Die Schlange, die tanzt
Holde Lässige, wie gerne
Dich mein Auge schaut,
Wenn gleich einem schwanken Sterne
Schillert deine Haut.
Auf des Haares weichen Schwellen,
Hauchend herb und lau,
Schweifend Meer voll duftger Wellen,
Wogend schwarz und blau
Zieht, wie nach des Winds Befehle
Schifflein ohne Ruh,
Meine träumerische Seele
Fernen Himmeln zu.
Ach, in deinen Augen schimmert
Nichts was herb noch hold,
Kalt Geschmeid, das frostig flimmert,
Stahl vermischt mit Gold.
Und dein Schreiten rhythmisch wiegend
Stolz und frei und schön
Mahnt an Schlangen, die sich biegend
Auf dem Stabe drehn.
Unter deiner Trägheit Bürde
Wiegst so zärtlich weich
Du dein kindlich Haupt voll Würde,
Jungen Tieren gleich.
Und du streckst dich, neigst dich wieder
Gleich dem Schiff, das ruht;
Und nur leise auf und nieder
Schaukelt mit der Flut.
Wie die Welle an der Klippen
Eisumstarrten Strand
Spült die Feuchte deiner Lippen
An der Zähne Rand.
Und ich trinke Feuerweine,
Bitter, stark wie Erz,
Himmel, die mit Sternenscheine
Überstreun mein Herz!
Charles Baudelaire
aus: „Les Fleurs du Mal – Die Blumen des Bösen“
Übertragung: Therese Robinson
© Georg Müller Verlag München (1925)
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