Einer Madonna
Ex-Voto in spanischem Geschmack
Aus meinem tiefen Leid will den Altar ich bauen,
Verborgenen Altar, dir höchste aller Frauen,
In einer Nische tief im Herzensgrund versteckt,
Wo ihn kein eitler Wunsch, kein Spott der Welt entdeckt.
Die Wölbung sei von Gold und von Azur bespannen.
Dort ragt dein Bildnis hoch, ernststaunend und versonnen.
Der Ferse Gitterwerk aus edelstem Metall
Mit Reimen übersät, hellfunkelnd wie Kristall,
Flecht‘ ich zum Diadem, das leuchtet wie die Sonne.
Aus meiner Eifersucht, o sterbliche Madonne,
Wird eines schweren, starren Mantels Pracht,
Barbarisch ausgeschmückt, gefüttert mit Verdacht,
Der einem Panzer gleich umschliesst des Leibes Blühen,
Drauf keine Perlen, doch all meine Tränen glühen.
Mein Sehnen ist das Kleid, das zitternd dich umfängt,
Das wellengleich sich hebt und wellengleich sich senkt,
Sich wiegend auf den Höhn, im Tale Ruh geniessend,
Den weiss und rosigen Leib in sanftem Kuss umschliessend.
Die Ehrfurcht ist der Stoff des schweren Seidenschuhs,
Der demutvoll sich schmiegt um deinen Götterfuss,
Ihn sanft und weich umfängt in zärtlichem Gebaren,
Den treuen Abdruck mir des Fusses zu bewahren.
Wenn ich trotz aller Kunst und List, die ich ersann,
Dir nicht den Silbermond als Schemel geben kann,
Leg ich die Schlange, die mein Innerstes zerrissen
Zu Füssen dir, dass du mit deinem sieggewissen
Und königlichen Stolz das Ungetüm zertrittst,
Das ganz von Hass geschwellt, den giftigen Geifer spritzt. –
Um dich, o Königin, stehn glühend meine Schmerzen,
Wie auf dem Hochaltar die schlanken Weihekerzen,
Ihr Widerschein besternt der blauen Wölbung Wand,
Zu dir ist immerdar ihr strahlend Aug‘ gewandt.
Und wie die Wünsche dich umschmeicheln und umschwirren,
Wird alles Weihrauchduft und Benzoe und Myrrhen,
In heiligen Dämpfen hebt mein stürmisch dunkler Geist
Zu deinem Gipfel sich, den ewiger Schnee umgleisst.
Dass ganz Mariens Bild du mögest gleich erscheinen,
Muss ich die Grausamkeit der heissen Liebe einen.
Komm, schwarze Wollust, wähl‘ Todsünden sieben aus!
Ich, feiger Henkersknecht, schmied‘ sieben Schwerter draus,
Geschliffen blank und scharf; und wie im Gaukelspiele
Wähl‘ ich dein Lieben mir, dein tiefstes Ich zum Ziele,
Und stosse fühllos zu, – wild zuckst du auf im Schmerz –
Ich traf dein schluchzendes, dein blutend Menschenherz.
Charles Baudelaire
aus: „Les Fleurs du Mal – Die Blumen des Bösen“
Übertragung: Therese Robinson
© Georg Müller Verlag München (1925)
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