Mohn und Gedächtnis
Sonntag, den 25. November 2007Mohn – © Adsy Bernart 2007
DIE Hand voller Stunden, so kamst du zu mir – ich sprach:
Dein Haar ist nicht braun.
So hobst du es leicht auf die Waage des Leids, da war es schwerer als ich…
Sie kommen auf Schiffen zu dir und laden es auf, sie bieten es feil auf den Märkten der Lust –
Du lächelst zu mir aus der Tiefe, ich weine zu dir aus der Schale, die leicht bleibt.
Ich weine: Dein Haar ist nicht braun, sie bieten das Wasser der See, und du gibst ihnen Locken…
Du flüsterst: Sie füllen die Welt schon mit mir, und ich bleib dir ein Hohlweg im Herzen!
Du sagst: Leg das Blattwerk der Jahre zu dir – es ist Zeit, daß du kommst und mich küssest!
Das Blattwerk der Jahre ist braun, dein Haar ist es nicht.
Paul Celan, aus: „Mohn und Gedächtnis“
© Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart (1952)
••• Seit Wochen geht mir diese Zeile im Kopf umher:
… und ich bleib dir ein Hohlweg im Herzen!
Und heute war sie schliesslich der Ausgangspunkt für ein „Selbstporträt als Seraph“. Das freilich hat mit dem Thema des obigen Gedichtes gar nichts zu tun. Aber ich wollte das Gedicht doch bringen, schon um mich selbst später daran zu erinnern, woher der Hohlweg kam.
Das „Selbstporträt“ kann hier erst bringen, wenn ich es noch ein wenig „durchgeatmet“ habe.