Vor dem Nachbareingang parkt ein Möbelwagen

/Daniel/ Vor dem Nachbareingang parkt ein Möbelwagen. Dahinter steht ein LKW mit roter Aufschrift auf einer grauen Plane: Pianotransporte.

Es ist noch nicht einmal zwei Wochen her, seit meine Nachbarin ins Altenheim gezogen ist. Sie hatte eine Annonce in die Zeitung gesetzt. Es war ein Kommen und Gehen. Fast alles hat sie verschenkt: Schränke, Wäsche, Geschirr und Bücher. Was sie behielt, paßte auf einen kleinen Pritschenwagen. Es ist mein letzter Umzug, sagte sie. Was brauche ich noch?

Sie zog um mit einem Dutzend Bücher, einem Tisch, ihrem Bett, einem Schrank, drei Koffern und fünfzehn Uhren. Sie hatte die ganze Zeit in zwei Kisten gesperrt. Nur die Standuhr, deren Pendel seit Jahren stillstand, hatte sie verschenkt.

Sie wirkte heiter. Der Fahrer half ihr auf den Beifahrersitz des kleinen Lasters. Ich war erstaunt, daß es ihr gelang, dort hinaufzuklettern. Sie winkte mir zu. Das ist wie ein Thron, sagte sie.

Es ist ein Kommen und Gehen. Mir machen diese Dinge Angst. Noch nicht einmal zwei Wochen sind vergangen, seit meine Nachbarin auf dem Thron davonfuhr mit dem wenigen, das ihr geblieben war, und zwei Kisten voll Zeit.

Jetzt bringen die Möbelträger andere Uhren ins Haus. Und in ihrem Rücken lauert ein LKW mit roter Aufschrift auf einer grauen Plane: Pianotransporte.

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