Archiv der Kategorie 'Gastbeiträge'

Bibel und Koran (I)

Sonntag, den 27. Juni 2010

Nähe und Unvereinbarkeit zweier Konzepte
Ein Gastbeitrag von Chaim Noll

»Um einander zu verstehen, müssen wir über
das sprechen, was uns unterscheidet.«(1)

Im Folgenden soll vergleichend von zwei Büchern die Rede sein, von zwei Textwerken und geistig-religiösen Konzepten, die durch das Hervorgehen des Einen aus dem Anderen eng miteinander verbunden sind. Die welthistorische, kulturprägende, zu gesellschaftlicher Aktion inspirierende, Krieg und Frieden evozierende Wirkung beider Texte ist ihre erste ins Auge springende Gemeinsamkeit, wobei in beiden Fällen, Bibel wie Koran, vorsorglich darauf hingewiesen werden muss, dass ein religionsstiftendes Buch, überhaupt ein ideell-religiöses Konzept, mit den Aktionen der Menschen, die sich darauf berufen, nicht identisch ist.

Richtiger wäre, von drei Büchern zu sprechen, denn die hebräische und die christliche Bibel sind bekanntermaßen nicht identisch. Doch da die christliche »Heilige Schrift« die gesamte jüdische Bibel, den hebräischen tanach, in einer von Juden angefertigten griechischen Übersetzung, der Septuaginta, ihrerseits kanonisiert und unter dem Namen »Altes Testament« in sich aufgenommen hat, ist aus christlich-europäischer Sicht die jüdische Bibel erklärtermaßen Bestandteil des eigenen Konzepts(2). Anders als der Koran hat das Christentum die ursprünglichen Bücher der Juden unverändert als religiöse Grundlage beibehalten, ihr Menschenbild, ihr Konzept von der Gleichheit aller Menschen vor dem Schöpfer, ihren Moralkodex, das von Nietzsche verächtlich als »Sklavenmoral« verworfene Mitgefühl mit den Schwächeren, mit Frauen und Kindern, mit dem »Fremden, der in deinen Toren wohnt«, die Abschaffung der lebenslangen Sklaverei(3).


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Gastbeitrag von Chaim Noll

Sonntag, den 27. Juni 2010

••• Aus dem Beitrag über Chaim Nolls Essay in »Sinn und Form« hat sich per E-Mail noch eine weitere Diskussion mit dem Autor entsponnen. Im Ergebnis freue ich mich nun, den Turmseglern in den nächsten Tagen einen jener Essays von Chaim Noll, die für mich sehr wichtig waren (und sind), in Fortsetzungen präsentieren zu dürfen: »Bibel und Koran«.

Chaim Noll setzt sich in diesem Essay mit den Fragen des Trennenden und Verbindenden zwischen der jüdisch-christlichen und der muslimischen Überlieferung auseinander. Ich hoffe, dass dieser Beitrag für die Turmsegler ebenso erhellend sein wird, wie er es für mich war, als ich ihn zum ersten Mal las. Wenn es Fragen gibt, wird Chaim Noll sich sicher gern per Kommentarfunktion in unsere Runde begeben.

Krötenwanderung

Sonntag, den 26. Juli 2009

••• Es ist soweit. Markus A. Hediger macht sich zum zweiten Mal auf den One-Way nach Brasilien. Mit den Erfahrungen des »Krötenkarneval« und des »TamTam Grand Hotel« im Hinterkopf kommt hierbei keinem das Wort »endgültig« leicht über die Lippen. Aber Markus wäre nicht der Autor, der er ist, würde er sich wortlos auf diese erneute Reise machen. In den kommenden Monaten dürfen wir hier im Turmsegler seine Gastkolumne »Krötenwanderung« mitverfolgen, deren Beiträge hoffentlich eines Tages gesammelt als weiterer Hediger-Band in der edition neue moderne erscheinen werden. Vor das Buch aber hat der Ewige das Abenteuer des Schreibens gesetzt. Und vor das Schreiben das Leben und Zweifeln. Ich bin gespannt, wie es Markus ergehen wird und wie er uns davon berichtet.

Die »Krötenwanderung« kann man hier im Blog oder auch per RSS-Feed verfolgen.

Die Sprache der Schöpfung (III)

Dienstag, den 14. Juli 2009

Markus A. Hediger (im Stande der Unschuld?) © Markus A. Hediger

Ein Gastbeitrag von Markus A. Hediger

••• Als ich vor einem Jahr meine autobiographischen Fiktionen beendete, ahnte ich nicht, wie sehr sie mein Selbstbild und – als Folge daraus – mein Leben bestimmen würden. Ich hatte sie in einem rauschhaften Zustand geschrieben, der wochenlang anhielt und mich taumelnd durch eine plötzlich eingetretene oder gefundene Kongruenz zwischen persönlicher Geschichte und aktuell Erlebtem tanzen ließ. Sprache wurde zur Musik, die sich selbst sang. Als das Büchlein schließlich publiziert war, wollte ich weiterschreiten, weiterarbeiten an meiner Fiktion, aber es gelang mir nicht. Es war, als hielte mich die Welt zurück, als zwänge sie mich zum Stillstand.

Fiktion beschränkt sich nicht nur auf das Geschilderte. Teil einer Fiktion ist auch ihre Konstruktion, ist auch ihre Wortwahl, ihr Rhythmus. Fiktion zeichnet sich weniger durch das aus, was sie erzählt, sondern durch das Wie.


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Die Sprache der Schöpfung (II)

Dienstag, den 30. Juni 2009

Ein Gastbeitrag von Markus A. Hediger

In Genesis 1 geht der Schöpfer nach einem formvollendeten Plan vor, so penibel durchstrukturiert, dass sich seine Perfektion und – möchte man fast sagen – Symmetrie sogar in der Struktur seiner sprachlichen Überlieferung niederschlägt. Gott geht weniger wie ein Künstler, als vielmehr wie ein Ingenieur vor, der einem genauen Bauplan folgt.

  • Er beschließt, was er erschaffen will und sagt es an (»Und Gott sprach«)
  • Er setzt sein Vorhaben um (»Und Gott machte«, »schuf« etc.)
  • Er beurteilt sein Werk (»Und Gott sah, dass es gut war«)

Ein durchdachtes, vollkommenes Kunstwerk also, sorgfältig orchestriert sowohl in seiner Entstehung als auch in seiner Vollendung, in das Gott am sechsten Tag den Menschen da hineinsetzt. Es ist genauso geworden, wie er es sich vorgestellt hatte, als er die ersten Worte sprach und das Licht erschuf.

Und dennoch geht etwas schief. Irgendetwas funktioniert nicht so, wie es sollte. Weshalb sonst sollte der Schöpfer sich nur wenige Zeilen später veranlasst sehen, erneut seine Hände in die Erde zu senken und die Welt ein zweites Mal zu erschaffen?

Was war es, was eine »Überarbeitung« der Schöpfung notwendig machte?


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