Archiv der Kategorie 'Lyrik'

Venir – revenir

Samstag, den 7. Dezember 2013

Schlüssel

hinterm geranientopf liegt
ein schlüssel

in deiner hand
öffnet er
zum garten das tor
zum haus die tür
zum zimmer der stille
die versiegelte pforte

nimm ihn nur
wenn du es willst
gehört er dir

drehst du ihn
langsam im schloss
trägt das geräusch
des schnappenden riegels
dich über die schwelle
zu mir

© Benjamin Stein (2013)

••• »Weggehen und Wiederkommen« ist der Titel eines sehr berührenden französischen Films, den ich wohl nie vergessen werde. Der Titel hält sich ebenso hartnäckig in meinem ansonsten so löchrigen Gedächtnis wie der Film selbst. Jetzt musste ich erneut an ihn denken, als mir zu einem Gedicht von 2007 eine »Fortsetzung« zustieß.


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Gott hör …

Dienstag, den 29. Oktober 2013

Um meine Augen zieht die Nacht sich
Wie ein Ring zusammen.
Mein Puls verwandelte das Blut in Flammen
Und doch war alles grau und kalt um mich.

O Gott und bei lebendigem Tage,
Träum ich von Tod.
Im Wasser trink ich ihn und würge ihn im Brot.
Für meine Traurigkeit gibt es kein Maß auf deiner Waage.

Gott hör… In deiner blauen Lieblingsfarbe
Sang ich das Lied von deines Himmels Dach –
Und weckte doch in deinem ewigen Hauche nicht den Tag.
Mein Herz schämt sich vor dir fast seiner tauben Narbe.

Wo ende ich? – O Gott! Denn in die Sterne,
Auch in den Mond sah ich, in alle deiner Früchte Tal.
Der rote Wein wird schon in seiner Beere schal
Und überall – die Bitternis – in jedem Kerne.

Else Lasker-Schüler (1869-1945)

••• In den letzten Monaten habe ich das komplette »Heimat«-Werk von Edgar Reitz gesehen, zum Teil erneut, das meiste zum ersten Mal. In einem der Filme singt Clarissa dieses Gedicht von Lasker-Schüler. »Mein Herz schämt sich vor dir fast seiner tauben Narbe.« Meins schämte sich, als ich das hörte – und schämt sich noch.

Auf dem Seil

Montag, den 3. Juni 2013

Philippe Petit auf dem Seil zwischen den New Yorker Twin Towers (1974)
Philippe Petit auf dem Seil zwischen den New Yorker Twin Towers (1974)

wenn du das seil bist
unter meinen füßen
gespannt von first zu first
kannst du mich leben
oder sterben lassen
niemandsland ein luft-ort
schwebendes gelände
über der schlucht
zwischen zwei türmen
aschkalt der eine hinter mir
verlassen und der andere
lockt durch ungewissheit licht
wie alles das versprechen darf
und gar nichts halten muss
wenn ich schwanke tritt mein fuß
dir taumel in die seele
und dein wiederzittern
lässt mich schaudern
rudern atmen in die stille finden
sirren wirst du in der klammen luft
erst wenn ich falle
oder feiern kann am ziel
wie beim harfenspiel
der klang der saite
erst einsetzt
wenn die berührung
endet

© Benjamin Stein (2013)


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My love is like a raven

Samstag, den 18. Mai 2013

Raven

My love is an autumn raven
Above a field cut low
And what she sees as she flies through the trees
No man is going to know
My love is a secret never told
An omen to swear by
Like a terrible raven overhead
In the rolling autumn sky

Rebecca Pidgeon


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So now?

Mittwoch, den 17. April 2013

the words have come and gone,
I sit ill.
the phone rings, the cats sleep.
Linda vacuums.
I am waiting to live,
waiting to die.
I wish I could ring in some bravery.
it’s a lousy fix
but the tree outside doesn’t know:
I watch it moving with the wind
in the late afternoon sun.
there’s nothing to declare here,
just a waiting.
each faces it alone.
Oh, I was once young,
Oh, I was once unbelievably
young!

Charles Bukowski (1920-1994)

••• Tom O’Bedlam, der gestern hier Nerudas »Ode an das Buch« las, hat einige Gedichte aufgenommen, auch dieses hier. »So now?« ist 1994, kurz vor Bukowskis Tod, in einem Magazin erschienen. Ein Abschied, ein Abschiedsgesang.


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