hinterm geranientopf liegt
ein schlüssel
in deiner hand
öffnet er
zum garten das tor
zum haus die tür
zum zimmer der stille
die versiegelte pforte
nimm ihn nur
wenn du es willst
gehört er dir
drehst du ihn
langsam im schloss
trägt das geräusch
des schnappenden riegels
dich über die schwelle
zu mir
© Benjamin Stein (2013)
••• »Weggehen und Wiederkommen« ist der Titel eines sehr berührenden französischen Films, den ich wohl nie vergessen werde. Der Titel hält sich ebenso hartnäckig in meinem ansonsten so löchrigen Gedächtnis wie der Film selbst. Jetzt musste ich erneut an ihn denken, als mir zu einem Gedicht von 2007 eine »Fortsetzung« zustieß.
Ich dachte, die beiden Gedichte sollten zusammengefügt werden, aber in welcher Reihenfolge und unter welchem Titel? »Venir – revenir« drängte sich mir auf. Aber ich bin sicher, dass es sich nicht um eine Rückkehr handelt, dass also das »Du« in »nicht angerührt« nicht das gleiche »Du« ist wie in diesem Gedicht hier. Fügte man beide Gedichte, etwa überschrieben mit I und II, zusammen, würde eine sehr unterschiedliche Geschichte entstehen, je nach dem, welcher Text welchem folgt.
Ich will es anders halten und die Geschichten nicht vermischen, wenn die Motive das auch nahelegen. In einem Gedichtband könnten sie aufeinander folgen, dann aber zwingend dieses hier nach dem älteren von 2007, denn offenbar läuft hier etwas anders und erfreulicher als damals. Das Angebot steht nicht am Ende sondern am Beginn von etwas, und es wird ausgesprochen, während in »nicht angerührt« die Schlüssel lediglich »im bund / an einem haken / neben der tür« hingen und darauf warteten, entdeckt zu werden. »Die Schlüssel«, hieß es dort noch, hier genügt ein Generalschlüssel, der aber nur »in deiner hand« funktioniert. Vor allem aber ist hier jemand eingeladen, einzutreten, ja sich sogar »über die schwelle« tragen zu lassen. In »nicht angerührt« ging es nur noch um den zu lindernden Schmerz eines Abschieds aus Resignation.
Den Titel »Venir – revenir«, weggehen und wiederkommen, den will ich für das neue Gedicht behalten. So wird der Schlüssel zum Angebot an das unbekannte »Du« – zwischen Weggehen und Wiederkommen.