutenberg gestolpert. Es handelt sich um ein Digitalisierungsprojekt des „Spiegel“ für literarische Werke, deren Copyright abgelaufen ist. Das Stöbern dort lohnt sich. Man findet immer wieder Perlen.

Die Städte

Dienstag, den 30. Oktober 2007

Georg Heym (1887-1912)
Georg Heym

Der dunkelnden Städte holprige Straßen
Im Abend geduckt, eine Hundeschar
Im Hohlen bellend. Und über den Brücken
Wurden wir große Wagen gewahr,

Zitterten Stimmen, vorübergewehte.
Und runde Augen sahen uns traurig an
große Gesichter, darüber das späte
Gelächter von hämischen rann.

Zwei kamen vorbei in gelben Mänteln
Unsre Köpfe trugen sie vor sich fort
Mit Blute besät, und die tiefen Backen
Darüber ein letztes Rot noch verdorrt.

Wir flohen vor Angst. Doch ein Fluß weißer Wellen
Der uns mit bleckenden Zähnen gewehrt.
Und hinter uns feurige Abendsonne
Tote Straßen jagte mit grausamem Schwert.

Georg Heym (1887-1912)

••• Ganze vierundzwanzig Jahre alt ist er geworden – Georg Heym. Hinterlassen hat er dennoch viel: an die 500 Gedichte, mit denen er dem deutschen Expressionismus den Weg bereitete. Heute vor 120 Jahren wurde er geboren. Und aus diesem Anlass unterbreche ich kurz die Folge über nicht zu Ende gelesene Romane – um an ihn zu erinnern.

Der Müller und der Bach

Dienstag, den 23. Oktober 2007

Ein Gastbeitrag von: lykomedite

Der Müller

Wo ein treues Herze in Liebe vergeht,
da welken die Lilien auf jedem Beet,
da muß in die Wolken der Vollmond gehn,
damit seine Thränen die Menschen nicht sehn;
Da halten die Englein die Augen sich zu
und schluchzen und singen die Seele zur Ruh‘!

Der Bach

Und wenn sich die Liebe dem Schmerz entringt,
ein Sternlein, ein neues, am Himmel erblinkt. –
da springen drei Rosen halb rot und halb weiß,
die welken nicht wieder, aus Dornenreis;
und die Engelein schneiden die Flügel sich ab
und gehn alle Morgen zur Erde herab.

Der Müller

Ach Bächlein, liebes Bächlein, du meinst es so gut;
ach Bächlein, aber weißt du, wie Liebe thut?
Ach unten, da unten, die kühle Ruh‘!
Ach Bächlein, liebes Bächlein, so singe nur zu.

Wilhelm Müller (1794-1827)

••• Vollmond lässt mich dieses wunderschöne Gedicht erinnern, welches ich allerdings nur in vertont textigem Zustand im Kopf habe. Es ist Müllers/Schuberts Dialoglied „Der Müller und der Bach“, die vorletzte Szene aus Schuberts tragischem Liederzyklus „Die schöne Müllerin“. Der Protagonist, ein junger Müller, sucht in seinem Liebesschmerz Trost beim ewigen Lied des Baches, in dem er sein nasses Grab finden wird.


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