Archiv der Kategorie 'Lyrik'

Wir blieben

Montag, den 25. August 2008

Sie gingen.
Wir blieben.
Wir waren nicht reif.

© Richard Marx (1943)

••• An einem Regenabend in der vergangenen Woche las mir ein lieber Freund, dem ich eine wesentliche positive Wende in meinem Leben verdanke, aus seiner Gedichtkladde vor. Seit Jahren hatte er mir seine Skizzen und Notizen über seine Jugend im München und Berlin der Nazizeit als Material zur Verfügung stellen wollen, es dann aber nie getan.


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Im Zustand vollendeter Ruhe

Donnerstag, den 17. Juli 2008

[…]

Heda! ihr –
Herrschaften!
Freunde des Entsetzens,
des Läster-Grauens,
Verbrechens,
Gemetzels, –
das Schlimmste
entging euch bei all dem Getue:
mein Antlitz
im Zustand
vollendeter
Ruhe.

Wladimir Majakowski, aus: „Wolke in Hosen“

Die Frau des Flusshändlers

Montag, den 16. Juni 2008

Fu Hi liebte die hohe Wolke und den Berghang,
Leider starb er an Alkohol.

Ezra Pound

••• Das Poesiealbum 279 – gerade erschienen – hielt eine Überraschung und eine Enttäuschung parat. Das Heft versucht, eine bei aller Kleinheit doch repräsentative Auswahl von Gedichten Ezra Pounds auf den nur 32 Seiten des Poesiealbums zu präsentieren.

Das ist womöglich ein vermessenes Unterfangen. In jedem Fall aber gelingt es, den Leser neugierig zu machen auf den Dichter Pound und seine Dichtung. Natürlich sind einzelne der Cantos abgedruckt, jedoch auch Gedichte jenseits der »Großdichtungen«. Soweit die Überraschung.

Was nun die Enttäuschung angeht: Dass Bert Brecht sich liebend gern bei den Ideen anderer bediente und mitunter auch Ideen- und Textarbeit bspw. seiner Frauen für sich vereinnahmte, das ist nicht neu. Für mich erstaunlich aber – und eben auch enttäuschend – wie stark er sich thematisch und stilistisch offenbar auch bei Ezra Pound bedient hat. (Er müsste ihn wohl im Original gelesen haben. Hier wären denn wieder einmal die Literaturwissenschaftler gefragt…)

Ein Beispiel gefällig?


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Wenn

Montag, den 19. Mai 2008

Rudyard Kipling
Rudyard Kipling (1865-1936)

••• Nicht alle Turmsegler lesen flüssig Englisch. Daher liefere ich gern eine Übertragung des Kipling-Gedichtes von gestern nach.

Die letzte Zeile hätte ich – vielleicht mit Blick auf den tätowierten Rücken – anders übersetzt:

Und was noch mehr ist – dann bist du ein Mann!


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Echtes Commitment

Sonntag, den 18. Mai 2008

if by rudyard kipling as a backpiece tattoo
Rudyard Kiplings Gedicht „If“ als Backpiece-Tattoo

If you can fill the unforgiving minute
With sixty seconds‘ worth of distance run,
Yours is the Earth and everything that’s in it,
And – which is more – you’ll be a Man, my son!

••• Anders als der Herr, der sich dieses Kipling-Gedicht auf den Rücken tätowieren ließ, halte ich diese Verse nicht für den Kulminationspunkt unsterblicher Dichtung. Aber: Was mich beeindruckt, ist das Commitment, das jemand zeigt, der sich ein solches Manifest auf ewig in die Haut ritzen lässt.

So wird aus dem Akt und dem Gedicht zusammengenommen eine Geschichte…

Dem Link zum Modblog sollte nur folgen, wer die Nerven dafür hat. Viele Ideen der Body Modification gehen weit über das hinaus, was man für gewöhnlich mit dem eigenen Körper anzustellen bereit ist. Ich habe gewarnt.


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Jahrbuch der Lyrik

Freitag, den 16. Mai 2008

Jahrbuch der Lyrik 2008 ••• Seit 1979 erscheint jährlich – und somit dieses Jahr zum 26. Mal – das „Jahrbuch der Lyrik“, eine Anthologie unveröffentlichter deutschsprachiger Gedichte. Während das Jahrbuch unterdessen durch diverse Verlage gewandert ist (Claassen, Luchterhand, C. H. Beck und nun schließlich S. Fischer) wird die Auswahl seit 1979 konstant von Christoph Buchwald besorgt, jeweils unterstützt von einem wechselnden Mitherausgeber aus dem Lager der Autoren. Für das diesjährige Jahrbuch konnte sich Buchwald der Mitarbeit von Ulf Stolterfoht versichern.

Ganze 150 Gedichte galt es aus den 5.000 eingesandten auszuwählen. Leicht haben es sich die Herausgeber sicher nicht gemacht. Die Nachworte von Stolterfoht und Buchwald belegen das eindrücklich. Gelohnt hat die Mühe allemal. Was die beiden Herausgeber hier vorlegen, ist eine durchgehend interessante Sammlung, ein Kaleidoskop der deutschen Gegenwartslyrik – wobei die Autoren die Geburtsjahre der Autoren etwa zwischen 1930 und 1980 liegen. Entsprechend vielgestaltig sind die Stile und Formen, die Themen und Handschriften.


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Tenebrae

Freitag, den 2. Mai 2008

Tregua – Luis Vence
Tregua – © Luis Vence

Nah sind wir Herr,
nahe und greifbar.

Gegriffen schon, Herr,
ineinander verkrallt, als wär
der Leib eines jeden von uns
dein Leib, Herr.

Bete, Herr,
bete zu uns,
wir sind nah.

Windschief gingen wir hin,
gingen wir hin, uns zu bücken
nach Mulde und Maar.

Zur Tränke gingen wir, Herr.

Es war Blut, es war,
was du vergossen, Herr.

Es glänzte.

Es warf uns dein Bild in die Augen, Herr.
Augen und Mund stehn so offen und leer, Herr.
Wir haben getrunken, Herr.
Das Blut und das Bild, das im Blut war, Herr.

Bete, Herr.
Wir sind nah.

Paul Celan
aus: „Sprachgitter“

••• Eine Ergänzung zum Video von gestern: „Tenebrae“ stammt aus dem Band „Sprachgitter“. Ich war zunächst verwundert über die christliche Symbolik, die man bei Celan nicht vermuten würde. Der Schlüssel zum Verständnis liegt im Titel, dessen Bedeutung ich nachschlagen musste.


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