동짓달 기나긴 밤을 한 허리를 버혀 내어
춘풍 니불 아래 서리서리 넣었다가
어론님 오신 날 밤이어든 굽이굽이 펴리라
Mittwinter, zu lang die Nacht –
zwei Hälften möchte ich daraus machen.
Und die zusammenrollen, stecken in
die Decke für die Frühlingsnacht.
Und wenn der Liebste wieder kommt zu mir,
roll ich sie wieder auf, damit die Nacht zu strecken.
Hwang Chini (etwa 1516-1544)
••• Während in der Prosa die Beschränkung auf bestimmte Mittel der Form offenbar wenige Anhänger hat, war in der Lyrik schon immer die Beherrschung bestimmter tradierter Formen unverzichtbarer Bestandteil von Meisterschaft. Besondere Beschränkung forderte vom Dichter (oder der Dichterin) in Japan der Haiku oder Tanka, der nicht nur die Anzahl Zeilen und Silben pro Zeile vorschreibt, sondern auch das statthafte Themenfeld.
Eine dem Haiku verwandte koreanische Form des Kurzgedichtes — Sijo — lockert zwar die thematische Fessel, ist dafür jedoch so kompliziert in der formalen Vorgabe, dass es einen deutschen Sijo wohl kaum geben kann. Auch der Sijo wird in drei Zeilen geschrieben, besteht jedoch statt aus 17 (Haiku) bzw. 31 (Tanka) aus 44 bis 46 Silben. Festgelegt ist nicht nur ihre Aufteilung auf die Zeilen, sondern auch die Silbenverteilung auf die einzelnen Wörter in den Zeilen.
Das Silbenschema sieht wie folgt aus:
1. Wort | 2. Wort | 3. Wort | 4. Wort | |
1. Zeile | 3 Silben | 4 Silben | 3/4 Silben | 4 Silben |
2. Zeile | 3 Silben | 4 Silben | 3/4 Silben | 4 Silben |
3. Zeile | 3 Silben | 5 Silben | 4 Silben | 3 Silben |
Pro Zeile „finden sich vier Silbengruppen, von denen die erste und zweite, die dritte und vierte grammatische Einheiten darstellen. Streng reglementierte Teile mit fester Silbenzahl stehen anderen gegenüber, die ihrem Aufbau nach variieren, die unterschiedlich lang sein können. Ordnung wechselt mit Freiheit – darin liegt eine große Dynamik der Ausdrucksmöglichkeiten. Die einzelnen Silbengruppen sind auch bedeutungsmäßig Einheiten, die Zeilen entsprechen jeweils Sätzen. Inhaltlich lebt die Form von einer inneren Entwicklung: ein Thema wird gesetzt, wird in der zweiten Zeile ausgeführt, die dritte Zeile bietet ein Gegenthema.“
(Dr. Hans-Jürgen Zaborowski: »» „Sijo-Kurzgedichte“)
Wie man angesichts eines solchen Reglements überhaupt noch von Freiheit sprechen kann, ist mir ein Rätsel. Aber natürlich ist eine solche Form nur in einer Sprache denkbar, die entsprechend strukturiert ist und den passenden Wortschatz hierfür liefert. Ins Englische lassen sich Sijos so noch übersetzen, ohne die Form (wie in obiger deutscher Übertragung) gänzlich zu verwischen.
Trotz des strengen Regelwerks bedeuten die Sijos gegenüber Haiku und Tanka eine gewaltige Befreiung für den Dichter. Da mehr Silben zur Verfügung stehen und Themen sowie die Art der Themenbearbeitung nicht festgeschrieben sind, werden bspw. Metaphern möglich, ein Stilmittel, das sich der Haiku fast gänzlich versagen muss.
Am 9. Dezember 2007 um 11:46 Uhr
Offensichtlich funktioniert der Trackback nicht, daher setze ich den Hinweis per Kommentar.
Alles Gute, sonogara
Am 9. Dezember 2007 um 12:50 Uhr
Vielen Dank dafür. Ich scheue, um ehrlich zu sein, allein den Versuch. Aber vielleicht sollte man doch einmal…
Am 9. Dezember 2007 um 18:30 Uhr
Wie wäre es mit einem Aufruf oder Wettbewerb? Du hast viele aktive Leser und die unterschiedlichen Herangehensweisen könnten sehr interessant sein.
Am 9. Dezember 2007 um 20:20 Uhr
Ich habe nichts dagegen. Jeder fühle sich eingeladen. Wenn die Anzahl Silben pro Zeile stimmt, wäre es ja schon ein guter Anfang…