Archiv der Kategorie 'Die Leinwand'

Das erste Sonett

Freitag, den 28. August 2009

Holding Hands © orangevolvogrl86@deviantart.com (2003)
Holding Hands – © orangevolvogrl86@deviantart.com (2003)

Als wir zerfielen einst in Du und Ich
Und unsere Betten standen Hier und Dort
Ernannten wir ein unauffällig Wort
Das sollte heißen: ich berühre dich.

Es scheint: solch Redens Freude sei gering
Denn das Berühren selbst ist unersetzlich
Doch wenigstens wurd »sie« so unverletzlich
Und aufgespart wie ein gepfändet Ding.

Blieb zugeeignet und wurd doch entzogen
War nicht zu brauchen und war doch vorhanden
War wohl nicht da, doch wenigstens nicht fort

Und wenn um uns die fremden Leute standen
Gebrauchten wir geläufig dieses Wort
Und wußten gleich: wir waren uns gewogen.

Bertolt Brecht (1898-1956)

••• Was weiß denn ich, welche Wege mitunter die Assoziationen nehmen?! Heute fielen mir spontan zwei Bruchstücke dieses Gedichtes ein. Da war zunächst das erste Quartett und dessen Schluss: »ich berühre dich«. Und die letzte Zeile wusste ich noch: »Und wußten gleich. wir waren uns gewogen.«

Ich berühre dich… Wieviel Zärtlichkeit steckt in diesen drei Worten!


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Turmsegler bei DILIMAG

Montag, den 17. August 2009

DILIMAG Logo••• Das Innsbrucker Zeitungsarchiv (IZA) zur deutsch- und fremdsprachigen Literatur ist eine Einrichtung des Institut für Germanistik an der Universität Innsbruck. Ausgehend von einer Zeitungsausschnittsammlung, deren Anfänge bis in die frühen 1960er Jahre zurückreicht, hat es sich zu einem breit angelegten Medienarchiv entwickelt und gilt seit einigen Jahren als die größte universitäre Dokumentations- und Forschungsstelle für Literaturkritik, Literaturvermittlung und Massenmedien im gesamten deutschen Sprachraum. Auf der Basis ausgewählter deutschsprachiger Printmedien (derzeit 32 Tages- und Wochenzeitungen und mehr als 40 Literatur- und Kulturzeitschriften) sowie der Hörfunk- und Fernsehprogramme der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten in Deutschland, Österreich und der Schweiz beobachtet und dokumentiert das IZA die nichtwissenschaftliche, journalistische Literaturkritik und Literaturvermittlung in diesen Ländern.

Das zum IZA gehörende Projekt DILIMAG beschäftigt sich seit März 2007 mit der Erfassung, Beschreibung und Archivierung von deutschsprachigen digitalen Literaturmagazinen. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit DEA (Abteilung für Digitalisierung und elektronische Archivierung der Universitätsbibliothek Innsbruck) ausgeführt. Die Finanzierung trägt der österreichische Forschungsfond FWF.

Unter die Literaturzeitschriften zählt DILIMAG auch deutschsprachige Weblogs, die sich mit Literatur auseinandersetzen. Auch diese Weblogs werden elektronisch archiviert, um sie dauerhaft für die Forschung zugänglich zu machen.


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Liebes-Lied

Sonntag, den 26. Juli 2009

Wie soll ich meine Seele halten, daß
sie nicht an Deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?

Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen.

Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.

Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
O süßes Lied.

Rainer Maria Rilke (1875-1926)

••• Mit Tanja Warter (Presse C. H. Beck) sprach ich am Freitag über die Inkompatibilität zwischen orthodoxem Alltag und Literatur. Sie war überrascht. Ich habe darüber noch nie gesprochen, aber mich bewegt der Gedanke schon seit geraumer Zeit. Streng genommen ist er schon präsent, seit ich die Arbeit an der »Leinwand« begonnen habe. Es ist sicher kein Zufall, dass ich Amnon Zichroni mit 15 Jahren in das verbotene Zimmer der Eltern führe und ihn dort auf die »unpassende Liebe«, nämlich die Dichtung stoßen lasse. Nun ist Amnons Konflikt nicht einmal der, orthodox zu sein und »verbotene Bücher« zu schreiben. Der erste wesentliche Wendepunkt in seinem Leben belegt aber, wie deutlich die »Inkompatibilität« ist. Allein diese Bücher zu lesen, wird schon als »bitul zman« (Zeitverschwendung) betrachtet. Um wie viel größer ist die Verschwendung, wenn man nicht nur liest, sondern diese Bücher auch noch schreibt?

Es sind besonders die Folgen des Schreibens und Veröffentlichens, die im Kontrast stehen zu den Forderungen der Mussar-Lehrer, Demut zu üben, das Ego zurückzudrängen, in der Gemeinschaft aufzugehen, statt als Individuum hervorzustechen durch Talente und Fähigkeiten, die nicht in direktem Torah-Zusammenhang stehen.


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Erste Sätze

Mittwoch, den 22. Juli 2009

Rabbi Shmuel Plafker at a funeral service for Jeffrey Lynn Schneider at a plot owned by the Hebrew Free Burial Association on Staten Island.
Rabbi Shmuel Plafker at a funeral service for Jeffrey Lynn Schneider at a plot owned by the Hebrew Free Burial Association on Staten Island. (Foto: © Kirsten Luce for The New York Times)

••• Wenn mir für ein neues Projekt der erste Satz einfällt, ist das meist ein untrügliches Zeichen, dass die Sache nicht mehr aufzuhalten ist. Und wie wird »Diamond District« beginnen. Ich denke, mit einem Hauptsatz:

Meist wasche ich die Toten nachts.

Über das Warum darf spekuliert werden.


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Glossar

Mittwoch, den 15. Juli 2009

••• Natürlich kam gestern auch wieder das Thema »Glossar« auf den Tisch. Mir gefällt diese Vorstellung nicht, wobei mir bewusst ist, dass meine Ablehnung neurotische Züge hat und vor allem auf einer Bemerkung in einem US-amerikanischen Essay beruht, der sich u. a. mit dem »Alphabet des Juda Liva« beschäftigte.

Gerade für »Die Leinwand« wollte ich kein Glossar, weil wir es hier – der speziellen Machart des Buches wegen – gleich zweimal bringen müssten, nämlich jeweils am Ende der Erzählstränge.

Martin Hielscher hat die Wörter im Manuskript unterstrichen, die er für Glossar-Kandidaten hält. Es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass man dieses Wissen beim Leser nicht voraussetzen kann und dass sich die Bedeutung auch nicht in jedem Fall aus dem Kontext erschließt.

Also habe ich mal mit der Zusammenstellung begonnen. Mich würde nun die Meinung der Turmsegler interessieren: Glossar in einem Roman? Ja oder nein? Und: Wäre ein Glossar in der folgenden Ausführlichkeit angemessen, zu knapp oder zu ausführlich? Ich bin gespannt.

Aggada
(hebr.) Erzählung, hier: erzählerische Passagen im → Talmud

Arisal
(Abk.) »Der Göttliche Rav Yizchak Gesegneten Andenkens«, für Rav Yizchak Luria (1534-1572), Verfasser wesentlicher Texte der jüdischen Mystik

Ashkenazim
(hebr.) Deutsche, für Juden aus dem deutschen Traditionsraum


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