Archiv der Kategorie 'Ausser der Reihe'

Gastbeiträge willkommen!

Freitag, den 1. Juni 2007

••• Nein, mir geht noch lange nicht der Stoff aus. Aber das Turmsegler-Motto lautet ja „Erinnern & Entdecken“. Und die beste Quelle für Entdeckungen in der Literatur sind andere Leser (oder auch Autoren, die zunächst ja immer auch Leser sind). Daher möchte ich die Reihe der Gastbeiträge, die von Michael Perkampus und Markus A. Hediger hier eröffnet wurde, sehr gern fortführen.

Was genau aber wird gesucht?


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Tote unter Lebenden

Montag, den 28. Mai 2007

••• Markus A. Hediger gehörte zu den Schlüsselversteckern, als ich die Online-Präsentation des „Anderen Blau“ vorbereitete. Er hat das Projekt verfolgt und im Nachhinein mehrmals das Manuskript gelesen. Auf „Hanging Lydia“ berichtet er heute von seiner Erfahrung mit diesem Text.

Seine Besprechung freut mich nicht nur, weil sie die erste ist. Was mich heute besonders bewegt, ist der Umstand, dass ich nun nach langer Zeit und vielen Zweifeln sicher weiss, dass es Leser gibt für dieses Buch, für diese Art Prosa. Ich wollte keine Kompromisse machen, keine Andienung betreiben. Das macht die Lektüre nicht leicht, aber nicht unmöglich. Verstanden worden zu sein, ist eine wundervolle Sache. In den über 200 Besprechungen, die zum „Alphabet des Juda Liva“ erschienen sind, hat sich grad ein Rezensent ähnlich intensiv mit dem Text auseinandergesetzt, wie Markus A. Hediger es hier unternimmt.

Mir macht das Mut für die weitere geduldige Suche nach einem Verlag.

Bevor das Script zum Buch wird, werde ich jedoch noch eine Danksagung anfügen. Gewidmet ist das „Blau“ N., dem Alter Ego von Nadia, weil sie die Inspiration war, den Versuch nochmals zu unternehmen, den Stoff in dieser Art zu bearbeiten. Allein aus diesem Grund will ich es bei dieser Widmung belassen. Meiner Frau allerdings habe ich es zu verdanken, dass das „Andere Blau“ überhaupt lesbar geworden ist. Ihrem Rat folgend habe ich die einzelnen Passagen mit den Namen der sprechenden Figuren versehen und den von Markus A. Hediger zitierten – ursprünglich als Exposé und eventuellen Klappentext gedachten – Text als Vorspann zum festen Bestandteil des Buches gemacht.

Wie sich nun beweist, hatte sie in beiden Fällen das viel bessere Gespür als ich.

Die Buchstaben nicht

Freitag, den 25. Mai 2007

••• Rabbi Chananya ben Tradyon – das Andenken des Gerechten sei zum Segen – starb den Märtyrertod, umhüllt von einer Torah-Rolle, die von seinen Henkern angezündet worden war. Während er starb, standen seine Schüler um ihn und weinten. Rabbi Chananya ben Tradyon fragte sie: Warum weint Ihr? Das Pergament brennt, die Buchstaben nicht.

An Shavuot stand die Synagoge Malagnou in Genf in Flammen. Ob es sich um einen Unfall oder einen Anschlag handelt, wird noch untersucht.

1/3200 der Torah

Dienstag, den 22. Mai 2007

Talmud Bavli, Traktat Eruvin, Folio 21a

••• Zwei Tage Pause von der Literatur. Wir feiern Shavuot, das Fest der Übergabe der Torah. Da gibt es wenig Schlaf, doch viel zu lernen. Die ganze Nacht werden wir überm Talmud sitzen, zur Vermehrung der Einsichten und Mysterien.

Rav Chisda sagte: Mari ben Mars legte aus: Was bedeutet es, daß geschrieben steht: Aller Vollendung sehe ich eine Grenze, überaus weit ist dein Gebot? Dies Wort sagte David, aber erklärte es nicht. Hiob sagte es, aber erklärte es nicht. Jecheskiel sagte es, aber erklärte es nicht. Bis Secharja ben Iddos kam und es erklärte. […] Denn es steht geschrieben: Da sprach er zu mir: Was siehst du? Ich sagte: Ich sehe eine zusammengefaltete Rolle, zwanzig Ellen lang und zehn Ellen breit. Und wenn du sie auseinanderfaltest, so ist sie zwanzig auf zwanzig. Und da geschrieben steht: Sie war auf der Vorderseite und auf der Rückseite beschrieben, und wenn du sie dann spaltest, wie groß ist sie? Vierzig auf zwanzig. Und da geschrieben steht: Wer mißt mit seiner hohlen Hand die Wasser und bestimmt die Himmel mit der Spanne…? so findet man, daß die ganze Welt ein dreitausendzweihundertster Teil der Torah ist.

