Vom Beginn des gedruckten Buches, also gegen Ende des 15. Jahrhunderts, gibt es schöne Briefe (erhalten, weil auf Papier geschrieben) von Humanisten, die entzückt waren: daß gedruckte Bücher nun durch Auflage und Verteilung erstens endlich nicht mehr versehentlich verlorengehen konnten – im Gegensatz zu Handschriften, die äußerst mühsam herzustellen, also selten waren, und gut brannten. Daß gedruckte Bücher zweitens aus demselben Grund nicht mehr absichtlich zum Verschwinden gebracht werden konnten, im Gegensatz zu Handschriften, die es fast immer nur in winzigen Auflagen und meist an exponierten Stellen gab und die diversen erfolgreichen Vernichtungsstrategien ausgesetzt waren. Daß drittens durch die neue Technik Bücher hergestellt werden konnten, die korrigierte, verläßliche, zitierfähige Texte boten, im Gegensatz zu den Handschriften samt deren ewigen Schreibfehlern, Auslassungen und Varianten. Daß das einzelne Buch endlich erschwinglich angeboten werden konnte, dabei aber durch die Auflage dennoch ein funktionierendes Geschäft daraus werden konnte. All diese Fortschritte, seit Jahrhunderten bestätigt und bewährt, nimmt das E-Book zurück.
••• Wunderbar, ganz wunderbar, wie Friedrich Forssman im Suhrkamp-Blog eine Lanze für das gedruckte Buch bricht. Anlass ist diesmal die Frage, warum es Arno Schmidts Bücher nicht als eBook gibt. Die Argumentation im obigen Zitat würde absolut ziehen, wenn denn jemals jemand vorgehabt hätte, das gedruckte Buch durch das eBook zu ersetzen. Das soll – und darf, wie man sieht – nicht geschehen. Aber als nützlichen Zusatz will ich das eBook doch haben. Und ich will es haben für all jene Texte, die ich zwar zur Kenntnis nehmen, aber nicht physisch besitzen möchte. Weil physischer Besitz mich belastet und ich nicht physisch aufheben mag, was ich nicht mehrfach lesen möchte. Dass »Zettels Traum« als eBook ein Paradoxon wäre, ist klar. Es gibt allerdings genügend Bücher Schmidts, die man durchaus auch als eBook publizieren könnte. Da schießt Suhrkamp und Forssman für Suhrkamp ein wenig übers Ziel hinaus.
Am 5. Februar 2014 um 11:21 Uhr
Die Kritik an der aktuellen Aufbereitung von E-Books teile ich, sie wird auch von anderen geteilt, z.B. Cory Doctorow. Der ja nun alles andere als ein Feind von Technik ist. DRM, mangelhafte Kompatibilität (der Kindle wird wohl nie EPUB-Dateien lesen können), etc. pp.
Nur finde ich das Beispiel Arno Schmidt passend und unpassend zu gleich. Das Buch, was hier als Beispiel herhalten soll ist ja nicht nur ein Buch, sondern ein Kunstwerk. Im Sinne, dass nicht nur der Inhalt, sondern auch die Präsentation dazu gehören. Deshalb wurde das Buch damals in einer begrenzten Stückzahl gedruckt und deshalb hat sich Schmidt so sehr über (verkleinerte) Raubdrucke geärgert.
Die funktioniert mit E-Books so nicht. Sie sind formatierter linearer Text, eventuell mit Bildern. Und eine Exklusivität funktioniert noch viel weniger, eben weil E-Books unendlich oft kopiert werden können.
Was die Präsentation betrifft, gilt dies ja auch für „Die Leinwand“, ein E-Book kann man leider nicht einfach drehen und von „hinten“ lesen. :-(
Am 5. Februar 2014 um 11:38 Uhr
Stimmt. Schmidt hat allerdings auch nicht nur »Zettels Traum« geschrieben wie ich nicht nur »Die Leinwand«. »Replay« gibt es als eBook. Die anderen Titel werden folgen. DRM sucks anyway.