- Adjektive sollen vermieden werden.
- Gefühle sollen nicht benannt, sondern dargestellt werden.
- Gebrauchte Metaphern sind verboten.
- Es muß im Präsens geschrieben werden.
- Ein Satz hat nicht mehr als fünfzehn Worte.
- Die Perspektive darf nicht gewechselt werden.
- Der allwissende Erzähler ist tot.
- Jeder Text, der das Hamburger Dogma erfüllt, soll vom Autor als solcher gekennzeichnet werden.
via: Lou A. Probsthayn
••• Aufmerksam geworden bin ich auf das „Hamburger Dogma“ über ein Interview mit Lou A. Probsthayn und Gunter Gerlach in der aktuellen Ausgabe von EDIT (Papier für neue Texte), eine weitere Literaturzeitschrift, über die noch zu berichten sein wird. Von EDIT hinwiederum erfuhr ich aus der Bio-Bibliographie von Ulrike A. Sandig, die seit kurzem zum Redaktionsteam eben dieser Zeitschrift aus Leipzig gehört.
Ich halte ja nicht besonders viel von Manifesten, von Dogmen ganz zu schweigen. (Oh, da könnte der aufmerksame Leser aufheulen: grad sowas von mir gesagt, ich wage es dennoch…) Aber selbst wenn ich davon wenig halte, scheinen mir die Punkte des „Hamburger Dogmas“, das 1999 im Kreis von sechs Hamburger Autoren formuliert und von ihnen und weiteren Unterstützern unterzeichnet wurde, bedenkenswert. Eines — und womöglich das wichtigste — der von diesen Autoren benannten Ziele des Dogmas hingegen, sehe ich mit diesen Massgaben völlig verfehlt:
Ziel ist es, die Erzählstruktur der Literatur zu erneuern. Der Leser erhält einen Maßstab, mit dem er die Arbeit der Autoren überprüfen kann.
Ein Massstab zur Bewertung mag geboten werden. Aber kein einziger der oben zitierten Punkte des Dogmas bezieht sich auf Erzählstrukturen. Alle Massgaben verbleiben im Bereich der Form. Struktur aber muss der Autor einem Text bewusst geben; sie ergibt sich nicht aus Formalem.
Am 6. Dezember 2007 um 19:24 Uhr
na, da ich nicht in hamburg wohne kann mir das wohl egal bleiben hahaha.
sorry für den doofen witz… ich konnte ihn mir nicht sparen!
grüße
ky
Am 6. Dezember 2007 um 19:44 Uhr
Du bist ja Lyriker, die denken eh über nix nach ;-)
Am 6. Dezember 2007 um 20:34 Uhr
hahaha!!! die ganze bande, die der hildesheimer akademie entspringt bezeichnet sich ja auch als lyriker… und bei denen hat man das gefühl die denken fast zuviel nach. hab mir gestern übrigens per zufall lyriktheorie von oskar loerke gekauft. ich lese es und vergesse es dann wieder. vielleicht agiert es dann subtil aus dem unterbewusstsein heraus…
grüße
ky
Am 6. Dezember 2007 um 21:32 Uhr
Da bekommt man glatt Lust, einen Text zu schreiben, der seitenlang alle Vorgaben bis auf eine erfüllt – die letzte. Was tun die Hamburger Dogmatiker d a n n? Weinen? Auf Schmerzensgeld klagen? Sie könnten freilich auch ein paar Desperados anheuern, is’s ja Hambuach, um mir eins auf die Nase haun zu lassen – oder zweidrei. Da hätt ich dann Achtung, das wär mal Haltung. Aber was haben die gegen lange Sätze?
Lustig, wie wahrscheinlich ein Unvermögen zur ästhetischen Meß- und Morgenlatte langprokrustet wird. Das mit den Adjektiven stammt übrigens nicht von der Waterkant, sondern aus Schottland. Gehört zu R. L. Stevensons Prosa-Katechismus.
Am 6. Dezember 2007 um 21:59 Uhr
Nun, man muss ja bei einem Dogma nicht alles selbst erfunden haben. Es ging ja wohl darum, so etwas wie nachprüfbare Qualitätsmassstäbe festzuhalten.
In der verlinkten Erläuterung wird der Paragraph zu den Adjektiven noch präzisiert. Zu vermeiden seien wertende Adjektive, also etwa der böse Mann. Das fällt also in die gleiche Kategorie wie das Darstellen statt blossem Benennen von Gefühlen.
Dass Sie, lieber ANH, aufhorchen und sich melden, wenn jemand nach kurzen Sätzen verlangt – das ist nun nicht verwunderlich. Tatsächlich ist auch das nicht in Hamburg erfunden, sondern wurde von u. a. schon von Tucholsky gefordert: „Hauptsätze, Hauptsätze, Hauptsätze!“ Ein Dogma braucht ja Überzeichnungen, man soll sich ja nach etwas strecken können. Tatsächlich haben kurze Sätze Kraft; den Blick darauf zu richten, kann einen davor bewahren, vor sich hin zu schwafeln, um das Wesentliche herumzutanzen, statt es auf die Bühne zu bringen.
Und ich halte kurze Sätze in keiner Weise für Ausdruck von Unvermögen. (Erinnern wir uns doch einmal kurz an Prousts ersten Satz. Und stellen wir dem einmal die Unsäglichkeit der ersten Seite von Thomas Manns „Joseph und seine Brüder“ gegenüber; ein vollendeter, gigantischer, gespreizter Satz, nach dem man das Buch umgehend wieder aus der Hand legen möchte, es vielleicht sogar tut.)
Langer Rede kurzer Sinn: Ich finde diese formalen Forderungen bedenkenswert. Und dann Dogma hin, Dogma her; Kennzeichnungspflicht (na, ach herrje!) Aber so ist es bei vielen Dingen: man muss das Wesentliche aufnehmen und den Rest schnell vergessen.
Am 6. Dezember 2007 um 23:49 Uhr
Ich bitte um Verzeihung, aber ich halte die Punkte 4), 6) und 7) schlicht für Unsinn. Vor allem 7) ist doch Humbug. Warum sollte sich ein Autor dermaßen selbstbeschränken (z.B. mit 6), wer hätte irgendetwas davon? Ich bezweifle doch sehr, dass Texte zu besseren Texten werden, weil sie sich an diese Dogmen halten, ich wüsste nicht warum…
Am 6. Dezember 2007 um 23:52 Uhr
… dem kann ich folgen. Sich vom allwissenden Erzähler zu trennen, wäre allerdings einen Versuch wert. Was ist diesem denn zu verdanken?
Am 7. Dezember 2007 um 00:47 Uhr
Ich denke, darüber kann man durchaus streiten und es gibt sicherlich gute Gründe, heutzutage nicht mehr aus einer allwissenden Position schreiben zu wollen bzw. andere Erzählweisen vorzuziehen, was ich allerdings unsinnig finde, ist dieses Verbot von Vornherein, dieses völlig unnötige Sich-Selbst-Einengen! Und wenn da nun ein Stoff ist, der so erzählt werden will, nur so erzählt werden kann? Mir gefällt das jedenfalls überhaupt nicht, mir etwas allgemein zu verbieten, unabhängig vom Einzelfall.
Am 9. Dezember 2007 um 00:17 Uhr
[…] Während in der Prosa die Beschränkung auf bestimmte Mittel der Form offenbar wenige Anhänger hat, war in der Lyrik schon immer die Beherrschung […]