Ghost Dog (Jim Jarmusch) – Szenenfoto
Man muß „die Lektion des Platzregens“ verstehen. Ein Mann, der unterwegs von plötzlichem Regen überrascht wird, rennt die Straße hinunter, um nicht naß und durchtränkt zu werden. Wenn man es aber einmal als natürlich hinnimmt, im Regen naß zu werden, kann man mit unbewegtem Geist bis auf die Haut durchnäßt werden. Diese Lektion gilt für alles.
Tsunetomo Yamamoto (1659-1719)
aus: “Hagakure – Der Weg des Samurai”
••• Wie wohl die meisten hierzulande, die das „Hagakure“ von Tsunetomo Yamamoto kennen, bin ich durch Jim Jarmuschs Film Ghost Dog auf dieses Buch aufmerksam geworden. Von Jarmuschs Film – den ich zusammen mit der Herzdame mehrmals gesehen habe – geht mindestens ebenso ein befremdlicher Reiz aus wie von dem Buch, das im Film an diversen Stellen zitiert wird.
Ghost Dog ist Samurai; ein schwarzer Auftragsmörder, der nach altem japanischen Gesetz lebt und tötet. Ghost Dog liest, meditiert, vollzieht einen Tanz mit seinem Schwert; sein Leben ist ein Weg zum Tod, zu den Worten des Hagakure und dem Dub von RZA. Am Ende wird er ein kleines Mädchen den Kodex der Samurai lehren: Denn Tradition ist, wie es anderswo heißt, die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche.
Was mich an dem Buch so fasziniert, das ist die westlichen Moralvorstellungen völlig zuwiderlaufende Einstellung zum eigenen Leben und dem Wert eines Menschenlebens überhaupt. Dass die dortige Prämisse, der Mensch existiere nur für den Dienst an seinem Fürst, müsse den Tod im Kampf für den Fürsten geradezu suchen, statt ihn zu vermeiden, ja nach dem Tod des Fürsten durch Seppuku aus dem Leben gehen, da es keinen weiteren Anlass zum Weiterleben gäbe — dass diese Idealvorstellung sich ebenso für einen auszubildenen Samurai eignet wie für einen Kamikaze-Flieger im Japan des II. Weltkriegs oder aber eben auch für einen Rekruten der Waffen-SS.
Irritierend dabei ist jeweils, wie stimmig das entworfene Idealbild in sich ist. Man muss gar nicht so weit – also bis nach Japan – schweifen, um vergleichbare Beispiele zu finden. Ich bin vor einigen Jahren in einer Jeschivah (Talmud-Schule) auf eine ähnliche Problematik im Talmud gestossen. Doch davon ein anderes Mal mehr…
Am 7. Januar 2008 um 14:02 Uhr
Der Film ist gar nicht so befremdlich, das Buch schon eher. Den Film könnten wir eigentlich mal wieder anschauen!? :)
Am 7. Januar 2008 um 14:10 Uhr
Das stimmt wohl. Und: ja, gern. Hast Du heute abend schon was vor? :-)
Am 7. Januar 2008 um 14:39 Uhr
wenn´s mir gut geht geh ich raus, aber wahrscheinlich nicht. also sag gleich bescheid, damit ich einen film ausleihen kann oder wir schauen meinen neuen an: »» „Paprika oder: Das Mädchen deiner Träume“ ;)
Am 7. Januar 2008 um 14:44 Uhr
Aha, hört sich guuut an. Ich bin dabei. Obwohl ich natürlich andererseits hoffe, dass es Dir abends wieder besser geht.
Am 9. Januar 2008 um 22:39 Uhr
„Ghost Dog“ erforscht die Entwicklung (und das Aussterben) der Traditionen in sovielen Weisen, dass man sie kaum aufzählen kann: Cartoons, Samurai, Hip-Hop, Mafia, Tauben, Gangsterfilmen. Und wie „Smoke“ scheint „Ghost Dog“ zum Schluss zu kommen, dass die Tradition eigentlich nur fortfahren kann, wenn man sie nicht eingrenzt: der Ghettojunge wird Samurai und Mafioso, der Gangsterfilm schliesst sich die Cartoons an, das Mädchen übernimmt die Tradition von Ghost Dog.
Und diese kurze Besprechung sagt kein Wort zu einer anderen zentralen Figuer: Raymond, der Eisverkäufer.
Am 7. Juni 2017 um 01:58 Uhr
Samurai heißt so etwas ähnliches wie „Gefolgsmann“, „Diener“, etc.. Es geht also nicht um ein allgemeines Menschenbild, wie Du schreibst, sondern um das Verhalten von Menschen, die bedingungslos folgen, also keine eigenen Entscheidungen treffen im Gegensatz zu Ninja:
Der Ehrbegriff hat sich wie bei den europäischen Rittern erst entwickelt, als die Bedeutung der Samurai abnahm. Als Kompensation entwickelte man ein überhöhtes Selbstbild. Vorher waren es wie die europäischen Rittern eher Psychopathen, denen eigenes und fremdes Leben nicht viel wert waren.