Archiv der Kategorie 'Lyrik'

Der Rabe

Dienstag, den 29. Januar 2008

Illustration 11 of Edgar Allan Poe's "Raven" by Gustave Dore (1832-1883)
Illustration 11 of Edgar Allan Poe’s „Raven“ by Gustave Dore (1832-1883)

••• Am 29. Januar 1845 erschien Edgar Allen Poes „Der Rabe“ erstmalig – und zwar im New Yorker „Evening Mirror“. Dieser Jahrestag ist der Herzdame ein Kalenderblatt wert. Und als Zugabe gibt es zwei Videos mit Rezitationen des „Raben“ durch Vincent Price und Christopher Walken.


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liebe sagen

Montag, den 28. Januar 2008

liebe sagen - lyrik aus dem ägyptischen altertum (reclam, cover)
liebe sagen – lyrik aus dem ägyptischen altertum (© Philipp Reclam jun. Leipzig, 1972, 1982)
Umschlagbild unter Verwendung eines Ostrakons aus dem Ägyptischen Museum Berlin

Er:
Einen von sieben Tagen seit gestern
habe ich die Schwester nicht gesehen.

Krankheit befiel mich
schwer wurden meine Glieder
vergessen habe ich meinen eigenen Leib.

Kommen die Oberärzte zu mir
ist mein Herz mit ihren Mitteln
nicht zufrieden.
Die da besprechen
auch durch sie gibt es keinen Weg.
Nicht erkannt wird meine Krankheit.

Doch mir zu sagen:
Siehe, sie ist da — das wäre es
was mich belebt
ihr Name ist’s
was mich erhebt.
Das Kommen und Gehen ihrer Boten
das ist es
was mein Herz lebendig macht.

Viel besser
als alle Medikamente ist die Schwester für mich.
Größer ist sie für mich als das Arzneibuch.
Ihr Dasein ist mein Amulett.

Sehe ich sie
dann bin ich gesund
Öffnet sie ihr Auge
wachsen meine Glieder
Spricht sie
so werde ich stark
Wenn ich sie umarme
verteibt sie das Übel von mir.

Fort ging sie von mir auf sieben Tage.

aus: „liebe sagen – lyrik aus dem ägyptischen altertum“
© Philipp Reclam jun. Leipzig, 1972, 1982
Übertragung: Hannelore Kischkewitz

••• Im alten Ägypten waren Schreibmaterialien noch wertvoll: Papyrus oder Ostraka (Kalksteinscherben). Die Schreiber, beauftragt mit der Verewigung von Verträgen beispielsweise, hinterliessen auf letzteren mitunter Fragmente eigener lyrischer Inspiration und verewigten so ihre Poesie, sich selbst jedoch nicht, denn zumeist blieben sie anonym. Die Person des Dichters (oder der Dichterin!) spielte erst später eine Rolle, und die Verfasser verwiesen mit Versauszügen und ihrer Signatur auf ihr „eigentliches Werk“, das an anderer Stelle zu finden sei und heute verschollen ist. Und es mussten noch mehr Jahre vergehen, bis andere mühsam die Fragmente sammelten, in Zyklen und Anthologien auf Papyrus ordneten und so einem wohlhabenden Publikum zugänglich machten, das Dichtung zu schätzen wusste.


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Bukowski: Oh Yes

Mittwoch, den 9. Januar 2008

••• Eine kleine Reihe von Gedichten Charles Bukowskis im Original gibt es ab heute bei snowflake & blackvampires.

Zürich, Zum Storchen

Samstag, den 22. Dezember 2007

Vom Zuviel war die Rede, vom
Zuwenig. Von Du
und Aber-Du, von
der Trübung durch Helles, von
Jüdischem, von
deinem Gott.

Da-
von.
Am Tag einer Himmelfahrt, das
Münster stand drüben, es kam
mit einigem Gold übers Wasser.

Von deinem Gott war die Rede, ich sprach
gegen ihn, ich
liess das Herz, das ich hatte,
hoffen:
auf
sein höchstes, umröcheltes, sein
haderndes Wort —

Dein Aug sah mir zu, sah hinweg,
dein Mund
sprach sich dem Aug zu, ich hörte:

Wir
wissen ja nicht, weisst du,
wir
wissen ja nicht,
was
gilt.

