Es war immer die Vorstellung der Weite des Feldes

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/Richard/ Es war immer die Vorstellung der Weite des Feldes, der Ebene und so zu gehen mit einem kurzen Blick nach rechts, links, die Entdeckung zweier schwarzer Linien in der Ferne, die ich erst für die dichten Reihen von Chausseebäumen hielt, Flankierungen zweier Straßen womöglich, die irgendwo in der Ferne vor mir zusammenlaufen. Dann jedoch, nachdem ich eine Weile gegangen war, entpuppten sich die vermeintlichen Chausseebaumreihen als Mauern, zwar weit voneinander entfernte, doch zu beiden Seiten meines Weges und in der Richtung, in die ich gehe, einander immer näher kommend.

Allerdings habe ich noch immer die Vorstellung von Weite und Freiheit, und das bloße Dasein der Mauern, die ich bemerkte, beunruhigt mich noch nicht. Ich gehe weiter. Da ist etwas Manisches in meinem Gehen, etwas fraglos Zwanghaftes; aber es ist ja, wenn auch die Mauern näher und näher rücken, immer noch alles sehr weit.

Nach einigen Minuten kommt es mir allerdings so vor, als ginge ich nicht mehr auf dem weiten Feld, sondern schlendere einen Großstadtprospekt entlang, wenn da auch keine Häuser sind, sondern nur die Mauern. Nach und nach wird aus dem Boulevard eine Straße, eine kleinere Straße und schließlich eine Gasse. Aber ich gehe noch immer, als zöge mich magisch etwas mir noch Unbekanntes an.

Das läßt mich dann aber doch ein wenig unruhig werden, als die Mauern schon so nahe beieinander sind, daß sie rechts wie links meine Schultern berühren; und es macht mir Angst, als ich schließlich nur noch seitlich mich vorschiebend vorankommen kann auf diesen Punkt zu, der da ruft.

Von Weite kann keine Rede mehr sein. Da sind nun die Mauern vor meiner Brust, ganz dicht, und spürbar nah auch an meinem Rücken. Ich kann nicht glauben, daß ich vor Kurzem noch glücklich war. Es ist mir unerklärlich, daß es je so etwas wie unbedrängtes Vorankommen gegeben haben soll.

Immer noch ruft es mich und treibt mich weiter – bis in den Stollen, der da, wie ich dumpf bemerke, beginnt. Nun bin ich auch von oben eingeschlossen. Aber der Befehl ist ja eindeutig: Du mußt weiter gehen.

Die Mauern, zwischen denen es immer enger, die Decke, die immer niedriger wird, reißen mir die Kleider in Fetzen vom Körper. Während ich mich, an sie gepreßt, durch die Enge quäle, stoße ich mich blutig an ihnen, bis ich irgendwann festsitze und nicht mehr weiter kann, von den Seiten, von oben und unten eingekeilt bin, in den Schraubstock gespannter Kopf.

Ich höre noch immer den Ruf, das herrische Wort. Doch weiter geht es wirklich nicht, wenn ich auch unter Aufbietung sämtlicher Kräfte alles Mögliche versuche, um wenigstens ein wenn auch noch so winziges Stück weiter voranzukommen. Ich kämpfe wirklich.

Es wird sicher gut enden, sage ich mir vor. Ich weiß, daß sich etwas verändert. Vielleicht trete ich heraus aus mir und kann mich selbst von außen betrachten: verklemmt im Stollen, im Schacht. Das wäre lustig.

Es gelingt mir auch wirklich, und also hoffe ich noch, das alles nur zu träumen. Doch als ich schließlich, wie ich fest glaube, erwache, sind da noch immer Mauern und Decke und ich und alles so eng, als wäre ich mit Beton eingegossen worden. Wobei das Blut ist, was mich umgibt und mein Herz seit Stunden nicht mehr geschlagen hat.

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