Talmud Bavli, Traktat Eruvin 21a

Depesche zu Borges

Montag, den 21. Mai 2007

••• Eben schickt mir Markus A. Hediger eine Depesche betreffs seiner Borges-Beiträge im Turmsegler:

Ich habe eben (in einem Prozess intensiver Selbstbefragung!) verstanden, weshalb Borges für mich so eng mit dem Christentum verbunden ist (o Schande über mich…): Ich entdeckte Borges während der heftigsten Phase meiner Glaubenskrise, und da wirkte er auf mich wie eine Erlösung…

Bitte lösch meine bisherigen Gastbeiträge. Ich schreibe neue…

Die alten Beiträge zu löschen, das kann ich freilich nicht billigen. (g*) Auf die neuen Beiträge freue ich mich hingegen sehr. „Aufräumarbeiten“ stünden an im eigenen Borges-Verständnis. Er berichtet sicher selbst auf „Hanging Lydia“ davon.

Herr Paulsen beim Don über Tempo

Montag, den 21. Mai 2007

••• Da berichtet heute Herr Paulsen nebenan beim Don von einem einem kleinen Vortrag seines Arztes:

Also das ist so. Das kann man so machen. In dem Tempo. Aber nicht lang. Wenn Sie Kinder bekommen, dann hält die Ehe noch bis die Kids in der Pubertät sind. Dann trennen sie sich, ihre Frau wird sich daraufhin selbst verwirklichen oder tablettensüchtig, das kann ihnen aber egal sein, weil sie kurz nach ihrem 50sten Geburtstag den ersten Infarkt bekommen. Dieses Stadtviertel ist voll mit Menschen wie ihnen, das hab ich hier jeden Tag. Nehmen sie sich Zeit für sich, nehmen sie sich Zeit für ihre Partnerin! Schönen Tag noch.

Ich weiss schon, warum ich nicht zum Arzt gehe. Mit 17 glaubte ich, eh nie 30 zu werden; und es hat mich nicht beängstigt. Heute frage ich mich manchmal bang, wie viel Zeit mir wohl zugestanden wird, hoffe auf drei Leben. Die könnte man dann alle an sich vorbeiziehen lassen, ganz geschwind, ganz idiotisch.

Das kann man so machen. In dem Tempo. Aber nicht lang.

Verzerrtes Echo

Sonntag, den 20. Mai 2007

Was ist schon ein Bankraub verglichen mit der Gründung einer Bank?

••• Mir hallte heute zum wiederholten Male ein verzerrtes Echo dieses Bonmots durch den Kopf: Was ist schon ein Verlagsvertrag verglichen mit der Gründung eines Verlages? Nun wird man nicht über Nacht Verleger. Aber man darf schon einmal die Gedankenübung unternehmen, sich vorzustellen, dass man es sei und sich ein paar Fragen stellen.

Als erstes drängt sich die Frage auf, was für ein Programm einem da vorschwebte. Das ist leicht zu beantworten. Poetische Prosa von Dichtern, intensive Texte aus dem Epizentrum eines starken lyrischen Ich. Das ist zugleich deutlich und verschwommen genug.

Frage Nummer 2: Wie sollten diese Bücher denn aussehen, und was dürften sie kosten? Eine Hardcover-Reihe sollte es sein mit schlichtem, edlen Auftritt. Inmitten des knallbunten Geschreis mit Understatement Aufmerksamkeit erregen. Kosten darf so ein Buch nicht mehr als 19.90 € bei 100 bis 250 Seiten. Umfangreichere Texte sind – zumindest in dieser Sparte – eh obszön. Das ist eindeutig eine kalkulatorische Herausforderung. Aber das Hardcover zu opfern… – In den nächsten Tagen kommen mir Prototypen von Hardcover und Paperback-Option ins Haus. Dann wird man weiter sehen.

Drittens wäre zu klären, wie man ein solch unwirtschaftliches Unternehmen so finanziert, dass es sich zumindest selbst trägt und es erlaubt, den Autoren wenigsten 1 € pro Buch als Tantieme anbieten zu können.

Die vierte Frage schliesslich: Warum sollte ein Autor mir Greenhorn sein Werk anvertrauen, um es auf den Markt zu bringen?

Nun bin ich selbst Autor und sollte also, was die letzte Frage angeht, mir selbst ein guter Indikator sein können. Allerdings fürchte ich, dass ich mit meinem Businesshintergrund etwas anders ticke als die meisten Autoren. Mir selbst käme es beispielsweise nicht mehr in den Sinn, von Literatur leben zu wollen. Was also hätte ich anzubieten? bleibt die Frage, die zu klären ist.

Ist die nämlich beantwortet, ist Frage Nummer 3 sekundär. Da liesse sich ein Modell finden.