Archiv der Kategorie 'Ausser der Reihe'

Man hat auf mich eingeschlagen

Donnerstag, den 12. März 2009

••• Auf faz.net ist heute ein Brief Benedikt XVI. in voller Länge zu lesen, den dieser vor zwei Tagen an die Bischöfe der katholischen Kirche richtete. Darin gesteht er Pannen ein, zeigt deutlich die Bedeutung und Grenzen der Exkommunikationsaufhebung der Bischöfe der Pius-Brüderschaft auf und bekräftigt seine Einstellung zum christlich-jüdischen Dialog. Dass an ihr nie zu zweifeln war, habe ich hier bereits geschrieben. Der Brief ist dennoch ein wichtiges Zeichen. Mir imponiert dieser Mann, der seine Entscheidung rechtfertigt, sich dabei aber nicht scheut, Fehler einzuräumen. Seine Worte, die zum verständnisvollen Miteinander aufrufen, haben mich berührt.

Außer Kontrolle

Samstag, den 7. März 2009

Tracey Emin: My Bed (Installation)
Tracey Emin: My Bed (Installation)

Spiegel: Können glückliche Menschen überhaupt gute Kunst machen?

Emin: Natürlich. Sie machen sogar bessere Kunst als unglückliche Menschen. Denn die Unglücklichen sind ein wenig außer Kontrolle.

Tracey Emin im Gespräch, »Spiegel« 10/2009

Write or Die

Freitag, den 6. März 2009

WriteRoom - Schreiben ohne Ablenkung
WriteRoom – Schreiben ohne Ablenkung

Was Disziplin angeht – sie ist wichtig, wird aber überschätzt. Die wichtigere Tugend für einen Schriftsteller ist Versöhnlichkeit mit sich selbst. Denn dein Schreiben wird dich immer enttäuschen. Deine Faulheit wird dich immer enttäuschen. Du wirst Vorsätze fassen: »Ich werden täglich eine Stunde schreiben«, und dann wirst du es nicht tun. Du wirst denken: »Ich brings nicht, ich bin so eine Niete. Ich bin gescheitert.« Nach dem Kummer dieser Enttäuschung weiter zu schreiben, braucht nicht nur Disziplin, sondern Selbstversöhnlichkeit (die von liebevoller und ermunternder und mütterlicher Zuwendung kommt). Was man sich auch vergegenwärtigen muss, ist, dass alle Schriftsteller meinen, sie würden nichts taugen. Als ich »Eat, Pray, Love« schrieb, hatte ich dieses »Ich brings nicht« wie ein Mantra im Kopf wie jeder, der irgendetwas schreibt. Aber ich erlebte einen Moment der Offenbarung, als ich mich mit dem Gefühl herumquälte, wie unglaublich schlecht doch mein eigenes Schreiben sei und mir klar wurde: »Tatsächlich ist das nicht mein Problem«. Der Umstand, der mir klar wurde, war dieser: Ich hatte dem Universum nicht zugesichert, brilliant zu schreiben; ich hatte lediglich versprochen, dass ich schreiben würde. Also legte ich mich ins Zeug und kämpfte mich durch, wie ich es gelobt hatte.

••• Obiges Zitat stammt von der US-Autorin Elizabeth Gilbert, die auf ihrer Website berichtet, dass und wie sie sich einem Leben als Schriftstellerin »geweiht« hat, wie sich eine Nonne Gott weiht. Aus der Erkenntnis, dass Schreiben um der Aufmerksamkeit und Anerkennung willen nicht viel verspricht, macht sie – und scheinbar mit ihr viele Schreibende – das Schreiben selbst zur Hauptsache. Es einfach tun. Gründe braucht es nicht. Schon gar nicht den, es »brilliant« tun zu wollen.


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Der wahre Gegensatz

Mittwoch, den 4. März 2009

Alvin Plantiga (links) und Daniel Dennett
Alvin Plantiga (links) und Daniel Dennett

••• Nein, ich sehe keine Gespenster. Es ist eine Kampagne gegen jegliche Religion im Gange, befeuert von Überzeugungen, die ihrerseits quasireligiösen Charakters sind. Die des Englischen mächtigen Turmsegler möchte ich heute auf eine hitzige Debatte der APA hinweisen.

Am 21. Februar veranstaltete die Central Division of the American Philosophical Association (APA) – die bedeutendste Berufsvereinigung der Philosophen in den USA – eine Art Debatte zwischen Alvin Plantinga und Daniel Dennett. Plantinga ist einer der Gründer der Society of Christian Philosophers und bemüht sich in seinen Arbeiten um eine Desäkularisierung der Philosophie. Daniel Dennett gehört zu den New Atheists und ist ein entschiedener Verfechter des atheistischen Darwinismus. Während Dennett jeglicher religiösen Ansicht gegenüber in Rage gerät, vertritt Plantiga die Ansicht, dass Religion und Wissenschaft nicht nur durchaus miteinander kompatibel sind, sondern darüber hinaus der wahre Gegensatz vielmehr zwischen Theismus und Naturalismus bestehe.


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…und berührte ihn nur mit den Fingern am Nacken

Mittwoch, den 4. März 2009

Conchita Cintrón
Conchita Cintrón (1922-2009)

••• Vor geschätzten 25 Jahren heiratete eine entfernte Verwandte von mir einen in Ost-Berlin frisch approbierten Kinderarzt aus Ecuador und ging mit ihm nach Quito. Das hatte eine pikante Note. Ihr Ehemann verdankte sein Studium in der DDR der Kommunistischen Partei Ecuadors. Sie selbst hatte Marxismus-Leninismus studiert und war aufgewachsen in Mecklenburg-Vorpommern, im Grenzgebiet zur BRD. Besuchen konnte man sie dort nur, wenn man zuvor einen Passierschein beantragt hatte. Und nun verließ sie das Kleine Land mit ihrem Mann in Richtung Südamerika.

Während eines der eher seltenen Besuche berichtete sie von den Stierkämpfen in Quito. Es schien ihr ein wenig peinlich zu sein, dass sie sich für das blutige Schauspiel begeisterte. Und ganz wie vermutet fielen die Reaktionen der Familienmitglieder verhalten aus: von ungläubigem Unverständnis bis zu offenem Protest. Ich neigte, mit damals vermutlich 12 Jahren, eher dem Protest zu. Vom Stierkampf wurde fortan nicht mehr gesprochen.

In den folgenden Jahren las ich Hemingway, stand aber dem offenbaren Phänomen Corrida weiter verständnislos gegenüber. Ich entdeckte die unzähligen Tuschzeichnungen mit Stierkampfszenen von Pablo Picasso, die ich sehr liebte und mit Nadeln in meinem Zimmer an der Tapete befestigte. Wenn es dämmerte, huschten Stiere, Picadores, Banderilleros und Matadore über die Wände, aber ich begriff noch immer nicht, was Picasso wie Hemingway am Stierkampf so ungemein fasziniert hatte. Dann sah ich eines Tages im Kino die Rosi-Verfilmung von »Carmen« (mit Julia Migenes und Placido Domingo). Die Ouvertüre war mit Bildern eines Stierkampfes unterlegt. Das Blut des Stieres, das vom zerstochenen Nacken rann, war sehr rot und sehr wirklich. Der Stier starb, aber mir erschien die gesamte Szene – ästhetisch. Ich nahm das Gefühl befremdet und nicht ohne eine gewisse Scham zur Kenntnis. Seit diesem Kinoerlebnis wollte ich – zumindest einmal in meinem Leben – einen Stierkampf live von der Tribüne aus erleben.


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