Archiv der Kategorie 'Die Leinwand'

Kuckucksei

Donnerstag, den 13. November 2008

Green Eye

Lauren war die älteste von drei Geschwistern. Ihr Bruder und ihre Schwester waren blond und hellhäutig und hatten taubengraue Augen wie der Vater. Laurens Haar war schwarz und ihre Augen grün. Ihre Haut wurde braun wie Milchkaffee, wenn nur ein Sonnenstrahl darauf fiel. Dass etwas mit ihr nicht stimmte, hatte sie schon immer geahnt.

Schau mich nicht so an mit deinen sündigen Augen!, hatte die Mutter oft zu ihr gesagt. Was sie damit meinte, konnte Lauren sich nicht erklären. Aber sie lernte, mit gesenktem Blick zu gehen und niemandem in die Augen zu sehen, auch nicht, wenn sie mit jemandem sprach.


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Lauren

Mittwoch, den 12. November 2008

Zichronis Handschuhe

••• Zichroni hat zwei Arten von Visionen fremder Erinnerungen.

Ich hatte herausgefunden, dass ich nur dann wirklich mit dem erinnerten Selbst eines Gegenübers verschmolz, wenn ich die Person berührte und ein direkter Hautkontakt bestand. Beschränkte ich mich auf Blicke, war es mir möglich, als reiner Beobachter in die erinnerte Welt meines Gegenübers einzutauchen. Ich stand dann zwar inmitten der Angstlandschaften und hörte die Dämonen geifern und drohen; aber ich blieb ich selbst und wusste, dass sie nicht mich meinen konnten.

Um Visionen der ersten Art zu vermeiden, trägt Zichroni seit seiner Praktikumszeit in einer Psychiatrie weiße Baumwollhandschuhe. Nicht jedoch, als er Lauren zum ersten Mal begegnet…


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Am offenen Herzen

Mittwoch, den 12. November 2008

••• Amnon Zichroni hat Anfang der 80er Jahre in den USA Medizin studiert und seine Ausbildung zum Psychiater absolviert. Diese Ausbildung variiert von Land zu Land sehr stark. Unterschiedliche Gesetze erfordern in jedem Land und sogar innerhalb eines Landes aller paar Jahre wechselnd verschiedene Ausbildungsstufen. Ich musste mich also informieren, wo und wie man in den 80ern in den USA studieren und arbeiten musste, wenn man Psychoanalytiker werden wollte.

Mir wurde ein Kontakt zu einem amerikanischen Psychotherapeuten vermittelt, der genau zu dieser Zeit studiert hat und mir alle nötigen Auskünfte geben konnte. Von diesen »Facts« abgesehen war ich allerdings auch auf der Suche nach einem echten Fall, den ich als Zichronis Initiation in die »Leinwand« aufnehmen könnte. Also fragte ich besagten Therapeuten, und es stellte sich heraus, dass er vor Jahren selbst eine Fallstudie geschrieben hatte. Sie sei noch unveröffentlicht, aber da der Case phantastisch zur »Leinwand« zu passen schien, erklärte er sich bereit, mir die Studie zur Verfügung zu stellen. Sie kam prompt per Mail, und ich nahm sie mit in den Urlaub auf Fuerteventura.


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Black Polish

Mittwoch, den 5. November 2008

Emaillierung eines Zifferblattes (Cartier)
Emaillierung eines Zifferblattes (Cartier)

••• In einem der Wechsler-Kapitel in der »Leinwand« kommt eine meiner Leidenschaften zur Sprache: die haute horlogerie. Perfektioniertes handwerkliches Können, Ästhetik, Mechanik, Miniaturisierung – wo soll man anfangen, wo enden?

Die »Fondation de Haute Horlogerie« unterhält eine Website, deren Ziel es u. a. ist, der jüngeren Generation die Faszination an den vielen alten Handwerksberufen zu vermitteln, die bei der Entstehung einer mechanischen Uhr eine Rolle spielen.

Einer der letzten Ausgaben von »Vanity Fair« lag eine DVD bei mit der gesamten Video-Collection der »Fondation de Haute Horlogerie« zu den der Uhrmacherei nahen Berufen – 11 Filme zu je 3 min. Die Filme können auch online über die Website der Fondation angesehen werden. Besonders fasziniert hat mich die Kunst des Emaillierens.

Zum Thema passend noch ein bemerkenswertes Video über eine ganz außergewöhnliche Großuhr, die Corpus Clock.

Corpus Clock mit Grashopper-Hemmung


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Therapie der Wirklichkeit

Freitag, den 31. Oktober 2008

Seht ihr Dichter der Welt und insbesondere ihr heutigen deutschen Poeten immer noch nicht ein, daß die Handhabung der Sprache und des Wortes nicht dazu da sind, um unter euresgleichen fortwährend nur künstlerisch damit zu experimentieren, während rundherum um euch eine unheilvolle brennende Welt dem sicheren Verderben entgegenblüht? Empfindet denn nie einer von euch, daß der Dichter wie kein anderer dazu verpflichtet ist, ein beständiger Mahner des öffentlichen Gewissens, der Schöpfer von Klarheit und Vernunft und der Erwecker des Guten und Schönen im Menschen zu sein?

Oskar Maria Graf (1894-1967)


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Die Leinwand ist fertig…

Sonntag, den 12. Oktober 2008

••• … und ich bin es auch.

Die Herzdame will den Schluss nicht lesen. Sie hat nur die Blog-Posts verfolgt und will vom Schluss nichts wissen, bevor sie nicht alles Vorherige gelesen hat. Also werden vorerst nur zwei Leute erfahren, wie es ausgeht. Der erste ist Markus A. Hediger, mein treuer Erstlektor über die letzten acht Monate, dem ich von ganzem Herzen danke. Und die zweite ist meine Lektorin bei der Agentur. Sie wird ja bald zur Frankfurter Buchmesse aufbrechen und beginnen, für »Die Leinwand« den passenden Verlag zu finden. Ich habe so ein Gefühl, dass es diesmal nicht Jahre brauchen wird, bis das Buch in die Läden kommt.

Jetzt noch das Lektorat… Das kann mich nicht im geringsten schrecken.

Dramaturgie eines Verhörs (III)

Dienstag, den 7. Oktober 2008

••• Keine Oper ohne Ouvertüre. Auch das Verhör-Kapitel braucht eine. Wie wäre es mit einem Exkurs über Angst und Scham?

 

Ich hasse es, überprüft zu werden. Nicht einmal die vorhersehbare Fahrkartenkontrolle in der U-Bahn in den ersten Tagen eines jeden Monats überstehe ich ohne Herzrasen und einen Adrenalinstoß, der mich Minuten später noch fahrig macht. Ich habe kein schlechtes Gewissen. Es ist eher die Angst, bei einem versehentlichen Fehltritt ertappt zu werden oder mich für ein Fehlverhalten rechtfertigen zu müssen, das ich nicht erklären kann.


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