Mir ist es egal, was du sagst

/Nadia/ Mir ist es egal, was du sagst. Ich glaube dir ohnehin nicht. Du bist ein Lügner. Du hättest auf mich hören können, statt zwischen meine Augen zu starren. Das kenne ich schon von anderen Männern. Du bist nicht anders als sie, hältst jede Träne für einen Regentropfen und lächelst noch, selbst wenn ich anfange zu schreien.

Das ist ein dummes Spiel, weißt du? Es macht müde wie Arbeit. Es ist ganz vergeblich. Und morgen erinnerst du dich nicht mehr an mich.

Warum hätte ich dich nur ansehen sollen? Warum nur ein einziges liebes Wort versuchen? Wenn ich mich an dich kralle, daß meine Nägel scharf in deine Haut schneiden, das merkst du. Das weckt dich auf, aber nicht, wenn ich meine Haare wie einen Schleier vor meine Augen fallen lasse, weil jeder Blick durch meine Pupillen auf eine Wunde fällt und ich doch niemandem weh tun kann, nicht einmal dir. Da merkst du nichts von mir. Da bist du ganz blind und ganz taub und ein ganzer Mann.

Ich hatte dich schon bemerkt, als du noch weit hinter mir gingst. Du mußtest schneller gehen mit dem Atem geiler Böcke. Der greift dir ganz flink in den Nacken wie eine nasse Hand, wenn du nicht fortläufst. Ich wußte genau, was du tust. Daß du mich einholen wirst an der Haltestelle, daß du mich weiter ansehen wirst, weil du kein Gespür hast für Augenblicke, in denen man von niemandem angesehen werden will.

Als der Bus kam und ich die Tränen mit dem Ärmel wegwischte zu all dem Regen, da hast du den Kopf gesenkt. Das hat dir eine Chance gegeben. Wärst du stehengeblieben, nicht eingestiegen, hätte ich dich lieben können für diesen Augenblick Hinwegsehen ohne Zurück, ohne Bitte.

Aber ich irre mich immer. Ich irre mich nie. Du hast die Witterung aufgenommen, die Nase schon zwischen meinen Brüsten. Das riecht, wie du es magst, nicht wahr? Das wird dich immer überführen. Du solltest deine Nase abreißen und dich nicht weiter mit einer Verräterin verbünden, wenn du jagen mußt, weil du es nicht lassen kannst. So wirst du immer erkannt, und dein ganzes Spiel ist schon zu Ende, bevor du auch nur anlegen konntest, und der Hirschfänger bleibt eingesperrt. So vergeblich, da gibts kein Ergeben. Da wird nichts verschenkt.

Was bleibt dir anderes übrig, als dich neben mich zu setzen? Du willst ein Spiel haben, ein unheimliches Spiel, das dich lange wachhält, das dich begeistert und anmacht. Du schwenkst die Muleta, die Hand fest um den Degen, und ich weiche nicht aus. Aber manchmal, das weißt du noch nicht, stirbt der Torero, und die Ohren bleiben am Kopf, und ich lebe weiter.

Noch ist gar nichts entschieden. Es wird dir nie gelingen, den Tropfen zu entdecken, den ich küssen möchte. Mein Blick wird schneller sein und zu einem anderen springen, wenn du mir zu nahe gekommen bist. Du glaubst mir nicht. Aber das ist wirklich vergeblich, wenn ich es auch glauben möchte, manchmal, manchmal glaube ich es, aber ganz müde.

Was hindert dich auszusteigen? Noch kannst du gehen, wohin du willst. Noch ist nichts entschieden.

Steig aus und gehe in dieses Café unter den roten Schirm. Der sieht aus, als würde er auf dich warten. Du willst doch nicht böse werden und so tun, als würde er dir gar nichts bedeuten? Du kannst auf einen anderen Nacken zielen und im Dunkeln den Degen loslassen und ein Ohr erbeuten, wenn es gut war, oder auch zwei. Das ist ein Spiel unter Männern, nicht wahr? Da stehe ich nur dazwischen und muß die Stiche hinnehmen.

Mein Ohr kannst du nicht bekommen. Das macht dich rasend. Ich weiß es. Da kannst du wirklich böse werden und den Bus nach vorn sinken und eine Frau schreien lassen und mit der Schlinge kommen, um mich anzubinden, um mich aus der Arena zu schleifen, auch wenn ich nicht tot bin. Das tut mir alles nicht weh, hörst du. Ich greife dir an den Schwanz und kralle mich fest. Schrei doch, wenn du weißt, wie das geht. Das wird dir noch weh tun, wenn alles vorüber ist.

Glaubst du mir nicht? Warum schreist du nicht? Warum siehst du mich an? Wie kannst du selbst jetzt noch lächeln, wo du nicht mal mehr atmest? Wie kannst du mir jetzt noch deine Augen zeigen und keine Angst haben und noch immer so tun, als meintest du mich?

Mir ist es gleich, was deine Augen sagen. Ich kann darüber nur lächeln. Du bist ein Lügner, und deine Augen sind Lügner. Die Glassplitter lügen, die uns schneiden. Auch die Metallschlinge lügt, die uns einfängt. Aber heute ist es eine schöne Lüge. Nach ihr hört es auf zu regnen.

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