De profundis clamavi

Zu dir, du Einzige, soll mein Ruf erschallen
Aus tiefster Nacht, darin mein Herz versank.
Hier ist die Luft wie Blei, die Erde krank,
Und Fluch und Schauder durch das Dunkel wallen.

Sechs Monde schwebt die Sonne kalt und fahl,
Sechs Monde sind von eisiger Nacht umsponnen,
Es grünt kein Baum, kein Strauch, es rauscht kein Bronnen,
Auf Erden ist kein Land so tot und kahl.

Und nichts auf dieser Erde weit und breit
Gleicht jener kalten Sonne Grausamkeit,
Dem Chaos dieser ungeheuren Nacht.

Das niedre Tier selbst meinen Neid entfacht,
Dem dumpf in Schlaf gewälzt der Tag vergeht,
Wenn langsam sich der Zeiten Spindel dreht.

Charles Baudelaire
aus: „Les Fleurs du Mal – Die Blumen des Bösen“
Übertragung: Therese Robinson
© Georg Müller Verlag München (1925)
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