Colegio Tarbut Buenos Aires
••• Gabriela Adamo von Filba hat mich heute zu meinem letzten Termin in Buenos Aires begleitet. Verabredet waren wir mit Oberschülern des Colegio Tarbut. Das Colegio ist eine jüdische Privatschule, die 1.400 Kinder und Jugendliche vom Kindergarten bis zum Abitur begleitet. Die Oberschule mit 400 Schülern ist vor zwei Wochen erst in einen architektonisch sehr interessanten Neubau umgezogen, der erst noch eingelebt werden will. Bis zu 600 Oberschüler sollen hier in den nächsten Jahren lernen. Mehr aber sollen es, obwohl der Platz es erlauben würde, nicht werden.
Wie die Pestalozzi-Schule bietet auch das Colegio Tarbut den Schülern die Möglichkeit, ein mehrsprachiges internationales Abitur abzulegen. Die Leiterin Fabiana Kramarz bezeichnet die Schule als jüdisch säkular. Was bedeutet das? Es gibt durchaus nicht nur jüdische Schüler und Schüler aus gemischtkonfessionellen Familien. Die Schule steht allen offen. Hebräisch ist als Fremdsprache Pflicht, Englisch (des internationalen Abiturs wegen) ebenso. Es gibt zwar keinen konfessionellen Religionsunterricht, aber die Pflichtfächer Bibelstudien und Jüdische Geschichte. Gemeinsam gebetet wird in der Schule nicht. Die Caféteria aber ist koscher. Ein interessantes Konzept.
Das Gespräch mit den Schülern war nicht ganz so privat wie am Tag zuvor in der Pestalozzi-Schule. Gefragt wurde dennoch viel, und die Teenager hörten gespannt zu. Ich fürchte, es war eine sehr intensive Stunde mit einer Mischung vieler Themen: von der DDR zur Neuen Rechten, Antisemitismus, der Frage, wie es sich als religiöser Jude in Deutschland lebt und und und. Von Literatur war ganz nebenbei natürlich auch die Rede.
Colegio Tarbut Buenos Aires
Inzwischen sind die Koffer gepackt, ja sogar schon eingecheckt, denn ich habe die einstündige wilde Taxifahrt zum Flughafen Buenos Aires schon hinter mir und bin viel zu früh zum Einsteigen bereit. Aber bin ich das? Bin ich das wirklich?
Ich habe noch liebevolle Abschiedsmails von Martina und Carla Natalia bekommen. In Chile war ich allein. So haben Stadt und Landschaft ganz ungehindert auf mich wirken können. Von Buenos Aires, scheint es mir, habe ich gar nicht so viel gesehen. Nun, das stimmt nicht, aber es fühlt sich so an, wahrscheinlich weil es hier eben vor allem die Menschen und Begegnungen waren, die mich berührt haben.
Ich habe übermäßig viel Ursache, dankbar zu sein. Den Organisatoren des Filba-Festivals, dem Goethe-Institut, den Autoren und Journalisten, die hier Interviews und Podiumsgespräche mit mir geführt haben. Ich kann mich nicht erinnern, mich jemals als Autor mit allen meinen Büchern, künstlerischen Ambitionen und Ideen, so angenommen und verstanden gefühlt zu haben.
Man wird wiederkommen müssen, gar keine Frage!
Am 19. Oktober 2016 um 20:00 Uhr
Sehr geehrter Herr Benjamin Stein,
über einen Beitrag der Webseite von Dieter Miunske (Die Einteilung der Buchstaben im hebräischen Alphabet), gelangte ich auf den Wikipedia-Eintrag über das „Sepher Jezirah“ – dort fand sich auch ein Hinweis auf ihr Buch „Das Alphabet des Rabbi Löw“, die mich zu ihrem Blog führte. Dort las ich ihre Gedanken zu ihrer Reise nach Argentinien, denen ich gerne gefolgt bin. Einen herzlichen Dank dafür.
In diesem Zusammenhang möchte ich Sie gerne kurz auf drei Autoren hinweisen – nur für den Fall, dass sie diese eventuell noch nicht kennen.
Friedrich Weinreb (1910-1988) hat auf wundersame Weise die NS-Zeit überlebt und als Professor für mathematische Statistik in den Niederlanden, der Türkei und Indonesien gearbeitet und auch für die UN in Genf. Neben seiner Arbeit beschäftigte er sich Zeit seines Lebens als orthodoxer Jude mit alten und ältesten Jüdischen Überlieferungen. So hat er mehrere Bücher dazu verfasst („Schöpfung im Wort – Die Struktur der Bibel in jüdischer Überlieferung“, „Die Rolle Esther“, „Das Buch Jona“), unermüdlich in zahlreichen Vorträgen und Seminaren zu biblischen Themen gesprochen (die auch aufgezeichnet wurden) und auch seine Autobiographie verfasst. Sein erster Band über seine Erlebnisse in der NS-Zeit erhielt 1969 den Literaturpreis der Stadt Amsterman („Im Land der Blinden“). Die Friedrich-Weinreb-Stiftung in Zürich bewahrt die Worte von Friedrich Weinreb in Schrift und Ton. Link http://www.weinreb-stiftung.org/
Das Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam ehrte den Informatiker Alan Kay im Jahr 2011 als Fellow. Dort hielt er eine – aus meiner Sicht – sehr interessante Rede mit dem Titel „Programming and Scaling“. Sie ist beim HPI im Video-Angebot „Tele-Task“ zu finden. http://www.tele-task.de/archive/video/flash/14029/
Der Informatiker Jaron Lanier erhielt im Jahr 2014 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Seine – aus meiner Sicht bemerkenswerte – Rede fand bislang keine große Aufmerksameit. Sie ist im Webangebot des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels als PDF abrufbar. Link http://www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/445722/
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und,
mit freundlichem Gruß,
Johannes Eckert
Am 30. November 2016 um 20:15 Uhr
Sehr geehrter Herr Benjamin Stein,
im Rahmen der aktuellen politischen Entwicklungen möchte ich Sie gerne kurz auf die Arbeit von @aviyakushner hinweisen. Sie schreibt eine Kolumne im Forward mit dem Titel „World of Words“.
Mit freundlichem Gruß,
Johannes Eckert