Archiv der Kategorie 'Die Leinwand'

Dramaturgie eines Verhörs (II)

Dienstag, den 7. Oktober 2008

Anna Seghers
Anna Seghers (1900-1983)

••• Das Verhör-Kapitel zu schreiben, macht einen Heidenspaß. Ich habe zunächst nur den reinen Dialog skizziert, ihn dramaturgisch geordnet und in Sektionen unterteilt. Ich steige ein mit einer Ouvertüre: Variationen über das Thema Angst. Dann beschreibe ich die Örtlichkeit, bevor die Vernehmung völlig harmlos beginnt.

Ein derart langer Dialog ist eine Katastrophe für mich. Beginnt man, den Thesaurus zu plündern, um Synonyme für sagen, fragen und antworten zu sammeln, steht man schon mitten im Krampf. Einige Tricks habe ich probiert, die – ich habe schon 4/5 des Kapitels fertig – wunderbar funktionieren.


Den ganzen Beitrag lesen »

Dramaturgie eines Verhörs

Montag, den 6. Oktober 2008

Szenenfoto aus dem Film »Das Verhör«
Szenenfoto aus dem Film »Das Verhör« (nicht der hier erwähnte)

••• Ich habe es mir bei der »Leinwand« an vielen Stellen nicht leicht gemacht. Auch das Wechsler-Kapitel 10 wird eine Herausforderung. Das Wechsler-Finale wird mit diesem Kapitel eingeleitet, und es besteht ausschließlich aus einem Verhör.

Wechsler hat sich einerseits seit Jahren in Lügen verstrickt. Anderseits ist er sich mittlerweile seiner eigenen Identität völlig unsicher geworden. An entscheidende Details seiner letzten Israel-Reise erinnert er sich gleich gar nicht. Wenn er nun von einem israelischen Beamten am Flughafen abgepasst wird, um ein paar Fragen zu beantworten, hat er schlechte Karten…


Den ganzen Beitrag lesen »

In der Sprache gefangen

Montag, den 6. Oktober 2008

Synagoge am Fraenkelufer in Berlin-Kreuzberg
Synagoge am Fraenkelufer in Berlin-Kreuzberg

Die Erfahrung der wenigen Stunden Exil, die ich am Spreeufer in Kreuzberg gemacht hatte, war noch frisch. Vielleicht glaubte ich, dass ich, da ich diese Stunden überstanden hatte, auch bewusst Abschied vom Kleinen Land nehmen könnte. Alles würde sich ändern. Das war damals jedem klar. In einigen Stadtbezirken wurde die Mauer bereits abgerissen. Helmut Kohl tourte durchs Land und badete sich in den Sprechchören: »Wir sind ein Volk!« Mir kam das vor wie eine offene Drohung.


Den ganzen Beitrag lesen »

Nach Israel

Sonntag, den 5. Oktober 2008

Clouds In Sky – © Juliet Lofaro
Clouds In Sky – © Juliet Lofaro

Ich stand noch eine Weile im Hof und beobachtete die Taube bei ihren verzweifelten Ausbruchversuchen. Dann ging ich nach oben. Als ich meinen Mantel aufhängte, entdeckte ich sie auf dem Fensterbrett.

Was soll ich tun?, hörte ich mich fragen. Ich beugte mich hinunter und sah tief in ein starres, gelb geschecktes Auge, das mich zu mustern schien. Die Taube gurrte, schlug mit den Flügeln und flog davon. Da ist mir etwas aufgegangen.

Will man etwas wiederfinden, muss man dorthin zurückkehren, wo man es verloren hat. Das Wort »Berndeutsch« hatte genügt, mir in Erinnerung zu rufen, wo meine Mutter lebt. Vielleicht, dachte ich, würde auch der Rest meiner verlorenen Erinnerungen wieder auftauchen, wenn ich nach Israel zurückkehrte. Was immer meine Erinnerungen fortgespült hat, die ich loswerden wollte – es muss in Israel geschehen sein, wohin ich Ende letzten Jahres zum ersten Mal gereist bin.


Den ganzen Beitrag lesen »

Spatzen

Freitag, den 3. Oktober 2008

Abtransport getöteter Spatzen in China zu Zeiten Maos
Zwei Milliarden Spatzen wurden 1957 in China so lange gehetzt, bis sie tot vom Himmel fielen

Die Seelen der Gerechten, erklärte mir Ariel, verlassen die Welt nicht, solange sie gebraucht werden. Stirbt ein Zaddik, schlüpft seine Seele in den Körper einer jungen Taube. Dort wartet sie, bis ein Mensch geboren wird, dessen Körper als Gefäß für die wartende Seele taugt. So kehren die Gerechten in die Welt zurück und setzten ihre Werke fort.

Ariel berief sich bei dieser Theorie auf ein Konzept der Seelenwanderung, das in den geheimen Büchern erwähnt wird. Gilgul ha-Neshamot ist ein Begriff, den man nicht laut aussprechen sollte. Zu nah verwandt scheinen die Ideen, wenn man sie flüchtig betrachtet, mit denen anderer Völker und Religionen. Spekuliert man über sie, gerät man leicht in Gefahr, in Irrtümer abzugleiten. Vielleicht stehen die Mystiker aller Religionen schon allein aus diesem Grund immer mit einem Fuß im Feuer.


Den ganzen Beitrag lesen »