Die Juwelen
Die Holde war ganz nackt, doch kennt den Liebsten sie
Und hatte sich geschmückt mit klingendem Geschmeide,
Des überreiche Pracht ihr sieghaft Aussehn lieh,
Maurischen Sklaven gleich in ihrem Feierkleide.
Wenn hell und spöttisch klirrt im Tanze Gold und Stein,
Und alles flimmernd sprüht von leuchtenden Juwelen,
Ergreift Verzückung mich, und bis zu Wut und Pein
Lieb‘ ich die Dinge, drin sich Klang und Licht vermählen.
Nun lag sie da, umglüht von zärtlichem Begehr,
Und lächelte voll Lust von ihres Diwans Kissen
Auf meine Liebe, die, anschwellend wie das Meer,
Aus nächtigen Tiefen stieg, zum Ufer hingerissen.
Die Blicke hielten mich wie ein gezähmtes Tier,
Unsicher, träumerisch bewegte sie die Glieder,
Und Kindlichkeit, vermischt mit Lüsternheit und Gier,
Goss neuen Zaubers Reiz auf jede Wandlung nieder;
Und all die Herrlichkeit, Schenkel und Arm und Bein,
Glänzend und schwanengleich in sanfter Biegung schwellen
Sah mein entzückter Blick, mein Auge klar und rein;
Die Brüste, Trauben, die an meinem Weinstock quellen,
Sie nahten schmeichlerisch, den bösen Engeln gleich,
Aus ihrer Ruhe mir die Seele aufzustören,
Und sie, die einsam thront im stillen, kühlen Reich
Auf dem kristallnen Fels, zu quälen und betören.
Ich glaubt‘ vereint zu sehen, was ich noch nie geschaut,
Antiopes Hüften und die Schultern eines Knaben,
Den kräftigen Gliedern und der fahlen, braunen Haut
Die duftigen Salben fremde Reize gaben!
Das Licht glomm langsam aus, ergab sich still dem Tod,
Nur vom Kamin der Schein flackerte hin und wieder,
Und immer, wenn die Glut aufseufzte, floss es rot,
Ein blutiger Strom, um ambrafarbne Glieder!
Charles Baudelaire
aus: „Les Fleurs du Mal – Die Blumen des Bösen“
Übertragung: Therese Robinson
© Georg Müller Verlag München (1925)
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