Pariser Traum

An Constantin Guys

I

Von jenem fremden Land, das nimmer
Ein sterblich Auge noch erblickt,
Hat diesen Morgen mich ein Schimmer,
Ein zartes, fernes Bild erquickt.

An Wundern schwer sind unsre Träume!
Durch eine Laune fremd und irr
Bannt‘ vom Gemälde ich der Bäume
Und Pflanzen regellos Gewirr.

Und, froh im Bild dies zu erreichen,
Genoss mein stolzes Malerherz
Den Rausch des Fahlen, Ewiggleichen,
Das strömt aus Wasser, Stein und Erz.

Babylons Treppen und Arkaden,
Ein Riesenschloss, wo Wunder blühn,
Wo Quellen leuchten, und Kaskaden
In matte, goldne Becken sprühn.

Wo Wasserfälle niederrauschen
Und wie ein Vorhang von Kristall
Sich schimmernd um die Mauern bauschen,
Die glatten Mauern aus Metall.

Nicht Bäume, sondern Kolonnaden
Umgaben ernst den stillen Teich,
Drin sich gigantische Najaden
Spiegelten, schönen Frauen gleich.

Und weite, blaue Wasser zogen
Entlang am rosig grünen Strand,
Umspülend mit den leichten Wogen
Des weiten Weltalls fernstes Land.

Und es gab Steine, deren Flimmer
Ganz unerhört, gab magische Flut,
Gab Eis, in dessen mattem Schimmer
Die ganze Welt gespiegelt ruht.

Und Riesenströme flössen schweigend
Durch dunkles Ätherblau bei Nacht
Und gossen, ihre Urnen neigend,
Strahlen in diamantnen Schacht.

Erbauer dieser Herrlichkeiten,
Liess ich nach meinem Wunsch und Plan
Durch den smaragdnen Tunnel gleiten
Das Weltmeer, das mir Untertan.

Und alles, selbst das Schwarz erglühte
Geschliffen, schillernd, blank wie Stahl,
Und aus den hellen Fluten sprühte
Ein leuchtender kristallner Strahl.

Kein Stern, ringsum, kein Himmelszeichen,
Kein Sonnenschein, der drauf geruht,
Die Dinge all, die überreichen,
Erstrahlten in der eignen Glut!

Und über diese Welt ergossen,
Die einzig nur dem Aug‘ geweiht
Und (grausam Spiel) dem Ohr verschlossen,
Lag Schweigen der Unendlichkeit.

II

Erwachend, noch vom Schau’n geblendet.
Fand ich in öder Kammer mich,
Und in mich selbst zurückgewendet
Fühlt‘ ich der Sorgen scharfen Stich.

Die Uhr mit wuchtig harten Schlägen
Schlug Mittag, und vom Himmelszelt
Sank Finsternis und grauer Regen
Langsam auf die erstarrte Welt.

Charles Baudelaire
aus: „Les Fleurs du Mal – Die Blumen des Bösen“
Übertragung: Therese Robinson
© Georg Müller Verlag München (1925)
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