Als ich bei einer Jüdin lag
Als ich bei einer Jüdin lag zur Nacht,
Ein Leichnam bei dem andern hingebreitet,
Hab‘ ich bei ihr, die hässlich, irrgeleitet,
Der düstern Schönen meines Traums gedacht.
Ich sah des Heimatlandes stolze Pracht,
Den ernsten Blick, drin Kraft und Anmut streitet,
Das Haar, das wie ein duftiger Helm sich spreitet
Und beim Gedanken schon mein Blut entfacht.
Voll Inbrunst hätte ich umhüllt den Leib
Vom Fuss bis zu der schwarzen Wellen Fluten
Mit meinen Zärtlichkeiten, meinen Gluten,
Hätt‘ einmal, grausam königliches Weib,
Einmal die Träne dir im Aug‘ gefunkelt,
Die dieses Sterns eiskalten Glanz verdunkelt.
Charles Baudelaire
aus: „Les Fleurs du Mal – Die Blumen des Bösen“
Übertragung: Therese Robinson
© Georg Müller Verlag München (1925)
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