Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie ein sehr verwirrter, paranoider Autor sind, der irgendwie auf die Nachtseite geraten ist oder schon immer dort war. Ihre Erzählung stellt eine ernsthafte Gefahr dar für Sie selbst und andere! Dennoch wünschen wir Ihnen alles Gute.
••• U. T. Rossel Escalante Sánchez – Lektorin eines namentlich nicht näher bezeichneten Verlagshauses – lehnt Herrn p.- als Autor und dessen neueste Prosa „Die Geschichte des Uhrenträgers“ per Brief brüsk ab: „Ausnahmsweise werden wir unsere Ablehnung begründen, weil es diesmal so einfach ist…“
Erst habe ich die Lektüre sehr genossen. Aber dann fragte ich mich doch: Geht sie nicht zu hart mit ihm um? Ich finde an seiner Grammatik gar nichts auszusetzen. Dass er Nebensätze verwendet, ist natürlich unverschämt. Aber man soll ja auf Kritiken nicht anworten…
Ich will nicht versäumen, das so brüsk abgelehnte Werk nochmals ausdrücklich zu empfehlen.
Am 20. Mai 2008 um 21:15 Uhr
Ich schliesse mich aus vollem Herzen an! Welche bodenlose Frechheit, diese „Rezension“. Das ist geradezu geistige Impotenz. Im übrigen weiss ich aus unsauberen Quellen, dass ein Manuskript der Autorin dieser Schweinerei von ihrem eigenen Verlag noch wesentlich brüsker abgelehnt wurde. Diese neurotische Frau schiebt vermutlich einen gigantischen Komplex und ist offensichtlich von Neid zerfressen.
Am 20. Mai 2008 um 22:19 Uhr
ich selbst glaube allerdings (und es mag hier ein merkwürdiger zufall sein, daß ich den selben namen trage wie der autor), daß man werke des besagten p.- grundsätzlich ablehnen sollte. was für ein autor er auch sein mag (keiner weiß es, dann man liest derartiges zeug gottseidank nicht mehr), spielt anbei keine rolle, denn die größten kranken waren ja immer schon die besten dichter – in diesem falle aber wohl nicht. ich selbst möchte warnen, sich eine derartige bildung anzueignen, überhaupt verstehen zu können, was dieser typ schreibt. wir benötigen leichte kost, wollen uns amüsieren und sind nicht erpicht auf einen sprachfetischisten, der nicht nur leseerfahrung fordert sondern auch noch kenntnis des weltenlaufs. wir sollten doch eher an stereotypen festhalten und an unserer so gescholtenen dummheit (auch ignoranz), mit der wir es schließlich zu einer wirtschaftsmacht gebracht haben. und: sind wir nicht alle eigentlich glücklich? geht es uns nicht allen unglaublich gut?
sehen sie, es genügt doch, wenn wir ausländische autoren diesen kauderwelch fabrizieren lassen und diese dann übersetzen. wir selbst sollten rein bleiben, sauber nahezu, die wirklichkeit abdrücken, wie jedermann sie wahrnehmen kann.
mit sprachartistik und kunstfertigkeiten auf allerhöchsten niveau sollten wir uns niemals identifizieren.
hehe…
andernfalls. die rezension zeigt natürlich, worin die rezensorin lebt, mit was sie sich selbst auseinanderzusetzen hat und wie sie dann eine welt aufschlägt, die ihr wie ein wunder vorkommen muß. das war eigentlich das einzige, das mich selbst verwundert hat, denn ich weiß sehr wohl, daß die rezensorin literarisch nicht ungebildet ist.
lassen wir einmal außer acht, daß die rezension ja eigentlich ein kompliment sein soll, liegt die schwierigkeit besonders darin, kaum etwas über das buch selbst gesagt zu haben, mehr aber über die mögliche herangehensweise jener zeitgenossen, die von vorneherein mit literarischen höchstleistungen nichts anzufangen wissen.
der uhrenträger ist so eine höchstleistung, doch kann ein anderer autor (eine autorin) das schlecht so offen sagen, ohne daß sie/er gleich den vorwurf ernten wird, meinen schwanz derart gut zu lutschen, daß sich sogar meine elektrische gummipunze eine scheibe davon abschneiden muß, will sie mich auch weiterhin inspirieren und nicht schon jetzt auf den elektronikmüll geworfen werden.
Am 20. Mai 2008 um 23:11 Uhr
Nicht eigentlich soll, IST. Aber auch das zu erkennen erfordert ein wenig Leseerfahrung.
