Aufforderung zur Reise

Kind, Schwester, hold ist’s zu träumen,
Wir zögen zu zwein ohne Säumen
Nach jenem herrlichen Land.
In Lieb uns verstehend,
In Liebe vergehend,
Dort wo die Welt dir verwandt.
Wo die feuchten Sonnen,
Von Schleiern umsponnen,
Erwecken so seltsame Glut,
So rätselhaft Sehnen
Wie dein Auge voll Tränen,
Drin verräterisch Leuchten ruht.
Dort, wo Frieden, Lust und Prangen,
Glanz und Wollust uns umfangen.
Viel blankes Gerät
Im Saale steht,
Die Jahre gaben ihm Schimmer.
Fremder Blumen Duft,
Weiche Ambraluft
Durchwehen wie Träume das Zimmer.
Die Wände so weich,
Die Spiegel so reich,
Des Orients leuchtend Gepränge
Fast scheint es dir,
Als vernähmest du hier
Der Seele Heimatklänge.
Dort wo Frieden, Lust und Prangen,
Glanz und Wollust uns umfangen.
Sieh auf dem Kanal
Im sonnigen Strahl
Die träumenden Schiffe gleiten.
Dein kleinstes Begehr,
Sie bringen es her
Von der Erde entlegensten Weiten.
Den Fluss und das Land
Umschlingt wie ein Band
Der Schimmer der sinkenden Sonne,
In goldlila Glut
Die Erde ruht,
Hinsterbend in glühender Wonne.
Dort wo Frieden, Lust und Prangen,
Glanz und Wollust uns umfangen.

Charles Baudelaire
aus: „Les Fleurs du Mal – Die Blumen des Bösen“
Übertragung: Therese Robinson
© Georg Müller Verlag München (1925)
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