Archiv der Kategorie 'Gastbeiträge'

Spiegel und Maske

Donnerstag, den 10. Mai 2007

Ein Gastbeitrag von Markus A. Hediger
zu „Spiegel und Maske“ von Jorge Luis Borges

Jorge Luis Borges••• Als Urlaut, der alles in sich enthält: So stelle ich mir die Sprache Gottes beispielsweise vor. Und so die Schöpfungsgeschichte: als Urlaut, der sich in winzigen Abweichungen seiner Urform zu artikulieren beginnt und so die Welten mit allem, was in und auf ihnen ist, hervorbringt. Die Verse 1-27 des ersten Kapitels des Buches Genesis gehören für mich zu den schönsten Texten überhaupt. Es ist eine einfach erzählte Geschichte aber in ihrer Einfachheit umso verstörender. Viele Nächte lang bin ich wach gelegen und habe über der Frage gebrütet, wie eine Sprache, die in der Lage ist, unser Universum hervorzubringen, beschaffen sein muss. Gott sprach und es wurde. Das ist ungeheuer.

Jorge Luis Borges, der in einigen seiner Erzählungen sehr feinfühlig dem Unerklärlichen (oder den Ungereimtheiten) in der Bibel nachgespürt hat, kann das Skandalon der göttlichen Sprache nicht entgangen sein. Aber Borges kannte die Grenzen des menschlichen Herzens und Geistes. Er wusste, dass die Sprache, die dem Menschen gegeben ist, nicht die Macht hat, tote Materie so zu ordnen, dass Leben in sie kommt. Menschliche Sprache bewegt den Geist und das Herz, nicht tote Materie. Im besten, wiewohl unmöglichen Fall bildet sie Vergangenes 1:1 ab.

Unmöglich?


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Die vitale Lektüre

Sonntag, den 29. April 2007

Ein Gastbeitrag von: Michael Perkampus

••• Iris Denneler sieht im Lesen einen Zeitverlust und einen Zeitgewinn, sieht das Lesen als Abhandenkommen von Welt und Versuch, sich darin zu versichern, als Suche nach Heimat und Lust zur Lektüre „ohne Gewähr“. Ich teile ihre Ansicht, dass der Autor in erster Linie Leser ist, wie es Peter Handke einmal formulierte und wie man es in Iris Dennelers Buch „Ungesicherte Lektüren“ dann auch zitiert finden kann.


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Autorengespräche

Dienstag, den 17. April 2007

Ein Gastbeitrag von: Michael Perkampus

••• An Autorengespräche heranzukommen, die hinter den Kulissen stattfinden, ist nicht immer einfach. Ich selbst habe das Glück, einige Bücher über literarische Passionen, Anekdoten und Werkstattgespräche zu besitzen und kenne darüber hinaus einige Kollegen persönlich. Letzteres müsste nicht gesondert erwähnt werden, da es selbstverständlich scheint. Doch darf man nicht verkennen: Wir sind eine eitle Kaste, vieles hütet man eifersüchtig und versteckt es unterm Bett. Selten steht der Wunsch, sich in Arbeitsweisen und Verstrickungen kund zu tun, vor der eigenen Legende, die man beständig webt – und mag sie noch so gering erscheinen.

Wir kennen das von Balzac. Seine Kaffeekanne in der 47 Rue Raynouard ist so ein legendäres Objekt, das die Besucher mehr anzieht als seine handschriftlichen Ausstellungsstücke. Das Publikum giert indes nicht so sehr nach seiner menschlichen Komödie, denn er war ja selbst ein menschlicher Komödiant par excellence, als vielmehr nach jenen Poetakas (das ist meine Wortschöpfung für diese Legendenbildung und eben jene Anekdoten, die ein Werk begleiten) – Überlieferungen von Freunden und Bekannten, die besagen, dass er nicht nur auf abenteuerliche Weise seinen Gläubigern entfloh, sondern, einmal zur Rede gestellt, keineswegs ein Souverän der Sprache war.

Wir wissen ferner, dass Márquez Legastheniker ist und ohne einen starken Lektor kein einziges brauchbares Buch in den Druck hätte geben können, dass Joyce, den man nicht ohne Grund der Grösse bezichtigt, mit seiner Erstausgabe des Ulysses ein vor Fehlern nur so strotzendes Werk vorlegte.

Das folgende Gespräch ist anonym. Wir wissen im Augenblick nicht, um welche beiden Autoren es sich handelt. Dem Gespräch ging ein Mailwechsel voraus, in dem ein Autor dem anderen ein via Weblog öffentliches gemeinsames Lektorieren seines WERKES vorschlug.


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