Paul Celan

••• Diese „Rückspiegel“-Funktion macht mir mitunter richtig Freude. „Was zählt“ taucht heute im Rückspiegel auf. Und Undine Materni schickt mir soeben obiges Celan-Gedicht mit besten Wünschen fürs kommende Jahr.

Da braucht es einen solchen Zufall, um mich darauf aufmerksam zu machen, dass ich mit Celan geplaudert haben muss, als ich in „Was zählt“ schrieb:

Wir wissen ja nicht, was wahr ist,
sagst du. Wir können nur sagen,
was zählt.

Das Unbewusste schreibt. Da sieht mans mal wieder.

Karl Kraus verreisst George

Samstag, den 15. Dezember 2007

Wer die Götter vom Olymp stürzt und dem Dichterkult den Garaus zu machen sucht, das ist der Ikonoklast Karl Kraus, der wohl schwierigste Übersetzer der Shakespeare-Sonette. Der oft beschworene, als Befreiung gefeierte Tod des Autors, bei Karl Kraus findet er statt, lange bevor die Literaturwissenschaft zur öffentlichen Hinrichtung schreitet. Der Kampf um Shakespeare, um den es, wie der Titel seines Rachefeldzuges gegen Stefan George: „Sakrileg an George oder Sühne an Shakespeare?“ vermuten läßt, vermeintlich noch zu gehen scheint, offenbart sich der genaueren Lektüre und vor allem angesichts seiner eigenen Nachdichtung als ein Kampf um die Sprache, als Kampf gegen die Veräußerlichung der Sprache, gegen verblaßte poetische Klischees und sinnentleerte Phrasen einerseits und gegen Stefan George andererseits, den Gundolf als „Erneuerer der Dichtungssprache“ gefeiert hatte. Kraus wird nicht müde, Georges herrschaftliches Verhältnis zur Sprache anzuprangern, das die Sprache in der Form zu bezwingen sucht. George, von Gundolf gepriesen als „Seher und Sager der weltwirkenden Kräfte im lauteren, strengen und schweren Wort“, wird von Kraus abschätzig als Verwörtlicher bezeichnet; gegen Georges eigentümliche Wortprägungen – die für Karl Kraus, der einen wirklichen und zugleich mystischen Zusammenhang zwischen Wort und Ding annimmt, im Treibhaus gezüchtete künstliche Blüten sind, die den Bezug zum Ursprung verloren haben und deswegen lediglich sinnentleerte Ornamente bleiben – zieht er ebenso unerbittlich wie konsequent zu Felde im Namen der Sprache, um Georges „Doppelfrevel an Shakespeare und der deutschen Sprache“ offen zu legen. Eine umfassende Revision der vornehmlich von Unverständnis geprägten literaturwissenschaftlichen Einschätzung des Krausschen Verfahrens „Vom Deutschen ins Deutsche zu übersetzen“ steht noch aus; festzuhalten bleibt, daß seine Nachdichtung eine eigentümliche Zwitterstellung bekleidet: gegenüber der Umdichtung Georges ist die Übertragung von Karl Kraus zugleich in der Sprachhaltung, in dem zugrunde liegenden Sprachideal, das in den Dichtungen von Mathias Claudius und Goethe seinen reinsten Ausdruck findet, rückwärtsgewandter wie in dem vehementen Beharren auf dem Eigenleben der Sprachen moderner als die Version von Stefan George.

••• Die Quelle harschester Kritik an Georges Shakespeare-Umdichtungen, auf die der krimileser gestern hinwies, war insofern ein wenig dürftig, als der Autor im Dunkeln blieb. Glücklicherweise lässt sich bei der deutschen Shakespeare-Gesellschaft online ein wenig mehr Information zu diesem Verriss finden. Der Autor ist niemand anderes als Karl Kraus, selbst mit Shakespeare-Nachdichtungen in Erscheinung getreten (die ich auch nicht kenne, mea culpa!). Ein Rachefeldzug sei das gewesen. Aber herrjeh, wenn man es sich so gründlich verdient hat wie George mit den in dem Beitrag vorgestellten Übertragungen…

Danke nochmals für den Tip.