Ich (ich oute mich jetzt mal als ich) bin von Natur aus kein Rezensent (weshalb ich nie von Rezension sprach und “ “ verwendete). Man müsste ja das Buch zusammenfassen, was einem Buch meist abträglich ist (und manchen sogar das Gefühl gibt, es gar nicht mehr lesen zu müssen, aber die sind eh verloren) und dann lossülzen, beträufelt mit ein paar Wermutstropfen, um glaubwürdig zu bleiben. Man kann noch so gewandt sein im Rezensieren, es läuft dennoch fast immer auf eine Einebnung hinaus.
Immer schön gemach. Ich bin in nichts, sondern ganz ausserhalb. Habe ein wenig den Eindruck, dass ich diesbezüglich chronisch unterschätzt werde (während ich bezüglich literarischer Bildung massiv überschätzt werde, ich habe KEINERLEI literarische Blidung – erlaubt dafür einen unverstellteren Blick).
Und ja, selbstverständlich ist das Buch ein Wunder, es kommt einem nicht nur so vor. Aber das klingt nun doch ein wenig so, als hätte mich jener obskure Autor namens p.- sozusagen literarisch entjungfert (ha, diese Dichterphantasien sind längst durchschaut!!); wär ja noch schöner! Ich bin unter anderem deshalb ein unglücklicher Mensch, weil ich immer wieder in Wunder stolpere, so selten sind sie dann doch nicht.
Der Uhrenträger ist eine Höchstleistung. Natürlich könnte ich das offen sagen. Aber „offen“ ist ja nun nicht eben kunstvoll. Das ist etwas für Jungfrauen und Gummipunzen. (Pffffff!!)
Am 20. Mai 2008 um 23:24 Uhr
wärst du literarisch ungebildet, wie du es sagst, würde ich kein wort mit dir wechseln, weil mich dieses klientel nicht nur nicht interessiert, sondern kalt läßt. ich messe das nicht an mir, muß ich dazusagen, denn sonst würde ich selbstgespräche führen. ich glaube ferner, dass es nicht allein davon abhängt, wie viel bücher jemand gelesen hat (denn davon gibt es eine menge, die wahrscheinlich alles und jeden in den schatten stellen und dennoch keinen schimmer von poesie haben), sondern von der liebe zur sprache, die jemanden einen (seinen) individuellen pfad entlang führt. es geht wie immer um ein denkmanöver, und das hat mit geistigen qualitäten mehr zu tun als mit dem eigentlich geschriebenem.
das ganze technische gewäsche ist für mich irrelevant, denn es ist etwas, das man sich wie das kreuzworträtselwissen aneignen kann. der punkt dessen, was literatur ist, liegt in dem, was man sehen kann. literatur ist sicht, schauen, erkennen. man sieht an dem, wie ein dichter vorgeht das, was und wie er schaut. die menschen erkennen die oberfläche und präzisieren sie – das ist dem poetischen geist eine lachsalve wert. wie tief jemand zu schauen vermag, zeigt er in dem, was er schreibt. da stehen sie an der pfütze und rufen: „bist du da drin?“
da stehen sie vor den bäumen und gellen: „hast du dich in DAS da verwandelt?“ da jauchzen sie: „du bist nicht mehr ganz dicht!“ fürwahr, will man denken, für euch!-halte ich meine blase nicht zurück.
Am 20. Mai 2008 um 23:45 Uhr
Sehr schön gesagt wiedermal! Recht eigentlich ein Gedicht.
Meine Schulbildung lief genau so ab, wie Markus es hier für Brasilien schildert. Auf vier Stunden Kommaregeln kam eine Viertelstunde Goethe und Gotthelf. Keine Literaturgeschichte, keine Verknüpfung mit Geschichte, Philosophie und bildender Kunst, nichts über literarische Gattungen und schon gar nichts über Poesie („über“ Poesie geht ohnehin nicht, entweder man ist IN der Poesie oder man ist überhaupt nicht). Zeitgenössisch null. Dito für die Fremdsprachen. Es hätte mir die Literatur beinah verleidet – fast ein Glück, dass ich damals zur Überbrückung auch viel Schund gelesen habe. Wenn ich in den Schülerduden „Literatur“ 10. Schuljahr schaue, habe ich nichts von dem jemals in 14 Schuljahren gehört.
Meine literarische Bildung (na gut, hab ich sie halt!) ist wohl fast eine reine Herzensbildung, ja, eine Sehschule, besser Sinnenschule. Ein paar kanonische Dinge muss man wohl wissen, ob man sie mag oder nicht, das eigne ich mir an (so manches mag ich durchaus). Der Rest ist wie Du sagst: Schauen, Sehen, Staunen. Es braucht die Fähigkeit, sich überraschen und erschüttern zu lassen, sich niemals an irgendetwas zu gewöhnen. Es ist ja mehr eine Haltung als eine Bildung. Wohl das, was in der Religion unter ICH BIN (ich bin der ich bin, ich werde etc.) läuft.
Aber das ist jetzt redundant, du hast ja schon alles gesagt.